Gesinnungs-TÜV in Sachsen

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Der Freistaat sorgt immer mal wieder für Schlagzeilen, das ist bekannt. Und auch, daß es zumeist negative sind und im Gros der Fälle die Staatsregierung dafür verantwortlich zeichnet ... So wurde Anfang der Woche das Sächsische Versammlungsgesetz vom Verfassungsgericht gekippt, und Innenminister Ulbig hatte nichts anderes zu tun, als glattweg zu behaupten, daß dies an einem Formfehler gelegen habe - die Staatsregierung plant jedenfalls, das Gesetz demnächst erneut einzubringen.

Ein weiteres unrühmliches Blatt im Wirken der Schwarz-Gelben Koalition bildete die eilfertig eingeführte Extremismusklausel, die jede Empfänger-Institution von Fördergeldern zu unterzeichnen hat, die sich in Demokratie-Projekten gegen nazistisches, rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut engagiert, für eine Gesellschaft, die integrativ wirkt und in der Alle, ganz gleich welcher Herkunft, die verfassungsgemäßen Rechte wahrnehmen können. Als erstes war der Verein Akubiz aus Pirna kurz vor der Verleihung des Sächsischen Demokratie-Preises im November 2010 mit dieser Klausel konfrontiert worden.

Als vorläufig letztes Blatt muß die Verpflichtung der geförderten Initiativen, ihre Pressearbeit mit dem Ausreicher der Fördermittel, dem Staatsministerium für Soziales, abzustimmen, betrachtet werden.

Am Mittwoch Abend brachten die Landtags-Fraktionen von SPD, Grünen und Linken gemeinsam einen Antrag auf Streichung der Extremismus-Klausel ein, über den anderthalb Stunden lang eine zum Teil sehr emotionale Debatte geführt wurde. Miro Jennerjahn (Grüne) und Henning Homann (SPD) sprachen von einem staatlichen Gesinnungs-TÜV, und gerade kirchliche Initiativen, so Jennerjahn, erinnere das sehr an die Bekenntnisrituale von SED und FDJ. Kerstin Köditz (Linke) bewertete die Klausel als Ausdruck eines Generalverdachts und verwies darauf, daß die Staatsregierung erst am Vortage die von der Opposition beantragte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eben unter dieses Diktum gestellt habe.

Kerstin Köditz' Antragseinbringung wurde anfangs vom rythmischen Klatschen einiger NPD-Abgeordneter gestört, und Sven Liebhäuser von der CDU machte sich beliebt, indem er in einer Kurzintervention einmal mehr gebetsmühlenartig die Gleichsetzung Rechts-Links bediente. Wenn sich Rechts und Links (inbegriffen SPD und Grüne) gleichermaßen so darüber aufregten im Hohen Hause, meinte er, dann bedeute das nur, daß wir richtig liegen, mit dieser Klausel.

Nicht zuletzt die Abgeordneten Volker Bandmann (CDU) und Carsten Biesok (FDP) machten in bewährter Weise mit ihren Redebeiträgen deutlich, daß die vorangegangenen Debatten bei der Koalition keinerlei Änderung in der Bewertung des Fakts, keinerlei Umdenken bewirkt haben. Und sie weiterhin an ihrer Konstruktion der Mitte festzuhalten gedenkt, die ein entsprechendes Demokratie-Bekenntnis unumgänglich erscheinen läßt. Carsten Biesok ging noch einen Schritt weiter und titulierte Initiativen gegen Rechts als linksradikale Vorfeldorganisationen, die nicht weiter bezuschußt werden dürften - auf Nachfrage von Thomas Jurk (SPD) vermochte er jedoch keinen einzigen Fall zu benennen, in dem eine solche Organisation Fördergelder des Freistaates erhalten hätte.

Das alles gleicht eher einem Gespenster-an-die-Wand-malen, denn auch Innenminister Ulbig geht es mehr um ein "Es-könnte-ja-mal-vorkommen", auch er blieb die Nennung konkreter Verdachtsfälle schuldig, doch Folgen zeitigt dies sächsische Schauspiel schon: Kerstin Köditz und Henner Homann verwiesen auf die Tatsache, daß die Demokratie-Projekte mittlerweile seit über drei Monaten auf ihre Förderbescheide warteten und auf Kredit resp. ohne Geld arbeiteten.

Fazit nach anderthalb Stunden: Der Antrag scheiterte an den Stimmen von CDU und FDP resp. deren Demokratieverständnis, das immer fragwürdiger wird ...

Hier die Videoaufzeichnung der Debatte.

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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