"Gurkentruppe" vs. "Wildsäue"

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Kleine Depesche aus dem Bundestag

Vom staubaufwirbelnden Geplänkel zwischen CDU und FDP im Verlauf der Regierungsklausur Anfang Juni, während derer man sich gegenseitig als "Gurkentruppe" bzw. "Wildsäue" geschimpft hatte, war gestern nicht mehr viel zu spüren. Nur die nach außen gedrungenen Schlagworte hallten noch nach und sorgten anläßlich der von SPD und Grünen eingeforderten Aktuellen Stunde zum Sparpaket der Koalition für etwas Colorit im spärlich besetzten Sitzungssaal des Bundestags.






Da zeigten sich die Koalitionäre in der Sache schon längst wieder einig und lobten unisono ihr Konzept als solide und große Leistung. Die rigiden Kürzungen im Sozialbereich, z.B. die Rücknahme des Elterngeldes für Alg II-Empfänger oder die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge für diese nannte Barthle (CDU) systemgerecht, und damit hat er wohl auch recht, denn diese Praxis entspricht völlig den Interessen der eigenen Klientel und den politischen Vorstellungen der schwarz-gelben Koalition vom schlanken Staat, der mehr auf die Wahrnehmung von Eigenverantwortung des Einzelnen orientiert als auf einen solidarisch verfaßten Sozialstaat. Und für diesen war ja seitens konservativer Politiker schon in den 80er Jahren der Begriff von der sozialen Hängematte geprägt worden.






Und natürlich mußte als Begründung seitens CDU und FDP wieder die von Familienministerin Schröder kreierte Muster-Alg-II-Familie mit zwei Kindern herhalten, die über 1.885,- Euro netto monatlich verfüge, wovon manch Handwerker oder kleiner Krauter nur träumen könnte. Es gelte doch immer noch das Lohnabstandsgebot, das gewahrt bleiben müsse, was auch ausdrücklich Schäuble betonte. Sonst fehlten ja auch die Anreize für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung - wiederholt gestern dieselbe abgefuckte Argumentation, die unterstellt, bei den Arbeitslosen handele es sich per se um Arbeitsunwillige, denen man auf die Sprünge helfen müsste ...

Carsten Schneider (SPD), Klaus Ernst (Die Linke) und Jürgen Trittin von den Grünen stellten einhellig klar, daß man sich hier bei den sozial Schwachen schadlos halte, während die Klientel der Koalitionsparteien kaum etwas zur Haushaltskonsolidierung beitragen müßten. Schneider betonte, es sei zwar ökonomisch sinnvoll zu sparen, die Regierung habe sich in ihren Plänen jedoch nur auf den Sozialbereich konzentriert und sei dort nicht wie von FDP-Chef Guido Westerwelle gesagt mit der Nagelschere vorgegangen, sondern habe fast "ein Kettensägenmassaker" angerichtet.






Klaus Ernst sprach von einem äußerst schofelen Vorgang, die Koalition habe "die Finger bis zum Anschlag in den Geldbörsen derjenigen, die nichts haben" und habe nicht den Mut, "ihre eigene Klientel zur Kasse zu bitten", dies sei "äußerst feige". Trittin forderte den Abbau von Subventionen, statt die sozial Schwachen zu belasten, und sprach in diesem Zusammenhang die Verlängerung der Laufzeiten für AKW an, die für Unternehmen Extraprofite bringe. Von einer Koalition, die sich gegenseitig als Gurkentruppe, Wildsäue und Kesselflicker tituliere, sei allerdings auch nicht zu erwarten, daß sie eine solide Haushaltspolitik betreibe.

Aber was auch immer SPD und Grüne zum Sparpaket der Koalition anzumerken haben, es ist belastet vom Erbe der eigenen Agenda-Politik ...

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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