Gibt es flüssigen Salat?

Der Koch Wer im Flieger Tomatensaft trinkt, muss auch Gazpacho mögen – also alle. Wie man es zubereitet, verrät der Koch: Je heißer es ist, desto dringender muss Melone rein
Gibt es flüssigen Salat?

Illustration: Der Freitag

Es gibt Tage, da muss der Herd einfach kalt bleiben. Ich liebe zwar die Hitze über einem dampfenden Kochtopf, die Strahlung, die mein Backofen abgibt, und ich schätze es auch, Butter aus dem Kühlschrank zu nehmen, wenn die ganze Küche auf Betriebstemperatur ist. Sie ist dann in Sekunden streichfähig. Diese Hitze mag ich.

Es ist aber etwas völlig anderes, wenn noch feuchte Sommerschwüle dazukommt. Oder auf dem Küchentisch reifes, pralles Sommergemüse liegt. Da braucht man keinen Herd. Ab 25 Grad im Schatten kommt bei mir der Stabmixer zum Einsatz. Für kalte Suppen. Gurken- oder Zucchini-Kaltschale und kühler, zitroniger pürierter Fenchel, das sind meine Klassiker – und natürlich der König: El Gazpacho.

Wir im Norden tun uns nicht so leicht mit kalten Suppen. Zu Beginn von Fatih Akins Film Soul Kitchen greift der Koch Shayn, gespielt von Birol Ünel, fast zum Messer, weil ein Banause unter den Gästen seine Tasse Gazpacho aufgewärmt haben will. Auf Youtube findet man diese Szene oft mit spanischer Synchronisierung. Und Kommentaren über „diese Deutschen“. Aber es geht nicht nur uns so. Théophile Gautier, ein französischer Dichter, wird mit den Worten zitiert: „Zu Hause würde nicht mal eine Promenadenmischung seine Schnauze in die Mischung halten.“ Aber auch Gautier kam auf den Geschmack. 1840 erschienen seine Reisebeschreibungen aus Spanien mit dem Titel Gazpacho.

Eigentlich muss jeder, der sich auf dem Flug in den Urlaub Tomatensaft mit Pfeffer und Salz bestellt, auch Gazpacho mögen. Mindestens. Es ist die Billigflieger-Version dieser Suppe.

Hauptbestandteil sind natürlich Tomaten, außerdem Knoblauch und Olivenöl. Diese Zutaten enthält jedes Rezept, und die meisten nennen auch noch Gurken und Paprika. Wie so oft, gibt es unzählige Varianten. Ich finde, man sollte die Zubereitung von der Qualität der Tomaten abhängig machen, und dem eigenen Geschmack. Ich nehme also erst einmal Tomaten und Knoblauch und püriere die für eine Basissuppe. Sind die Tomaten reif, fruchtig und von dieser süßen Säure, die den ganzen Mund ausfüllt, muss man gar nicht mehr viel tun. Oft hat man jedoch nicht das Glück, so ein Gemüse zu finden. Ich greife dann zu getrockneten Tomaten. Damit bekommt man sogar Holland-Ware aufgepeppt.

Gurken kommen selbstverständlich auch noch dazu, sie geben der Suppe die Bitternote wie der Aperol in einem guten Sprizz. Auch Paprika lasse ich selten weg, mit Avocado gerät die Suppe sättigender. Und je heißer es ist, umso schneller greife ich zu Melone als weiterer Zutat. Das ist meine Extra-light-Variante.

Man kann Gazpacho wie überhaupt alle kalten Gemüsesuppen despektierlich als „flüssigen Salat“ bezeichnen. Ich habe den Ausdruck auch schon mal gehört. So beleidigend finde ich ihn gar nicht, er trifft einen Punkt. Salz, Säure und das Öl als Geschmacksträger heben den Eigengeschmack. Ohne die geht es nicht. Geizen Sie damit bitte nicht. Ich mag es, wenn sich richtige Schlieren aus Olivenöl durch die Suppe ziehen. Und natürlich passen auch scharfe Gewürze: Cayenne, Chili oder Peperoni. Man sollte nur eins beachten: Kalte Suppen entwickeln den Geschmack erst mit der Zeit. Sie müssen durchziehen. Man braucht also etwas Vorstellungskraft oder einfach Vertrauen, wenn die Suppe nicht sofort schmeckt. Nach zwei Stunden sieht das schon vollkommen anders aus. Und ist die Suppe zu salzig, dann servieren Sie sie einfach noch etwas kälter. Das merkt dann kein Mensch.

Auf das Brot muss ich noch zu sprechen kommen. Es kommt in den meisten Rezepten vor. Viele Leute werden vermutlich erst denken, wenn sie von dieser Zutat erfahren, dass Gazpacho mehr ist als Multivitaminsaft. Brot macht die Suppe sämiger, schwerer, also erst zu einem Gericht. Ich rate: Unbedingt hinein damit in den Mixer.

Es gäbe noch einige Fragen zu klären, etwa, wie fein püriert die Suppe sein soll. Wer faul ist, geht mit dem Pürierstab auf das ganze Gemüse los und streicht die Suppe dann durch ein Sieb. Das spart das Häuten und Entkernen der Tomaten. Ich möchte aber noch zu Punkt 27 in meinem persönlichen Regelkatalog kommen. Keine Suppe ohne Einlage! Ein Muss, auch bei Gazpacho. Lassen Sie sich da aber mal selbst was einfallen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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