Zuviel vom Wermut des Hausbrands gekostet ...

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Gelegentlich sind sie noch zu beobachten, die Gesellen vom Kohlehandel, in ihren angeschwärzten Hemden, ihre Fracht in die Keller derer verbringend, die noch immer in einer unsanierten Altbauwohnung hausen oder sich den ökologisch bedenklichen Luxus einer Ofenheizung resp. eines Kamins leisten. Doch Spuren hinterlassen die Kohlenträger jetzt kaum noch, im Gegensatz zu früher ...

Zu einer Zeit, da die Kohlenkarte in der DDR als amtliches Dokument erachtet wurde, das man Anfang des Jahres erhielt. Ein Dokument, auf dem verzeichnet war, wieviele Personen der jeweilige Haushalt umfaßte und welche Menge an Brennstoff die Familie also zum ermäßigten Preis erwerben konnte. Einer alleinstehenden Person standen 12 Zentner zum Vorzugspreis zu, einem kinderlosen Ehepaar wohl das doppelte.

Mit der Kohlenkarte mußte man zeitig im Jahr zum Händler eilen, die Bestellung aufzugeben, einen Liefertermin zu vereinbaren, der dann zumeist im Sommer oder Frühherbst gelegen. Wer die Anmeldefrist bis Ende April versäumte, konnte die Briketts nur noch zum vollen Preis beziehen. Die Büros auf den Kohlehöfen erschienen mir stets überheizt, im Kanonenofen kollerte das Feuer, auch tagsüber brannte in den Räumen Licht, waren die Gardinen vorgezogen, flankiert von geblümten Vorhängen. An den Wänden zu besichtigen diese oder jene Urkunde, im Regal ein Jubiläumsbrikett des Braunkohlenkombinats Espenhain. In der bulligen Hitze des Büros wurde einem so richtig bewußt, worauf es im Leben ankam - auf die Kohle ...

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Ich sollte in meiner Dachwohnung mit den 12 Zentnern nie auskommen, bestellte deshalb gleich ein paar Zentner mehr oder holte, so ich angelegentlich der Bestellung nicht genug Geld zur Verfügung hatte, zwei drei Sack von einem näher gelegenen Hof an der Kohlenstraße, die voller Staub war. Dann war der Winter längst hereingebrochen ... In eine aussichtslose Lage wie Kafkas Kübelreiter, den ich zu dieser Zeit las, geriet ich glücklicherweise nie ...

Morgens, wenn sie kamen mit ihrem Wagen, der Waage, ihrem Teufelsbesteck, und klingelten, mußte man am besten schon unten sein, Haus-, Kellertür und Gelaß aufgesperrt, die Beleuchtung eingeschaltet haben, sonst hob ein Brummeln an, das sich zum Murren steigern konnte. Ließ sich niemand blicken, kippten sie die Fuhre auf dem Bürgersteig ab, und man konnte nach Feierabend unter den Blicken der Anwohner Eimer für Eimer selbst in den Keller schaffen, was eigentlich für eine Lieferung frei Gelaß gedacht gewesen. Einmal ist das auch mir passiert ...

Im Dunst-, im Einzugsbereich der Kohlenhöfe hielt ich mich nur ungern auf, auch wenn von den Briketts ein unvergleichlicher Geruch ausging, so sie frisch gepreßt und ihre Schmalseiten wie gelackt wirkten, dieser Lack noch nicht spröde geworden oder zum Teil abgesprungen war, was bei der Anlieferung unweigerlich der Fall. Dieser Geruch zog mich in gleicher Weise magisch an wie mich die schwarzen Gesellen zumeist abstießen, mit ihrem ungeschlachten Gehabe ...

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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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