Schlag alles kaputt!

Hiphop Mit seinem zweiten Solo-Album „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ pisst Danger Dan in den Käfig namens Deutschland
“Ich bin hier!”
“Ich bin hier!”

Foto: Jan Rebuschat

Am 1. Juni erscheint auf dem Label JKP das zweite Solo-Album von Danger Dan (Antilopen Gang). Im Rahmen einer Psychotherapie sollte der Musiker wichtige biographische Eckpunkte benennen – ein Blick in den dunklen Aschenbecher seines Verstandes, der zur Entstehung von Reflexionen aus dem beschönigten Leben geführt hat.

Selbstanalyse zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch die zwölf Lieder des Albums. Gleich in dem ersten Lied Eine aufs Maul entlädt sich dies in wütendem Selbsthass. Über einem düsteren, schleppenden Beat rechnet Danger Dan mit sich selbst ab: “Dieser Wichser, ich kann ihn nicht leiden, kein Tag vergeht, an dem wir beide nicht streiten. Er hat all meine Chancen verkackt, nur durch Zufälle hat es dann trotzdem geklappt.”

Drei gegen einen vereint alle Mitglieder der Antilopen Gang. Aggressiv widmen sich die Antilopen einem bekannten Thema: der Selbstabgrenzung. In diesem Fall trifft es die deutsche Rap-Szene: “Früher wollte ich immer im HipHop-Game mitmischen, heute würde ich mir lieber literweise Gift spritzen.” Musikalisch erinnert das Lied am stärksten an die gemeinsame Musik der Gang.

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Das zugänglichste Lied ist Sand in die Augen: “Gar nicht so leicht, aufzuwachsen in 'ner Lebenswelt, in der man Jungs, die rosa Kleidung tragen, gleich für Mädchen hält.” Ein Armutszeugnis, dass im 21. Jahrhundert immer noch Lieder erscheinen müssen, die Heteronormativität kritisieren. Umso besser, dass Musiker wie Danger Dan den Finger in die Wunde legen: “Wie soll ich ihr erklären, wo liegt da der Unterschied? Der die einen oben hält und die anderen runterzieht.”

Das stärkste Lied ist Piss in den Käfig: “Schlag alles kaputt! Nichts hält ewig, wenn du nicht ausbrechen kannst, dann piss in den Käfig. Nur für einen Moment existieren, einfach einmal allen zeigen: “Ich bin hier!””

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Das schwächste Lied auf dem Album wiederum ist Die Grundvoraussetzung, ein klanglicher und textlicher Fremdkörper. Inhaltlich ist es durchaus authentisch. Noch bevor ich ihn kannte, wurde mir Danger Dan als “charmanter Hochstapler” beschrieben. Dies weiß er selbst: “Ich hatte mittlerweile so viele Lebensläufe gefälscht und beschönigt, dass ich selbst nicht mehr sicher sagen konnte, welche Version denn am ehesten der Wahrheit entspricht.” Das Lied könnte auf der Bühne funktionieren, so wie es bei Alkilopen der Fall war.

Die vielleicht größte Überraschung ist Die Prinzentragödie, bei dessen Hören man sich in die frühen 1990er zurückversetzt fühlt. Kein Wunder, handelt es sich doch um ein gemeinsames Lied mit Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen). Das Lied hätte 1992 auf der Küssen verboten erscheinen können. Ein Fremdkörper, der durch seinen “Exoten-Bonus” punktet.

Sehr gelungen ist das Artwork von Marcel Richard, der auch bei dem Antilopen-Album Abwasser für das Artwork verantwortlich war. Sowohl Schriftart und Zeichnung als auch Farbauswahl und Komposition sind ansprechend und passen zur Ästhetik des Albums.

Reflexionen aus dem beschönigten Leben vereint langjährige Bühnenerfahrung mit Musikalität. Danger Dan macht Lieder, die live auf der Bühne und beim privaten Hören funktionieren. Dabei rangiert er zwischen zeitgenössischen HipHop-Sounds und Pop-Rock. Kennzeichnend ist seine entwaffnende Offenheit. Danger Dan hat keine Angst davor, den Hörern die hässlichsten Seiten seiner Persönlichkeit zu zeigen: Andere verstecken sie, Danger Dan drückt sie einem förmlich ins Gesicht. HipHop-Puristen, die der Golden Era nachtrauern, werden sich mit dem Album nicht anfreunden. Allen anderen wird ein Album geboten, das man nicht bereits nach dem ersten Anhören wieder vergessen hat.

Info

Reflexionen aus dem beschönigten Leben Danger Dan JKP

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Geschrieben von

Jan Rebuschat

Geboren 1982, zweifacher Familienvater. Volljurist, seit 2011 journalistisch tätig.

Jan Rebuschat

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