Der Kommunarde Fritz Teufel ist tot, vermeldeten heute Vormittag die Medien, der Stadt- und Spaßguerillero, um den es mittlerweile recht still geworden war. Er führte in den letzten Jahren ein zurückgezogenes Leben in Berlin-Wedding. In seinen Hochzeiten, den 60er bis frühen 80er Jahren hatte er indes mit spektakulären Aktionen die herrschende politische Klasse, das sogen. Establishment und auch dessen Verquickung mit der NS-Vergangenheit bloß zu stellen gewußt.
Für unseren Freundeskreis in der DDR wurde er insbesondere durch seine Stadtguerilla interessant, Beamtenwillkür, Bürokratie und Humorlosigkeit gab es genug, ganz abgesehen von den weltanschaulichen Anmaßungen unserer führenden Partei. Wir konnten Fritz Teufels politischem Ansatz, nach dem Straßen-Aktionen unbedingt ein "Spaßfaktor" eignen sollte, Humor und Ironie dabei durchaus probate Mittel darstellen können, einiges abgewinnen, obwohl wir die Aktivitäten gleichsam nur aus der Ferne zu verfolgen vermochten. Aber wir träumten ebenso von Aufruhr und APO ...
Ich erinnere mich, daß wir in unserem Kreis über den emanzipatorischen Ansatz von Kommune 1 und 2 diskutierten, deren Mitbegründer Fritz Teufel gewesen war, wie auch über ihr Scheitern, das uns beinahe zwangsläufig erschien. Ein paar von uns starteten wenig später dennoch einen eigenen Versuch, der dann auf eine WG hinauslaufen sollte.
Unser Mitleid für Arbeitgeberpräsidenten und Bundesanwälte hielt sich in Grenzen, auch wenn wir Entführungen und Anschläge auf Personen nicht als geeignete Mittel ansahen, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Fritz Teufels vermeintliche oder tatsächliche Verwicklung in entsprechende Vorgänge der 70er Jahre dünkte mir eher eine tragische Episode als denn das Resultat politischer Reflexion. Bestimmend für uns blieb das Bild Teufels als Urheber der Spaßguerilla ...
Es sollte noch geraume Zeit dauern, bis das Agieren oppositionell eingestellter Leute auch in der DDR wieder gewitzter wurde ... Erinnern will ich in diesem Zusammenhang z.B. an das im Juni 1989 behördlich verbotene Straßenmusikfestival, das die Beteiligten dennoch mit Finesse ein Stück weit durchzusetzen wußten ... Und erinnert sei auch an den 1. Leipziger Herbstsalon Leipziger KünstlerInnen 1984, der am Rat der Stadt vorbei im Messehaus am Markt einer verblüfften Öffentlichkeit präsentiert wurde ...
P.S. einen sehr persönlichen Nachruf des Weggefährten Mathias Bröckers gibt es bei Zweitausendeins zu lesen.
Kommentare 32
Ich fand die ganze oppositionelle Szene damals beneidenswert. Wir haben ja auch jeden vermeintlichen Spruch von denen nachgebetet.
So alt war der Teufel ja auch noch gar nicht.
Traurig, der alte Rebell geht heim ins Rebellenparadies Ob sié dort genug Pudding haben?
"Ob sie dort genug Pudding haben?" - sicherlich, den Pudding der Apokalypse, um gleich noch an einen anderen galgenhumorischen Geist zu erinnern ...
Kommunarde Fritz,
meine Sympathien hattest Du.
Kaum jemand hat autoritäre Strukturen, unter denen wir litten, so wirkungsvoll vorgeführt. Ich erinnere mich gut daran, wie die Sprüche der damals "Älteren" kamen: "Bei Adolf hätte man kurzen Prozess mit Dir gemacht ..."
Die Aktionen gingen durch die Medien und ... erreichten damit auch Leute wie mich, die anfingen nachzudenken und Fragen zu stellen (z.B. über die Nazizeit).
In der jüngeren deutschen Geschichte ist Dir ein Platz sicher!
Ein letzter Gruß
SexPower
habe jetzt gerade eine interessante seite mit texten gefunden, die teufel während seiner haft verfaßt hat ...
Vielen Dank!
Habe mir die beiden Links per E-Mail nach Hause geschickt (bin im Büro) und lese sie mir in Ruhe durch.
SP
ich habe noch ein schönes Interview von Anfang des Jahres im Tagesspiegel gefunden
www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/ich-war-am-anfaelligsten-fuer-die-liebe/1670424.html
er war teuflisch gut
Neben dem Fritz Teufel des anarchischen Witzes und des sympathischen Bürgerschrecks gab es auch den, der mit dem bewaffneten Kampf sympathisierte und bei seiner Verhaftung eine durchgeladene Pistole mit sich führte. Ein "Platz in der jüngeren deutschen Geschichte"? Zum Glück wohl nur eine Fußnote. Alles Gute, Fritz!
Liebe jayne,
das kann ich nur unterschreiben, auch wenn ich zu spät gekommen bin (Post-Achtundsechziger, daher rein platonisch):
"Wir konnten Fritz Teufels politischem Ansatz, nach dem Straßen-Aktionen unbedingt ein "Spaßfaktor" eignen sollte, Humor und Ironie dabei durchaus probate Mittel darstellen können, einiges abgewinnen, obwohl wir die Aktivitäten gleichsam nur aus der Ferne zu verfolgen vermochten. Aber wir träumten ebenso von Aufruhr und APO ..."
Ach, hätten wir doch endlich wieder eine O außer P.......
Vielen Dank!
Als Gruß an archinaut alle ein Song von HRK auf gestriges Datum von 1983, er paßt auch noch auf unsere heutigen Verhältnisse:
"7. Juli vormittags
Siebter Juli vormittags.
Eingekreist von Rasenmähern
und dem Keuchen von Kaffeemaschinen
arbeitsloser Junglehrerinnen,
die sich nackt am Küchentisch krümmen und
an ihren Zweierbeziehungen würgen, Kinder-
geschrei in der Ferne,
wie das letzte Signal eines Zuges nach Süden,
kurz bevor er in den Tunnel von Dürrenmatt
eintritt, der Tunnel ohne Ausgang,
der Tunnel direkt zum Erdmittelpunkt.
Die Hausfrauen sehen aus wie Auffahrunfälle,
der Tonfall ihrer Verleumdungen
klingt wie Vollbremsung
mit ein paar Kommas dazwischen.
Oma schneidet der Vorgartenhecke verschmitzt
eine Punker-Frisur.
Jedem Land das Wetter, das ihm gebührt,
wie auf Erden, also auch im Himmel:
Nichts als verpaßte Chancen.
Hier passiert nichts mehr.
Hier ist alles immer geteilter Meinung,
halbe-halbe, einerseits-andererseits,
ausgewogen, weggelogen, geteilte Freude,
doppeltes Leid,
die Leute halten ihr Geschlechtsteil in den Wind
und bitten um Entsaftung,
sie flüchten in ihre privaten Kirchen
und mancher nennt sie Tranquilizer
noch Oblaten,
keiner ist unersetzlich,
jeder ist ein Superstar,
alle sind von morgens bis abends müde,
kein Wunder,
denn es immer schon zu spät.
Wie machen sie das bloß – zu leben? Wie
schaffen sie das noch? Ich meine,
eine Rakete pro Kopf,
die wiegt schließlich einiges,
daß das nicht jeden sofort zu Boden drückt,
erstaunlich. Wir sind eben doch die Herrenrasse,
ich weiß, diese Meinung ist augenblicklich
noch
nicht
wieder
populär, aber sei's drum, wir halten was aus,
und bei den Selbstmördern, Aussteigern,
Friedensfetischisten
stimmt sicherlich irgendwo was
mit dem Stammbaum nicht.
Siebter Juli vormittags. Frühpubertäre Bettnässer
polieren ihre Motorräder blitzblank,
ganz wie der Vati den BMW.
Im Cassettenrecorder
rauscht die Neue Deutsche Welle,
die Ölpest der Tonkunst,
mit ihren Millionen von verklebten,
erstickten Ohrmuscheln.
Woran denken diese Kinder nachts?
Wir hatten damals
Mit Schirm, Charme und Melone und vor allem
Emma Peel, und jeder unserer Träume
begann mit dem Geräusch
des Reißverschlusses von ihrem
schwarzen Knautschlack-Kampfanzug...
heute bleibt den hohlwangigen,
glutäugigen Knaben nur die
Muppets-Show,
Miss Piggy,
Schweine im Weltraum.
Ich möchte nicht jünger sein als ich bin.
Wenn ich alles noch einmal machen könnte,
würde ich vermutlich gar nichts machen.
Und wenn ich mich jetzt unterm Tisch verstecke
und außerdem absolut still verhalte
ruft bestimmt gleich jemand an
und fragt mich
wie es mir geht."
wers HRK?
Heinz Rudolf Kunze, Liedermacher, Songpoet, Rockbarde ...
"Der Schelm singt die Melodie, die versteinerte Verhältnisse zum Tanzen zu bringen; beginnt der Tanz, ist er nur noch einer unter vielen." (Wolfgang Heise, 1972)
Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen. (Karl Marx, 1844)
schön
übrigens ... ne ganz andere sparte, aber...Nasr Hamid Abu Zaid ist auch tot
www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku=2010/07/07/a0112=c32da5b726
blogs.taz.de/arabesken/tag/nasr_hamid_abu_zeid/
www.compass-infodienst.de/index.php?id=8455=98
"Sprache ist ein menschliches Produkt, und jede Sprache trägt in sich die Kultur der jeweiligen Gesellschaft, ihre Begriffe, Konzeptionen und ihre Werte"
ABU ZAID
interessant: auch er starb mit 67
und war grade mal 3 wochen jünger als fritz
beide, kann man sagen, waren "sprecher", beide haben kein schwein gehabt :-(
danke für den hinweis auf Abu Zaid, im weltgetöse geht allzu viel gutes verloren ...
Ach
Ach, noch in der letzten Stunde
Werde ich verbindlich sein.
Klopft der Tod an meine Türe,
rufe ich geschwind: Herein!
Woran soll es gehen? Ans Sterben?
Hab ich zwar noch nie gemacht,
doch wir werd’n das Kind schon schaukeln –
na, das wäre ja gelacht!
Interessant so eine Sanduhr!
Ja, die halt ich gern mal fest.
Ach – und das ist Ihre Sense?
Und die gibt mir dann den Rest?
Wohin soll ich mich jetzt wenden?
Links? Von Ihnen aus gesehn?
Ach, von mir aus? Bis zur Grube?
Und wie soll es weitergehn?
Ja, die Uhr ist abgelaufen.
Wollen Sie die jetzt zurück?
Gibt’s die irgendwo zu kaufen?
Ein so ausgefall’nes Stück
Findet man nicht alle Tage,
womit ich nur sagen will -
ach ich soll hier nichts mehr sagen?
Geht in Ordnung! Bin schon
Robert Gernhardt (1937 – 30.06.2006)
auch ein galgenhumoriges stück, gefällt mir sehr, obwohl ich g.s dichtung ansonsten nicht so mag ...
Armer Deiwel.
Vermisstenanzeige: Wo ist die Spaßguerilla in der Politik abgeblieben? Affen und Politlaffen gibt's genug.
Sachdienliche Hinweise nimmt der Freitag entgegen.
Fritz Teufel war ein radikaler Gegner des Staates und des Spießertums und dabei menschlich und humorvoll - das ist es wohl, was ihn bei so vielen Bürgern sympathisch machte. Dass er z.B. bei einem Banküberfall die anwesenden Kunden und Angestellten mit Negerküssen tröstete, war eine wunderbare humorvolle menschliche Geste, "Es ist nicht euer Geld. Lasst es euch schmecken!" rief man ihnen zu...
Nett auch seine Äußerung 1967 in einem Gerichtsverfahren:
Der Richter: "Haben Sie Handlungen gegen Polizisten begangen?" Teufel: "Als sie mich an den Haaren hochzogen und wegtrugen, habe ich ,Aua'' geschrien." Richter: "Nein, ich meine: getreten? Gebissen?" Teufel: "Ich werde mich hüten, einen Polizisten zu beißen. Wir haben nichts gegen die Polizei: im Gegenteil. Ich glaube, ein Polizist würde viel lieber, statt Studenten zu verprügeln, seinem Vorgesetzten in den Arsch treten."
mehr über Fritz Teufel
Anders als seine Ex-Kommunarden hatte er wohl keinen ausgeprägten Vermarktungsdrang und führte ein recht einfaches bescheidenes Leben, das machte ihn für mich besonders sympathisch.
Ein netter Kerl. Tschüss auch.
....
Ich bin kein Anhänger von Personenkult, aber könnte man nicht das Reichstagsgebäude in „Fritz Teufel-Palast“ o.ä. umbenennen? Wobei man bei der Erörterung dieser Möglichkeit seine Leistungen als unerschrockener humorvoller Widersacher staatlicher Autorität würdigen sollte und den Vorbildcharakter für alle Bürger dieses Landes herausstellen müsste.;-))
danke, liebe jayne.
mich erinnert das verhalten, das leben von fritz teufel an george fox, den ersten quaker. seine aufenthalte in gefängnissen im 17. jahrhundert christlicher zeitrechnung. seine erlebnisse vor gerichten.
2 mit dem system der herrschaft inkompatible gestalten.
unterschied: der eine, fox, war absolut ernst; der andere, fritz, wars auf seine art auch.
Vielen Dank, liebe jayne,
für den Schweren Mut von 1983,
"er paßt auch noch auf unsere heutigen Verhältnisse:"
.... wird ja bald volljährig, der Song :-)))
Jayne, ja Du hast oft das Thema. Hier in der Provence wär es mir entgangen. Erinnere mich noch an die wohl bekannteste Aussage als er der Aufforderung eines Richters, sich zu erheben, mit dieser Bemerkung „Wenn's der Wahrheitsfindung dient“ nachkam.
Ja und vor allem dank für Deine Beschreibung aus Eurer damaligen Sicht und den "weltanschaulichen Anmaßungen unserer führenden Partei".
dank an Fro für den lesenswerten spiegel-artikel, und auch ich nehme gern weiterhin sachdienliche hinweise auf anzeichen einer spaßguerilla in der politik entgegen (die müssen wir wohl selbst gründen), die jetzigen spaßmacher in der regierung und teilen der opposition bringens leider nicht so sehr ...
Interessant der hinweis auf george fox, der erinnert mich daran, daß ich einmal ende 70er in leipzig die gemeinschaft der quäker aufsuchte, um mit ihnen zu reden und zu schweigen, was sehr beeindruckend für eine, die gerade mit dem theologiestudium angefangen ...
Und irgendwann will ich mal all das zusammenführen, was uns als freundeskreis ab mitte der 70er so umgetrieben ...
Nicht zu vergessen Ulrich Enzensbergers "Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969.
Ein etwas sehr melancholischer Rückblick.... und wie gut, dass F. Teufel bei aller Ablehnung des Staates doch seine Leistungen in Anspruch nehmen konnte. Auch das gehört zum Spaß-Guerilla Leben, wenn schon das Kapital verachtet wurde.
Danke für die Erinnerung an Fritz Teufel! Interessanter Blog!
@ lisi stein: vielen dank für den buchtip ...
und ebenfalls dank fürs lesen, lieber rr ...
ein monat ist seit Fritz Teufels Tod vergangen - heute berichtet rbb, daß in der nacht zu samstag Fritz Teufels urne aus der grabstelle auf dem dorotheenstädtischen friedhof gestohlen worden ist, die asche soll laut anderer medien auf dem friedhofsgelände verstreut worden sein ...