Welche Gefahren drohen dem Gärtner?

Koch oder Gärtner Der Gärtner hat kein gutes Image. In Filmen wird er entweder als Mörder, Mordopfer oder weiser Idiot dargestellt. In Wahrheit ist er aber meist einfach nur: ein Spießer

Liebe Gartenfreunde, machen wir uns nichts vor: Der Gärtner hat kein gutes Image. Gärtner müssen sich etwa mit dem völlig unsinnigen Satz „Der Mörder ist immer der Gärtner“ herumschlagen. Er geht auf Reinhard Mey zurück: Der Mörder war wieder der Gärtner,/und der plant schon den nächsten Coup./Der Mörder ist immer der Gärtner,/und der schlägt erbarmungslos zu!

Das stammt von der Platte Ich bin aus jenem Holz aus dem Jahr 1971 und sollte irgendeine Parodie auf Kriminalgeschichten sein, Edgar Wallace, Agatha Christie und so. Dabei kommt der Mörder auch in der englischen Literatur nur äußerst selten im Gewand des Gärtners daher. In dem Wallace-Film Der Mönch mit der Peitsche erschießt der Gärtner zwar den Mönch. Aber der war in Wahrheit die frühere Ehefrau des Gärtners, mit dem sie, also der Mönch, mal im Zirkus aufgetreten ist und dort Kunststücke aufgeführt hat. Eher ist es so, dass der Gärtner selber zum Opfer von Gewalttaten wird, wie in der Blauen Hand, wo er von Klaus Kinski ermordet wird.

Man kann schon froh sein, wenn der Gärtner weder als Opfer noch als Täter auftaucht, sondern als weiser Idiot wie in dem wirklich bemerkenswerten Film Being there von Hal Ashby, in dem ein gewisser Chance seit seiner Kindheit als Gärtner eines wohlhabenden Mannes in Washington D.C. gearbeitet hat und die Welt außerhalb des Grundstücks nur aus dem Fernsehen kennt. Nach dem Tod seines Arbeitgebers begibt er sich erstmals in die Stadt und verblüfft mit seinen Gärtner-Weisheiten sogar den Präsidenten – wie etwa mit der Einsicht, dass nach Herbst und Winter auch wieder Frühling und Sommer kommen.

Chance redet mit Industriellen, mit dem Fernsehen, mit der Presse. Am Ende soll er selbst Präsident werden und geht übers Wasser. So ist dieser Film. Tatsächlich sind ja Vorbereitung und Pflege, Fleiß und Verständnis, Entschlossenheit und Geduld die Grundlagen der erfolgreichen Gartenarbeit, so wie sie Grundlagen des Erfolgs in Politik und Wirtschaft sind. Aber das gilt auch für alles andere im Leben. Und darum ist das Leben ja auch so ein Klacks! Wie man es richtig macht, kann man an jeder Ecke erfahren. Man muss sich nur dran halten.

Meist nur Spießer

Die bittere Wahrheit ist aber, dass der Gärtner meist weder als Mörder noch als Philosoph auftritt – sondern nur als Spießer. Das fängt bei Goethe an. Werther sinniert über die Kraft der Natur und die Ordnung der Menschen: "O meine Freunde! Warum der Strom des Genies so selten ausbricht, so selten in hohen Fluten hereinbraust und eure staunende Seele erschüttert? – liebe Freunde, da wohnen die gelassenen Herren auf beiden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhäuschen, Tulpenbeete und Krautfelder zugrunde gehen würden, die daher in Zeiten mit Dämmen und Ableiten der künftig drohenden Gefahr abzuwehren wissen."

Da kommt der Gärtner denkbar schlecht weg. Er stemmt sich gegen die Urwüchsigkeit des Natürlichen. Und wenn es sein muss mit Gewalt gegen jede Bedrohung der selbstgewählten Ordnung. Aber Goethe hat schon Recht: Wer sich um seine Pflanzen kümmert, zeichnet sich nicht eben durch wild entfesselte Leidenschaft aus.

Darum ist hier eine Warnung angebracht: Wenn Sie sich auf die Insel Ihres Gartens zurückziehen – denn das ist der Garten ja, eine Insel –, achten Sie darauf, dass Sie halbwegs normal bleiben. Übertreiben Sie es mit der Ordnung nicht. Der Gärtner sollte sich an der Fauna mancher Inseln ein mahnendes Beispiel nehmen. Wenn es keine natürlichen Feinde gibt, wenn die Bedrohung fehlt, das Abenteuer, die Gefahr, dann nimmt dort die Körpergröße der Tiere ab. Man nennt das Inselverzwergung. Beobachten Sie sich selbst! Und bevor Sie klein und dick werden, ziehen Sie zurück in die Stadt!

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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