Til Schweiger, Jan Böhmermann und die Schelle

Zoff Der „Beef“ zwischen Prominenten wächst sich immer mehr zu einem medialen Phänomen aus. Das Hochpushen des Promi-Zoffs zeigt nur eins: Streit ist urmenschlich
Ausgabe 18/2024
Til Schweiger, Jan Böhmermann und die Schelle

Foto: Imago / United Archives

Freut sich der Dritte wirklich, wenn zwei sich streiten? Anscheinend ja: Vor Kurzem erschien bei einem Streamingdienst die zweite Staffel der Serie Feud (dt. Fehde). In der ersten war es um den legendären „Beef“ zwischen den Schauspielerinnen Bette Davis und Joan Crawford gegangen, die sich mit perfiden Tricks bei den Dreharbeiten zu Whatever happened to Baby Jane? gegenseitig Screentime, Filmpreise und die öffentliche Meinung abspenstig zu machen versuchten. Feud: Capote vs. The Swans erzählt nun vom ebenfalls öffentlich ausgefochtenen Streit zwischen Truman Capote und einigen weiblichen Mitgliedern der US-High-Society. Beide Staffeln verbuchen respektable Einschaltquoten, können von der Reichweite des Verfahrens „Johnny Depp vs. Amber Heard“, das vor zwei Jahren Millionen Menschen bei der Stange hielt, aber nur träumen.

Deutsche „Beefs“ zwischen Talkshowhosts und aufbrausenden Mantafahrern tun es im Zweifel aber auch: Zum öffentlichen Streit zwischen Jan Böhmermann und Til Schweiger, der von den klassischen Medien ähnlich reportiert und angefacht wurde wie von den Beteiligten selbst über Social Media, fehlt nur noch die amtliche „Timeline“. Diese minutiöse Auflistung von „wer hat wann was gesagt“ ist längst üblich, wenn die Gemengelage beim Promi-Zoff unübersichtlich wird und der erklärende Teil in der Beschreibung länger zu werden droht als die aktuelle Neuigkeit. So geschehen beim Beef zwischen den Rapperinnen Megan Thee Stallion und Nicki Minaj: Auf Megans Disstrack Hiss Ende Januar folgte drei Tage später Nickis Antwortsong Bigfoot, der Streit dauert bis heute an. Und wer es genau wissen will, oder gern Gerüchten glaubt: Angeblich haben die beiden sich schon vorher gezankt, wegen irgendwas mit Schwangerschaft und Schönheits-OPs.

Wissen kann man das nicht, wenn man nicht neben Megan und Nicki stand, als „es“ (was noch mal?) passierte. Aber niemand stand daneben. Und selbst wenn: Jede:r, der oder die sich schon mal gestritten hat, kennt das Problem der selektiven Wahrnehmung. Es ist das Grundübel der meisten Konflikte und bedeutet: Was jemand sagt und wie es gemeint ist, kann sich von der Rezeption unterscheiden. Das gilt für verheiratete Heteropaare ebenso wie für queere Konstellationen, für Kolleg:innen wie für Familienangehörige, für Freund:innen wie für Nachbar:innen mit „Maschendrahtzaun“ zwischen sich.

Beim Schweiger-Böhmermann-Stunk, dessen erstaunliche Relevanz für die Menschheit momentan bei der Eingabe eines der Namen im Google-Suchfeld deutlich wird, sind die Begrifflichkeiten immerhin klassisch – als Zankapfel dient unter anderem eine von Jan Böhmermann veräppelte „Schelle“, die Til Schweiger ihm angedroht hatte.

Ohne die aus der schwarzen Pädagogik des 18. Jahrhunderts in die Gegenwart gerettete „Schelle“ geht es offensichtlich nicht. Der Mensch ist nicht für Harmonie gemacht. Und die Therapeuten, die immer wieder neue Begriffe für Streitphasen, -ursachen und -lösungen finden, wollen auch leben. Apropos Ursache: Worum es bei solchen Streits wirklich geht, hat die Punkband Die Kassierer schon 2003 auf ihrem Album Männer, Bomben, Satelliten sehr treffend analysiert, im Song Du hast geguckt: „Neulich hab’ ich einen so richtig aufgemischt / Sieben gebrochene Knochen und ein blutiges Gesicht / Er fragte sofort ‚Was hab ich dir denn getan?‘ – ‚Du hast geguckt! Du hast geguckt!‘.“ Das hat gereicht. Und irgendein Dritter hat sich bestimmt auch gefreut.

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