Die Göttin des Festivals - Yugen Blakrok
Da bin ich wieder zwischen der slowenischen Dichterin Anja Golob und einer südkoreanischen Germanistin von erschreckendem Ernst. In meiner Nachbarschaft bemerke ich Marion Poschmann, Xi Chuan, Maren Jäger – und Thomas „Kapitän“ Wohlfahrt, der den Triumphzug der Lyrik anführt. Er kennt noch die Zeit des Samisdat und der Nischenreligion.
Jetzt füllen die Aficionados der Dichtung Stadien.
Jedes lyrische Werk beansprucht Hegemonie. Was war vor der massenhaften Bereitschaft, sich darauf einzulassen? – Vor der Popularisierung der Hegemonien?
Golob springt auf und sucht das Weite am Rand. Gleich wird sie der Mittelpunkt tausendfacher Aufmerksamkeit sein und sich auch in dieser Position als bis zum Wahnsinn Vereinzelte zu erkennen geben. Vor ihr trommelt Weilacher Sarah Nemtsovs Cards with Cummings for (talking) percussionist.
Über fünfzig Veranstaltung widmen sich in den nächsten Tagen „der Beschäftigung mit Sprache als Material“ (Wohlfahrt) – mit dem Schwerpunkt US-Dichtung.
„Es geht um Grenzen. Grenzen sind Orte des Austauschs.“ Siehe Ovid in seiner Verbannung
Wohlfahrt spricht vom „großen Konzert der Verse“, bevor Maren Jäger das Mikrofon übernimmt und aus dem Stand „der Sprache ein Licht aufsetzt“. Sie postuliert einen „spartanischen Umgang mit Silben“.
Vor mir brummt der Motor eines Beatmungsgeräts.
Jäger beschwört die Chancen einer „Handtrommelentfesselung“.
Golob folgt Poschmann auf die Bühne.
„Ich war nackt wie ein Gletscher.“
Habe ich das richtig mitgeschrieben? Kältebaustellen ohne Beanspruchungsspuren? Oder Kältebauteile ohne Beanspruchungsspuren? Nicht zuordnen kann ich „sich in Neonlicht waschen“, „Industrievernunft“, „ein Pelz aus Pipelines“, ein Verständnisverlust des Wir“ sowie „Wie lange sind wir sicher und wann wird es ernst?“
„Die Lyrik eröffnet einen dritten Raum des Austauschs“, sagt Jäger.
Jetzt kommt Yugen Blakrok mit einem Sound wie von Massiv Attack. Schon steht fest: Sie wird als Göttin des Festivals in die Geschichte eingehen.
Wird fortgesetzt.
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