“Philosophie ist also der Versuch, zu sagen, was an der Zeit ist. HipHop ist der Versuch, zu performen, was an der Zeit ist.”
In dem Buch Philosophie des HipHop betrachten Prof. Dr. Jürgen Manemann (katholischer Theologe und Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover) und Dr. Eike Brock (Ruhr-Universität Bochum) sowie die Co-Autoren Megaloh, Sookee, Spax, Prof. Dr. Christopher Driscoll (Lehigh University, Pennsylvania), Prof. Dr. Monica Miller (Lehigh University, Pennsylvania), Prof. Dr. Anthony Pinn (Rice University, Texas) und Prof. Dr. Lissa Skitolsky (Susquehanna University, Pennsylvania) die Grundbegriffe und das Wesen der Hiphop-Kultur.
Die Beiträge der Co-Autor*innen stammen hierbei entweder aus Texten, die für den Band verfasst wurden, aus der Veranstaltung “Stimmen der Zeit” (Juni 2015) oder aus der Lehrveranstaltung Philosophie und HipHop von der Universität Hildesheim. Die Texte befassen sich mit der Hiphop-Kultur von den Anfängen bis in die heutige Zeit, wobei der Fokus eindeutig auf den USA und Deutschland liegt und die Musik im Vordergrund steht. Diskutiert werden wesentliche Grundbegriffe der Szene, wie zum Beispiel die Bedeutung der Realness/Authentizität, des Fame sowie des Battle. Hierbei konzentriert sich der Band nicht auf eine bestimmte Stilrichtung, sondern setzt sich mit verschiedenen Richtungen der Kultur auseinander (Party-Rap, Conscious Rap, Gangsta-Rap, u.a.).
Philosophie des HipHop ist keine objektive, sachlich-distanzierte Analyse: “Was ist das eigentlich - Philosophie des HipHop? Auf diese Frage kann nur eine Antwort bekommen, wer gleichzeitig in Philosophie und HipHop eintaucht.” Trotz aller Kritik an bestimmten Phänomenen der Gesellschaft, die sich auch in der Kultur zeigen (z.B. Homophobie, Sexismus), merkt man deutlich, dass sich die Autoren stark mit der Hiphop-Kultur identifizieren oder zumindest starke Sympathien für sie empfinden. Dabei überzeugen sicherlich nicht alle Ansichten der Autoren und Co-Autoren überzeugen - doch darum geht es den (Co-)Autoren auch nicht: Philosophie des HipHop ist keine neutrale Darstellung historischer Fakten, sondern vielmehr eine eigene Positionierung, um in einen Dialog mit dem Leser zu treten: “Lesen im Sinne der Philosophie des HipHop heißt sich selbst einbringen, einige Fäden fallen, wiederum andere aufgreifen und weiterspinnen.”
Die Autoren sehen dabei HipHop nicht als bloßes Objekt ihrer Analyse an, sondern als eigene Form des Philosophierens: “Wenn HipHop eine solche Prüfung des eigenen Lebens ist, dann spricht nichts gegen die Forderung von Bailey, HipHop in den Kanon der Philosophie aufzunehmen. [...] HipHop stellt eine diskursive Praxis dar, die sich allen Begrenzungen verweigert. [...] Beide, Philosoph*innen und HipHopper*innen, sind troublemaker.” Die Autoren sehen HipHop als doing philosophy, welche von ihren Mitglieder aktives Tun abverlangt, hierfür als “Belohnung” gesellschaftliche Anerkennung, Selbstbestätigung und Empowerment bietet. Auch die politische Komponente der HipHop-Kultur wird beleuchtet und mit heutigen Entwicklungen (wie z.B. die black lives matter Bewegung in den USA) in Verbindung gebracht.
Unverständlich ist, weshalb der Schwerpunkt auf die Hiphop-Musik gelegt wurde; so kommen weit überwiegend Rapper und Rapperinnen zu Wort, während Graffiti, Breakdance und Djing deutlich zu kurz kommen. Dies ist insofern befremdlich, als dass ausdrücklich die gesamte Hiphop-Kultur betrachtet wird. Erklären sich das vielleicht damit, dass Liedtexte einen leichteren Zugang zur Analyse im Rahmen eines Textes bieten. Letztlich bleibt es schade, da so eine Vielzahl an interessanten Stimmen aus der Szene ungehört bleibt.
Positiv zu erwähnen sind zudem Umschlaggestaltung, Satz und Layout, alles von David Turner (Hannover) gestaltet. Die komplett schwarz-weiße Gestaltung ist sehr ästhetisch, die Einfügung von Rap-Zitaten auf Notizzetteln ein schöner Einsatz eines Klischees, die verschiedenen Schriftarten ergänzen sich gut, ohne die Augen des Lesers zu beißen.
Philosophie des HipHop ist ein guter Beitrag zu dem Bemühen, die HipHop-Kultur der Allgemeinheit verständlich zu machen. Den Autoren gelingt es, mit ihren Thesen Denkanstöße zu geben und den Leser dazu zu bewegen, seine eigenen Positionen zu hinterfragen. Philosophie des HipHop richtet sich hierbei in erster Linie an Menschen, die sich als Teil der Kultur sehen. Interessierten “Außenseitern” bietet das Buch einen gelungenen Einblick in die Grundwerte des HipHop.
Info
Philosophie des HipHop ist am 23.04.2018 im transcript-Verlag erschienen
Taschenbuch 19,99 €, 218 Seiten
ISBN: 978-3-8376-4152-3
Kommentare 1
Hiphop ist der Allgemeinheit schon in dem Sinn viel zu verständlich gemacht, daß in den Markt gedrückte Kakophonie mit hinein gequetschter Sprechkaskade unwillkürlich zur Akzeptanz, dem Geschmack und musikalischer Indifferenz von zwei Generationen wurde.
Als vier musikalische Nichtkönner damit begannen, Led Zeppelins Stücke mithilfs zweier Ghettoblaster in Loops zu zerlegen, um darüber hinweg Stakkato zu sprechen und dann von Agenten im Zenit deren Marketings (in der einzigartigen und unwiederbringlichen Periode populärer und allgemeiner Musik) aufgelesen wurden, um kommerzielle Omnipotenz des Labels zu entladen und enormem Reibach nebenbei eines draufzusetzen, dachte keine Schwein, daß der Gimmick länger währen sollte.
Doch die Entdeckung, daß Dilettantismus Ruhm und Geld einbringen kann, feuert eben auch Dilettantismus und das Individuum im Publikum als Traum vom kleinen Mann an, der auch ohne ´was werden kann. Ganz so, wie Nivellierung und Beliebigkeit als verheischende Attraktion des Dürftigen für Linkische auch in der gestaltenden "Kunst" und Literatur erfolgte.
Dabei wäre mittlerweile noch zu erwarten gewesen, daß Menschen, die immerhin Philosophie studiert haben sollen, noch wüßten, daß dieses Geistesmetier Mutter der Wissenschaften ist und Kenntnis davon den Denker über persönliche Neigung und Schwächen hinwegheben sollte.
Denn eben das ist Sinn einer Sache namens Philosophie.
Doch Pisa siegt und erobert die Hemisphäre, während unfertige Versuche, dem Rap höhere Weihen über dessen Text anzudichten, nicht einmal mehr Kenntnis vom Vorbild ursprünglicher Limericks aufweisen, die intelligent, witzig, gereimt und von sich aus rhythmisch zu sein verstehen.
Mit der Anpassung von Lehrbüchern an intellektuelle Abschüssigkeit über Ersatz von Geschriebenem durch Graphiken, scheint inzwischen auch das kontemplative Fach der Philosophie zum Abschluß ohne Kognition zu führen.
Wer folglich Monotonie von Dieselklackern für musikalischen Rhythmus hält, vermag weitere Ästhetik von Melodie, struktureller Systematik und Melodie wohl nicht mehr zu auszumachen. Geschweige denn, in welche vernehmliche Explosion sinnlicher Kreativität ausgerechnet Primitivität geholperten Sprechgesangs einst hineingeboren und unfaßbarer Weise bis heute breitgetreten worden ist.
Philosophischer Kinderreim, ick hör dir trapsen;
zur Güte reicht´s hineinzuwachsen.
Jetzt noch ein von Schimpansen oder Elefanten gekleckstes Bild und eine zertretene Gulaschdose als Skulptur diffiziler Ausdruckstärke und die alten Griechen wären neidisch auf unsere kulminierende Zivilisation.