So könnte eine Losung der Gauck-Befürworter lauten, denn Prediger braucht es jetzt, in diesem Stadium der Krise. Und von Wulff heißt es ja neuerdings, daß er ein Evangelikaler wäre, der sich geistig in der Nähe der Kreationisten bewege - also auch ein durchaus geeigneter Kandidat fürs Amt des obersten Politikerklärers ...
Prediger braucht das Land auch an anderer Stelle, der Deutschlandfunk hat das schon begriffen und den Prediger des Verzichts, Christian Faul, zum Kommentator bestellt, einen Mann, der für den Bayrischen Rundfunk als Berlin-Korrespondent arbeitet. Denn Predigen lautet die Devise, predigen statt zu kommentieren oder gar zu kritisieren.
Für die Spardebatte lieferte Faul am 22. Juni jedenfalls ein ordentliches Stück: er warnte vor dem überbordenden Staat, der irgendwann alles abwürgen könnte, wenn die Politik nicht endlich auch mal wagte, eingetretene Pfade zu verlassen, d.h. sich einzugestehen, daß hierzulande und in Europa eben nicht mehr solch hohe Wachstumsraten zu erwarten seien wie etwa in Brasilien oder Indien. Da muß man also sparen ...
Die Schlüsse, zu denen sich Christian Faul im Verlaufe seiner Dienstagabend-Predigt vorarbeitet, vermag ich hier nur als Originalzitat wiederzugeben:
"Die Ausgaben müssen drastisch runter, bei der Verwaltung, bei der Armee, auch im Sozialbereich. Ein Sozialstaat kann nur funktionieren, wenn er nicht in die Schuldenfalle tappt. Das Beispiel Griechenland zeigt: Am Ende leiden doch die, die wenig haben am allermeisten. Um einen Ausgleich zwischen Arm und Reich zu schaffen, muss der Staat gut funktionieren. Das Sparpaket kann nur der Anfang sein, um die Richtung zu ändern. Immer mehr, das funktioniert nicht mehr.
Sicher die Reichen werden derzeit verschont, das ist nicht gut für den sozialen Frieden, aber auch die Ärmeren sind durch dieses Sparpaket der Regierung doch nicht wirklich stark belastet. Wer da schon die Revolution ausrufen will, der handelt verantwortungslos. Damit die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinandergeht, muss der Staat zum Beispiel viel Geld in die Bildung investieren, Chancen schaffen für alle. Da müssen gewaltige Summen umgeschichtet werden. Weg von der Subventionierung alter Lebensweisen, hin zu allem, was gute Zukunft verspricht. Und das sind vor allem die Kinder, sie müssen gefördert werden, mehr als die Eltern und am allerschlimmsten ist es doch, wenn die Eltern jetzt schon das ganze Geld verbrauchen und Kindern und Enkel nur unendlich hohe Schuldenberge hinterlassen."
Was soll man dazu noch sagen? Zumutungen und geistige Engpässe werden uns gern medial als weichgekochter Brei verabreicht, um uns darauf einzustimmen, daß es anders gar nicht geht, als diese Politik zu akzeptieren. Dazu ein wenig vom Honig der Opferbereitschaft und etwas Balsamico für den aufmüpfigen Geist ... Amen
Nachtrag: Und hier noch ein Prediger - Professor Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance, der in der Mittagssendung des DLF zum Sparpaket der Bundesregierung "etwas weniger Staat in der Wirtschaftspolitik" forderte, die Zurücknahme des "ausufernden Staates", und dies, obwohl die Finanz- und Wirtschaftskrise kaum vorbei ist. Und es folgen die üblichen Ratschläge ... Trotzdem lohnt es sich, das Interview zu lesen, es ist ein weiteres Lehrstück in Sachen Denkschule und Argumentationsmuster des Neoliberalismus.
Kommentare 7
"aber auch die Ärmeren sind durch dieses Sparpaket der Regierung doch nicht wirklich stark belastet."
Genau: Die ersatzlose Streichung des "befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II" bedeutet auf einen Schlag ca. 100 € weniger im Monat. Im zweiten Jahr halbiert dann 50 €. Wegfallendes Elterngeld oder gestrichene Heizkostenzuschüsse bedeuten weitere Einschnitte. Schäuble sagt dazu nicht wörtlich: "Sollen ja auch nicht faul Zuhause im warmen sitzen, sondern Arbeit aufnehmen, dieses Arbeitsscheue Gesindel."
Und der finanziell gut ausgestattete Großjournalist Faul (sic!) verballert diese 50 € wahrscheinlich an einem Abend im Borchardt mit seinen prominenten politischen Gesprächspartnern. Dort hat er ja auch gelernt, dass die Sozialausgaben zu hoch sind und Hartz-4-Empfänger eben einfach mal arbeiten gehen sollten ...
Liebe jayne,
Dein Beitrag spricht mir wirklich aus der Seele.
Ich habe herrn Gauck heute abend in "Was nun Herr Gauck?" erlebt.
Das Aufttreten von Herrn Gauck habe ich als ein ziemlich genaues Abbild gesehen, so wie Du ihn in Deinem Blog vollkommen zutreffend beschrieben hast.
Mich hat das eher fassungslos gemacht.
Wenn wir den Bundespräsidenten direkt wählen dürften, hätte mich Herr Gauck ganz sicher zur Wahlurne gelockt um ihn zu verhindern, auch für den Fall, dass das nichts genützt hätte.
Herzliche Grüße
rr
habe den anfang davon gesehen, werde es mir morgen gänzlich zumuten ...
wrrrrgg!
MEIN GROßSTADTPIRAT - WWW.WOLFRAMWICKERT.DE - MEINT: WAS DIE JAYNE DA SCHREIBT KLINGT JA GUT; ABER WENN ALLE PROBLEME GANZ GÜNSTIG MIT STAATSKNETE GEREGELT WERDEN, DANN GEHEN WIR IRGENDWANN PLEITE, SO WIE DIE DA IM SÜDEN...
...DIE HABEN AUCH GEDACHT, IN DEUTSCHLAND GIBT´S GENÜGEND KOHLE, ...BERLIN HAUT UNS RAUS, WENN WIR NIX MEHR HABEN, ....AUSSERDEM IST JAYNES ARMUTSBEGRIFF AUF HÖCHSTEM DEUTSCHEN - NICHTGLOBALEN - NIVEAU ANGESIEDELT... IN AFRIKA, ASIEN, NAHEM OSTEN, SÜDAMERIKA BEDEUTET ARM-SEIN, "ICH WEISS NCIHT, WAS ICH MORGEN FÜR DIE KINDER ZUM ESSEN KOCHEN KANN....
lieber lao lang, richtig, arm sein bedeutet in deutschland etwas anderes als beispielsweise in afrika, aber wichtig ist doch der jeweilige kontext: ein alg II-empfänger z.b. gilt im kontext des verhältnismäßig hohen lebensstandards hierzulande und angesichts der gelder, die man zahlen muß, um irgendwo eintritt zu erlangen, in einem verein mitzuwirken usw. zu recht als arm, denn er kann nicht in durchschnittlicher weise am gesellschaftlichen und kulturellen leben teilhaben. Und was die staatsknete betrifft, so müßte vor der spardebatte eine debatte zu den einnahmen geführt werden, dort hat die bundesregierung so manches versäumt, ich nenne nur mal die erhöhung des spitzensteuersatzes, die einführung von vermögens- und finanztransaktionssteuer, und die abschaffung der steuergeschenke für international operierende unternehmen ...
@lao lang
was ist ihr maßstab? müssen wir erst die von ihnen beschriebenen verhältnisse erreichen um uns "beklagen" zu dürfen? erst dann??
es kommt mir so vor, als wollten sie die relative armut hier rechtfertigen. und so laolange keiner hungern muss, gibt es keinen handlungsbedarf. hartz4 ist kein "luxusproblem"! kein spaß!
wir müssten eher dafür sorgen, dass die falsche verteilung des reichtums in den ländern der dritten welt bzw. der gesamten welt - die hauptursache der existenziellen armut dort und der relativen armut hier - verändert wird. dazu müssen wir uns eben nicht erst auf ein solchen armutsgrad herunterhungern. nein. das demokratiemodell mit dem grundgesetzartikel 14.2 ist mein maßstab. gegen diesen wird in deutschland schon sehr lange verstoßen. und den problemen in der sog. dritten welt kommem wir nicht bei, indem wir diese unhaltbaren und unmenschlichen zustände zunächt hier einführen und dann mal sehen.
ich muss mich schon sehr wundern lao lang. aber sie betrifft es ja auch nicht ...