Warum sollten Kinder auf der Straße spielen?

Koch oder Gärtner Sein Rasen ist ihm heilig. Und weil Zwiebel nunmal nicht gleich Zwiebel ist, vertraut der Gärtner wieder auf den jährlichen Katalog der Traditions-Gartenhandlung Hoch

Liebe Gartenfreunde, lassen Sie uns nicht viele Worte machen. Der Frühling ist da. Gehen Sie nach draußen und arbeiten Sie! Die praktischen Tipps für diese Woche ganz kurz und knapp: Wenn das Jahr des Gärtners beginnt, braucht der Rasen Ihre ganze Aufmerksamkeit. Er sieht scheußlich aus. Kälte, Feuchtigkeit und der lange liegende Schnee haben ihm zugesetzt. Bearbeiten Sie ihn jetzt ordentlich mit der Harke. Sanden Sie, wo nötig, sparen Sie nicht mit Dünger und mit Moosvernichter. Und sagen Sie um Gottes Willen den Kindern, dass das Betreten des Rasens nicht erlaubt ist und dass die Beete zu keiner Zeit im Jahr so empfindlich sind wie jetzt, da die Zwiebelpflanzen ihre scheuen Köpfe aus dem Erdreich heben. Man kann auf der Straße so schön spielen. Und für weite Schüsse mit dem Fußball ist die Straßenmitte ohnehin der geeignete Ort.

Nun zum Grundsätzlichen. Ich möchte Ihnen heute und in der nächsten Folge Irene Hoch vorstellen. Sie war bis vor kurzem die Chefin der Zwiebelhandlung, auf deren Katalog ich, wie treue Leser dieser Kolumne wissen, in jedem Spätsommer mit Spannung warte. Die Firma Albrecht Hoch ist für Berliner Verhältnisse eine Traditionsfirma. Ihre Geschichte reicht nicht ganz so lange zurück wie die mancher englischer oder holländischer Zwiebel-Firmen, die in diesem Gewerbe schon seit über zweihundert Jahren tätig sind – vom Inbegriff aller Traditionsunternehmen, Ollivanders, dem Hersteller hochwertiger Zauberstäbe seit 382 vor Christus, ganz zu schweigen.

Was nun? Ein Zwiebelversand

Die Firma Albrecht Hoch, Zehlendorf, wurde im Jahr 1893 gegründet und versorgte Landwirte und Gärtnereien mit Samen und Saatgut. Auf Albrecht folgte sein Sohn, der nach den Maßgaben des Reichsnährstandes vom Dienst an der Waffe befreit war, um den deutschen Volks­körper auch in Zeiten des Krieges mit sortenreinem Samen zu versorgen. Er fand den Tod im Oderland, als eine alliierte Bombe auf eine jener niedrigen, langgestreckten Hallen fiel, in denen das Saatgut zubereitet, sortiert und gelagert wurde.

Seinem Sohn Hans-Jürgen fiel die schwierige Aufgabe des Wiederafbaus zu. Nachdem das Berliner Hinterland verloren war, beschränkte sich die Firma Albrecht Hoch von Neukölln aus auf die Belieferung der Berliner Bauern, die in den Ortsteilen Rudow und Buckow noch weitläufige Felder unterhielten. Das war kein Geschäft mit Zukunft: Die Mauer umschloss Berlin, die Felder verschwanden, die hohen Häuser der Gropiusstadt wurden gebaut.

Hans-Jürgen Hoch verließ Neukölln und zog nach Westen, nach Zehlendorf, um sich dort von nun an der Bereicherung der deutschen Gartenkultur zu widmen. Es ist nicht bekannt, wie er auf die Idee des Versandhandels mit Blumenzwiebeln kam. Es war jedenfalls die richtige Idee. Insbesondere um die postalische Verbreitung der Lilien im deutschen Garten hat sich die Firma Hoch bleibende Verdienste erworben.

Gelb ist out

Die Eheleute Hoch fanden sich bereits in jungen Jahren, und man kann sagen, dass sie Hand in Hand arbeiteten. Irene Hoch brachte für die Beschäftigung mit Blumenzwiebeln keine besonderen Vorkenntnisse mit in die Ehe. Sie verfügte allerdings über eine Vorliebe für Farben, die sie an der Meisterschule für Kunsthandwerk vervollkommnet hatte, die heute Universität der Künste heißt.

Es hat den Gärtner gefreut zu erfahren, dass diese Frau, die ein langes Leben der Ordnung der Farben im Garten gewidmet hat, an Gelb kein Interesse findet. Im Frühjahr geht es freilich nicht ohne. Da freut man sich über Crocus Chrysanthus Sunkist und natürlich die Narzissen. Danach, sagt Irene Hoch, ist Schluss mit Gelb. Davon aber das nächste Mal mehr.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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