Jamal Tuschick - Traurigkeitstrophäen

#TexasText/Jamal Tuschick Die Königin von Saba hätte den Laufsteg bis ganz nach oben beschreiten können. Sie ging lieber mit der Bagage aus, mit Jungen, die es fertigbrachten auf einem Klo über ...

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Eingeflogener Firmennachwuchs

Karolin füllt sich mit Prosecco aus Valdobbiadene ab. Wayne hat Karolin noch nie Prosecco trinken sehen. Die XXL Consulting Group bespielt morgens um elf das saalgroße Hinterzimmer der Burggaststätte. Ihre „Kernkompetenz“ besteht darin, „neue Technologien zu bewerten“. So steht es geschrieben auf einem Wisch. Das Unternehmen feiert sich selbst, eine Botschafterin der guten Laune hält die Ansprache. Eine TV-Nase verspricht eine halbe Stunde voller Gefühle. Leitende Herren stehen grundsätzlich im Weg. Mit erpresserischer Süße verkaufen Engel Lose. Nicht erkennen lässt sich, ob die schwebenden Geschöpfe eingeflogener Firmennachwuchs sind oder in Frankfurt gemietet wurden. Managerinnen in Frontkostümen schreien Karolin an. Wayne ätzt zurück, die Managerinnen verachten ihn sturzbachartig. Der König verwarnt Wayne, er verlangt Unterwerfung von Karolin. Sie eskaliert lautlos, während der Burgherr eine Schleimspur bis zu den Bassinrandschwimmern in der Firmenleitung zieht.

Die letzten Zahlgäste

Es ist wieder kurz vor halbdrei, die Eingeschweißten trinken eiskalten Mesa Mayor und La Calzada. Nobel geht die Welt zugrunde. Die letzten Zahlgäste haben die bösen Gesichter kleiner Leute, die nur noch die Aussicht auf ein Grab kennen. Ihre Ranzigkeit baut sich Nester im Schankraum der Burg. Ein Däniken für Headbanger erzählt von Aliens. Ein mit Ringen unter den Augen in Bulgarien zur Welt gekommene Zauberer, der als Kellner im Grauen Star arbeitet, heuchelt Interesse.

Toni (ihres Zeichens Apfelweinkönigin auf Lebenszeit) erinnert einen Grottenolm aus der Abteilung Randgeschehen, angeblich war der Olm früher im Erwachsenenfilmgeschäft, an einen Star des Golden Age of Porn. Antike Pornos sind im Augenblick der letzte Schrei. Wayne vergleicht Toni nostalgisch mit der Königin von Saba. In drei Reihen standen Leute am Burgbuffet vor ihrem Dekolleté Schlange. Glücklich war, wer der Königin Feuer geben durfte für eine Lord Extra. Nacht für Nacht betrogen Männer ihre Frauen in Gedanken mit der Königin von Saba. Sie bedient nun die Frühschoppenrentner in der Kaschemme gleichen Namens.

Die Königin von Saba hätte den Laufsteg bis ganz nach oben beschreiten können. Sie ging lieber mit der Bagage aus, mit Jungen, die es fertigbrachten auf einem Klo über ihrer Scheiße einzuschlafen. Die Väter waren nichts. Die Mütter waren die Mütter, was soll man da noch sagen.

Der König (Burgwirt) sagt was, und jemand ist so blöd zu fragen:

„Wie meinst du das?“

„Ich meine gar nichts“, antwortet der König. Das hat er nicht nötig. Er überblickt seine Epoche und treibt sie an. Er war schon als Junge kühl und mit den richtigen Leuten auf Tuchfühlung. Früh am Zocken und mit achtzehn gleich ein großes Auto.
Selig sind die geistig Armen. Besser im Dunklen tappen als auf dem Trocknen sitzen. Der König verdrückt sich in die Burgküche, wo er einst in die Kunst des Zwiebelschneidens eingeführt wurde. Seine reumütig an die Fleischtöpfe zurückgekehrte Mutter konnte der Burgherr nur noch als Küchenhilfe und Reinigungskraft gebrauchen. Die devoten Auftritte der Lieferanten. Man weiß ja nie und trifft sich immer zweimal im Leben. Der kleine Michael Wundersamen, gespenstisch unscheinbar in der väterlichen Missachtung, verbrannte sich die Finger an allem, was in einer Küche heiß sein kann. Er lernte die Musik zum Handkäs zu machen und alles Mögliche im Akkord auf Teller zu bringen. Palettenweise drehte er Kräuter durch den Fleischwolf. Er schaufelte Äpfel und stampfte Kartoffeln. Seine Mutter musste Kartoffeln schälen. Sie verhob sich. Sogar ein pakistanischer Koch, der als Helfer angefangen und in seinem ganzen Leben nie ein Rippchen gegessen hatte, durfte ihr Anweisungen geben.

Der König trinkt Wodka aus einem Apfelweinglas. Er haut Lammfilets in die Pfanne. Ein Schaum aus Erbsen und Frühlingszwiebeln: das ist Hausmannskost für Leute, die ein Vermögen mit derbem Essen gemacht haben.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

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