Daten brauchen ein Fort Knox

SWIFT Die EU-Minister erlauben, dass die USA weiter Zugriff auf Überweisungsdaten bekommen. Jahrelange Kritik an der Praxis verpufft. Der Datenschutz ist endgültig lobbyfrei

Fast neun Jahre ist diese skandalöse Praxis alt, seit drei Jahren ist der Skandal öffentlich. US-Sicherheitsbehörden zapfen die Server von SWIFT an, das Rechenzentrum, das weltweit Bank-Transaktionen verwaltet. 15 Millionen Überweisungen werden jeden Tag an diesem Knotenpunkt registriert, die Daten von über 8.000 Banken aus 200 Ländern sind hier gespeichert. Eigentlich müsste so ein Rechenzentrum besser bewacht sein als Fort Knox. Aber seine Betreiberin – die Society of Worldwide Interbank Financial Telecommunications – hat stillschweigend gleich nach dem 11. September den Zugriff der CIA geduldet. Sie glaubt, mit der großangelegten Schleppnetzfahndung im Finanzstrom al-Qaida und anderen Terrornetzwerken auf die Spur zu kommen.

Als das 2006 rauskam, übrigens durch eine etwas heuchlerische Anzeige der SWIFT selbst, war die Empörung groß. Parlamente und Gerichte beschäftigten sich mit dem Fall. Die europäische Datenschutzkultur stehe zur Debatte, hieß es. Der Datenwut der Bush-Administration müsse ein Riegel vorgeschoben werden, hörten wir. Allerorten entdeckten die Politiker den Bürgerrechtler in sich.

So weit so gut. Aber drei Jahre später ist alles beim Alten. Noch schlimmer, die EU-Minister wollen den Zugriff der Amerikaner auch noch legalisieren. Die SWIFT selbst, vom Saulus zum Paulus gewandelt, versucht inzwischen ihre Datenbestände von amerikanischem Grund und Boden abzuziehen und in die Schweiz zu verlagern, um dem Zugriff der Amerikaner zu entgehen. Doch heute entscheiden die EU-Minister in Brüssel, dass das SWIFT-Tor für die US-Ermittler trotzdem weiter offen stehen wird. Sie tun es heute, weil sie in eine solche Entscheidung schon im Herbst das europäische Parlament einbinden müssten, das ein solches Abkommen mit den USA mehrheitlich kritisch gegenübersteht. Es ist der letzte Zeitpunkt, um mit 27 Stimmen eine oligarchische Entscheidung zu fällen, bevor der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt.

Was soll man davon halten? Waren das alles Nebelkerzen damals im Sommer 2006? Glauben Sicherheitspolitiker, dass sie wieder einmal durchkommen, wenn eine bürgerrechtswidrige Praxis nur lang genug aufrechtgehalten wird? Meinen die Minister, dass es keine Konsequenzen haben wird, wenn sie in den letzten Tagen ihrer Allmacht noch einen Vertrag auf den Weg bringen, den die meisten Europäer ablehnen?

Man muss diese Fragen uneingeschränkt mit Ja beantworten und deswegen auf eine weitere Frage kommen: Haben datenschutzrechtliche Belange irgendwo in der EU noch einflussreiche Fürsprecher und eine gute Lobby? Nein, haben sie nicht. SWIFT ist der deutliche Beweis. Das muss sich ändern. Schleunigst.


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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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