Warum Mindestlöhne Sinn machen

Mindestlöhne Nicht erst im Wahljahr 2013 ist in Deutschland erneut eine heiße politische Diskussion zum Lohndumping entfacht. Und dies über unsere Landesgrenzen hinaus

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Kritiker der Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro in Deutschland wie sie in der FDP zu finden sind wehren sich vehement gegen die Einführung einer allgemeingültigen, gesetzlichen Untergrenze. Es sei schädlich für den Wettbewerb der deutschen Wirtschaft, würden flächendeckende Mindestlöhne in Deutschland eingeführt. Auch dem ungelernten Arbeiter würde so manche Chance am Arbeitsmarkt durch höhere Einstiegslöhne verwehrt.

Viele Berufe haben bereits höhere Mindestlöhne

Viele Bereiche in Deutschland haben festgelegte Mindestlöhne an die sich Arbeitgeber halten müssen. Einsehbar und auf dem neuesten Stand sind diese beispielsweise auf der Internetseite des Hauptzollamtes, das deren Einhaltung mit regelmäßigen Kontrollen bei Arbeitgebern überprüft.

So sieht es in manchen Berufszweigen in Sachen Mindestlohn vergleichsweise gut aus. Beispiel Baugewerbe. Hier erhält ein ungelernter Arbeiter einen Mindest-Stundenlohn von 11,05 Euro, ein gelernter Arbeiter oder jener mit Spezialkenntnissen einen Mindestlohn von 13,70 Euro. Im Elektrohandwerk erhält der ungelernte Arbeiter im Westen 9,00 Euro, bei Malern und Lackierern gibt es selbst für den ungelernten Arbeiter im Osten 9,75 Euro. Auch die Beschäftigten in Pflegeberufen können derzeit auf einen Mindestlohn von 8,75 Euro pochen, zumindest im Westen.

Billiglöhne contra Boni

Die Frisörin und ihre Kolleginnen im Pflegeberuf oder jene in einer Gebäudereinigungsfirma im Osten sowie viele andere Berufssparten in Ost wie in West stehen wesentlich schlechter da. Genauso wie der Leiharbeiter. Aktuell liegt die Lohnuntergrenze für letztere bei 7,01 Euro im Osten und bei 8,19 Euro im Westen. Beide unter der geforderten Mindestlohngrenze. Dagegen stehen, neben dem genannten Baugewebe, die Boni, die Unternehmen eines der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland, die deutschen Automobilhersteller für 2012 bezahlten. Alleine bei Volkswagen gab es 7.200 Euro für jeden Arbeiter aufgrund erfreulicher Geschäftszahlen mehr. Mit 8.111 Euro gingen Porschemitarbeiter sogar noch mit 911 Euro mehr in der Tasche ins neue Jahr, 7.600 gab es mehr für BMW- und mehr als 3.000 Euro bei Daimler-Mitarbeiter für gute Zahlen in 2012.

Ob der gerechtere Mindestlohn auf dem Bau oder zusätzliche Gratifikationen deutscher Autohersteller, die ehedem vergleichsweise faire Löhne zahlen – die Zahl der Kritiker in der Diskussion um Mindestlöhne und die große Schere in der Bezahlung von Arbeit wächst.

Wirtschaftliche Zwänge seien wichtiger Faktor dafür, dass hauptsächlich dem Leiharbeiter kein höherer Mindestlohn bezahlt werden könne heißt es dagegen bei der Opposition in dieser Diskussion. Negative Beschäftigungseffekte ein anderer.

Viele Haushalte leben von 900 Euro und weniger

Laut Zahlen aus dem Mikrozensus, die die Bundeszentrale für Politische Bildung, kurz bpb,veröffentlichte, lebten 2007 2,7 Prozent der mehr als 39 Millionen deutschen Haushalte von weniger als 500 Euro. 10,8 Prozent hätten laut der Erhebung ein monatliches Budget von 500 bis 900 Euro, 30,7 Prozent konnten auf ein Haushaltsnettoeinkommen von 900 bis unter 1.700 Euro monatlich zählen. Gäbe es in Deutschland einen Mindestlohn von 8,50 Euro, dann würden Millionen von Haushalten mit mindestens 1.473,30 Euro für die Vollbeschäftigung in einer 40 Wochenstunde erheblich mehr zur Verfügung haben. Gerade Alleinerziehende und viele Familien mit Kindern könnten sich letztlich durch einen höheren Mindestlohn wesentlich mehr am wirtschaftlichen Leben beteiligen, würden damit wieder andere Wirtschaftsbereiche stärken. Ein Fakt, welches bei der Mindestlohn-Diskussion gerne vergessen wird.

Andere Länder, andere Sitten

Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB auflistet, ist ein Mindestlohn in 20 von 27 der europäischen Länder schon längst Alltag. So zählen die Niederlande zu einem der Vorreiter in Sachen Mindestlohn, der bereits 1988 eingeführt wurde und derzeit 8,88 Euro beträgt. Dieser wird regelmäßig und bei Bedarf aufgrund von Tarif- und Preisentwicklungen sowie weiteren Variablen angepasst. Ein negativer Beschäftigungseffekt sei in unserem Nachbarland bis dato nicht beobachtet worden.

Ähnlich verfahren Irland und Großbritannien. Bei letzteren ist der Mindestlohn in Euro umgerechnet allerdings aufgrund des starken Euros von über acht, auf nunmehr 7 Euro gesunken. Und auch diese Länder verzeichnen keinen Abwärtstrend in den betroffenen Beschäftigungsbereichen. Auf ähnlichem Niveau liegt mit derzeit 8,75 Euro in Belgien der landesweite Mindestlohn, automatischer Inflationsausgleich und tarifvertragliche Orientierung inklusive.

Auswirkungen über Deutschland hinaus

Die bundesdeutschen Lohnuntergrenzen sind aber längst nicht mehr nur ein innerdeutsch heiß diskutiertes Thema. Wie das Handelsblatt kürzlich berichtete, werden deutsche Niedriglöhne nun auch zum europäischen Thema. So will Belgien eine Beschwerde über die niedrigen Löhne hierzulande bei der EU-Kommission einreichen, da zahlreiche belgische Schlachthöfe Konkurs ob der Billiglohnkonkurrenz aus dem benachbarten Niedersachen einreichen müssten.

Lohnuntergrenze und soziale Gerechtigkeit

Die Löhne in Deutschland sollten eine einheitliche Untergrenze haben. Fachleute sollten hier zu Rate gezogen werden, ob der seit Jahren diskutierte Mindestlohn von 8,50 Euro überhaupt noch zeitgemäß ist. Zu diskutieren wäre zudem das Modell, anhand dessen diese festgelegt oder angepasst werden. Das marktorientierte belgische Modell rechnet es vor. Zudem sollte darüber ernsthaft nachgedacht werden, ob ein Ost-West-Ungleichgewicht in Sachen Stundenlohn überhaupt noch zeitgemäß ist. Hier machen es die Dachdecker bereits vor. Für ihren Beruf gilt eine bundesweite Untergrenze von 11,20 auf die Stunde.

Apropos Bau und flexibel einsetzbare Leiharbeiter: Nach dem Paragraph § 10 2 SGB III i.V.m. § 1 Baubetriebe-Verordnung dürfen Baufirmen erst gar keine Bauhelfer oder -Facharbeiter bei einer Leiharbeitsfirma ordern. Selbst bei Arbeitsspitzen in der warmen Jahreszeit. Flexibilität ist hier Mangelware und trotzdem bestehen Anreize für Baufirmen, Arbeiter anzustellen und damit Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Denn die deutsche Arbeitslosenversicherung bietet mit dem Saison-Kurzarbeitergeld einen gewissen Ausgleich für die auftragsärmere, kalte Jahreszeit. Dadurch müssen keine im Sommer aufgrund vieler Aufträge frisch eingestellten Bauarbeiter gleich wieder entlassen werden. Ein Modell, das die Zahlen der saisonalen Entlassung von Arbeitern halbierte.

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Geschrieben von

JayRB

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