Menstruation und Bildung

Gleichstellung Ramona Rienermann und Edessa Khatchi möchten mit Malawi Cup.Care den Schülerinnen in Ngala die Teilhabe am Unterricht ermöglichen und falsche Scham abbauen helfen.

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Frau Khatchi, Frau Rienermann, wie sind Sie auf die Idee für dieses Projekt gekommen?
Ramona Rienermann: Ich bin 2017 mit einer afrikanisch organisierten Trucktour durch verschiedene afrikanische Länder gereist, unter anderem auch Malawi. Dort habe ich die Primary School in dem Dorf Ngala besucht und mitbekommen, dass nicht alle Schüler aus den umliegenden Dörfern die Schule besuchen können, weil es an Schulmaterialien fehlt. Ich hatte dann den Wunsch, die Schule zu unterstützen. Nachdem fleißig Spenden gesammelt wurden und sich Edessa dazu bereit erklärt hatte das Projekt zu unterstützen und mit nach Malawi zu fliegen, ging es also im März 2018 mit den Spendengeldern nach Malawi.

Was wurde konkret mit den Spendengeldern umgesetzt?
Edessa Khatchi: Mit Hilfe der Spenden wurden gemeinsam mit einem Lehrer der Schule Schulmaterialien gekauft, sodass dadurch im Endeffekt fünfhundert weitere Schüler die Schule besuchen können.

Das neue Projekt richtet sich ja notwendigerweise an Schülerinnen. Wieso der Fokus auf Mädchen und Frauen?
Ramona Rienermann: Ja, während unseres Aufenthaltes in Malawi wurde uns von den Frauen über die Umstände erzählt, dass die Mädchen während ihrer Periode nicht in die Schule gehen können, weil sie keine Hygieneartikel haben. Zum einen ist es schwer an Hygieneartikel ranzukommen, zum anderen können sie sich keine leisten. Sie behelfen sich mit Wollresten und Stofffetzen während der Menstruation und schämen sich so in die Schule zu gehen. Die Idee zu diesem Projekt kam uns während unseres Aufenthaltes in Ngala, am 08. März 2018, also sehr passend am Weltfrauentag.

Edessa Khatchi: Wir wurden auf diese problematischen Umstände aufmerksam gemacht und wollten versuchen die Mädchen in Ngala zu unterstützen und uns für Bildung und Gleichberechtigung einsetzen.

Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Edessa Khatchi: Wir sind während unserer Planung auf die kleine, lokale Firma Supreme Sanitary Pads aufmerksam geworden, die wiederverwendbare Binden herstellt. Wir haben Kontakt zu Supreme Sanitary Pads aufgenommen und fünfhundert Binden-Sets in Auftrag gegeben.

Ramona Rienermann: Zudem wollen wir Menstruationstassen aus Deutschland bereitstellen und die Frauen und Mädchen gemeinsam mit Vertrauenslehrerinnen und Mitarbeitern von Supreme Sanitary Pads über die Anwendung und Hygiene während der Menstruation schulen.

Was erhoffen Sie sich von dem Projekt?
Ramona Rienermann: Wir möchten es den Mädchen und Frauen in Ngala ermöglichen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sich während der Menstruation zumindest einigermaßen geschützt und wohl zu fühlen. Es geht auch um den Abbau falscher Scham. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass es den Mädchen möglich ist die gleiche Bildung zu erhalten.

Edessa Khatchi: Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass im Anschluss an die Primary School nur zehn Prozent der Schülerinnen eine Secondary School besuchen können und die Primary School somit für die meisten Frauen und Mädchen die einzige Schulbildung darstellt. Den Unterrichtsstoff von einer Woche jeden Monat zu verpassen ist ein gravierender Nachteil für ihre Bildung. Mit den wiederverwendbaren Binden wird es den Mädchen möglich sein auch während ihrer Menstruation die Schule zu besuchen ohne sich wie bisher Sorgen zu machen.

Ramona Rienermann: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Hygiene während der Menstruation, diese wird mit den waschbaren Binden mehr gewährleistet als mit den Stofffetzen und Wollresten, die die Mädchen bislang verwenden. Die Binden können gewaschen werden und halten ca 2-3 Jahre. Auch die Menstruationstassen, welche eher für die älteren Mädchen geeignet sind, können abgekocht werden und halten bis zu 10 Jahre. Wir hoffen den Mädchen und Frauen in Ngala durch unser Projekt ein Stück mehr Freiheit zu ermöglichen.

Edessa Khatchi: Auch der Aspekt, dass wir mit den waschbaren Binden die lokale Wirtschaft unterstützen, ist uns wichtig. Wir würden uns wünschen, dass das kleine Unternehmen "Supreme Sanitary Pads" im Laufe der Zeit mehr Arbeitsplätze für die malawischen Frauen anbieten kann und vielleicht sogar einen zweiten Standort eröffnen kann, damit sich die Binden noch mehr in Malawi verbreiten.

Gab es oder gibt es Hindernisse für das Projekt?
Ramona Rienermann: Ja, es gab einige Hindernisse, besonders die Suche nach einem uns unterstützenden Verein war leider nicht erfolgreich. Wir haben uns mit zwei verschiedenen Vereinen getroffen, sind dafür unter anderem in andere Städte gefahren und haben uns dort vorgestellt. Dies war natürlich schon zeitaufwendig. Da wir beide sehr eingespannt in unseren Berufen sind, kam eine eigene Vereinsgründung für uns nicht in Frage, sodass wir die Hoffnung hatten bei einem Verein Unterschlupf zu finden. Jedoch hat es leider aus bürokratischen und organisatorischen Gründen mit der Unterstützung der Vereine, bei denen wir uns vorgestellt haben, nicht geklappt. Dabei wollten wir keine finanzielle Unterstützung sondern nur einen Verein, der uns den Rücken stärkt.

Weshalb suchen Sie die Eingliederung in einen Verein?
Edessa Khatchi: Nun, wenn das Projekt Teil eines Vereins ist, hat man einige Vorteile. Man ist beispielsweise dazu berechtigt Spendenbescheinigungen auszustellen, was uns als Privatpersonen nicht möglich ist. Unsere Idee war dabei, dass wir uns dann auch an große Firmen gewendet hätten um nach Spenden zu fragen. Jedoch möchten die Firmen in der Regel eine Spendenbescheinigung haben, um die Spenden steuerlich absetzen zu können. Ohne einen Verein war es also leider nicht möglich Firmen um Spenden zu fragen oder auch spendenden Personen eine Spendenbescheinigung auszustellen. Auch die Möglichkeit unser Projekt beispielsweise auf "betterplace.org" reinzustellen blieb uns leider ohne Verein verwehrt. Das ist sehr schade, denn somit entgehen uns gute Möglichkeiten um die Spenden zu sammeln.

Ramona Rienermann: Uns wurde deutlich, wieviel Bürokratie hinter allem steckt und wie man als Privatperson mit einer guten Idee und einer großen Motivation dann doch zum Teil an den bürokratischen Umständen scheitert. Aber wir haben uns dadurch nicht unterkriegen lassen.

Und wie gehen Sie ohne Verein vor?
Edessa Khatchi: Wir konzentrieren uns nun auf unser privates Umfeld und sammeln dort Spenden. Wir sammeln kräftig in unseren Kliniken und im weiten Bekannten- und Freundeskreis und haben auch schon einiges an Spenden beisammen. Wir machen Präsentationen und verteilen Flyer in sämtlichen Medien.

In welchem Stadium befindet sich das Projekt?
Ramona Rienermann: Wir sind nun in der konkreten Planung angekommen. Zwei Drittel der Spenden haben wir mittlerweile beisammen und nun geht es um den Endspurt, um auch noch das letzte Drittel der Spendensumme zusammen zu bekommen und alle Mädchen in Ngala versorgen zu können.

Edessa Khatchi: Wir stehen in regem Kontakt zu der Firma „Supreme Sanitary Pads“ und haben bereits einen Teil der Bindenproduktion in Auftrag gegeben damit sie alle bis Oktober fertig werden. Auch sind durch das Schulprojekt im letzten Jahr viele Kontakte vor Ort in Ngala geknüpft worden, sodass auch dort langsam die Organisation für Oktober beginnt.

Wie wurde das Projekt bisher aufgenommen? Gab es Lob, gab es Kritik?
Edessa Khatchi: Das Projekt wurde bisher gut aufgenommen. Es gab eine große Bereitschaft zu spenden und besonders die Verbindung von verschiedenen wichtigen Themen innerhalb eines Projektes kommt gut an: Aufklärung über Menstruation und Hygiene, Stärkung des Selbstbewusstseins der Mädchen, Bildung, Nachhaltigkeit sowie Unterstützung eines lokalen Unternehmens.

Ramona Rienermann: Unser Projekt geht zwar in erster Linie um die Bereitstellung von Hygieneartikeln für die Mädchen in Ngala um ihnen ein sicheres Gefühl während der Menstruation und regelmäßige Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen, aber gleichzeitig beinhaltet das Projekt weitere Aspekte wie Nachhaltigkeit und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft und die daraus mögliche resultierende Bereitstellung von mehr Arbeitsplätzen. Auch der Punkt, dass wir persönlich hinfahren und dass das Geld auch wirklich dort ankommen wird, wo es hin soll, hat viele überzeugt.

Edessa Khatchi: Immer wieder wurde uns gesagt, dass viele im Grunde spenden möchten, aber nicht sicher sind ob das gespendete Geld auch ankommt – bei uns können sich alle wirklich sicher sein, wir sorgen wie auch bereits letztes Jahr persönlich dafür, dass jeder Euro in das Projekt fließt und den Mädchen in Ngala zugute kommt!

Und gab es auch Kritik?
Edessa Khatchi: Es gab auch ein paar kritische Fragen an unser Projekt bzgl. der Hygiene. Sowohl was die Hygiene bei den Menstruationstassen betrifft als auch in Bezug auf die wiederverwendbaren Binden.

Ramona Rienermann: Kritische Fragen finden wir immer gut, da wir nur dann eine Chance zur Diskussion und Erklärung haben.

Edessa Khatchi: Als Gynäkologin und Chirurgin setzen wir uns tagtäglich mit dem Thema Hygiene auseinander und haben uns auch für unser Projekt natürlich Gedanken darüber gemacht. Die Menstruationstassen sind für die älteren Mädchen gedacht, wir werden hier eine Art Pilotprojekt für uns machen und vor Ort feststellen, inwiefern die älteren Mädchen damit klar kommen. Dies ist eine sehr individuelle Sache, denn jede Frau ist anders und empfindet es auch anders. Auch in Deutschland ist dies der Fall, manche Frauen schwören auf die Menstruationstassen und andere können gar nichts damit anfangen.

Ramona Rienermann: Wir sind auch nicht die Ersten, die versuchen, Menstruationstassen als nachhaltige und langfristige Methode zu verbreiten - es gibt bereits eine Produktionsfirma in Südafrika, die die Menstruationstassen herstellt. Und zudem gibt es Firmen, wie etwa die Firma Rubycup, die beispielsweise schon länger Tassen für Kenia spenden und auch schon positive Erfahrungswerte gesammelt haben.

Edessa Khatchi: Darüber hinaus gibt es in dem Dorf Ngala Brunnen mit Zugang zu einigermaßen sauberem Grundwasser. Eine Reinigung ist mit abgekochtem Wasser möglich. Das Thema Hygiene ist sehr wichtig und wir werden die Mädchen und Frauen natürlich darin schulen, wie sie die Menstruationstassen säubern und auskochen und wie sie die Binden am besten waschen.

Was kann man tun, um das Projekt zu unterstützen?
Ramona Rienermann: In erster Linie natürlich spenden (lacht). Aber auch Informationen über unser Projekt verbreiten, darüber dass es diese Umstände gibt und dass wir alle mit einer kleinen Unterstützung viel erreichen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Infos zu Malawi Cup.Care: Malawi Cup.Care

Die Ärztinnen Ramona Rienermann und Edessa Khatchi leben und arbeiten in Deutschland.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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