Wann hat ein Mörser die richtige Größe?

Der Koch Wer Kräuter schätzt, braucht einen Mörser. Doch er endet als Staubfänger, wenn er leichter als ein Autoreifen ist. Unser Kolumnist hat so seine Erfahrungen gemacht

Eine kleine Umfrage unter Freunden: „Stimmt es, dass die ersten Mörser, die man besitzt, ...“ – „... immer zu klein sind?“, nahmen mir zwei Befragte den Satz sofort aus dem Mund. Aber sicher! Und alle nickten, als ich ihnen die Geschichte meiner Mörser erzählte: Der erste war eine kleine Apothekenschale aus weißer Keramik mit einem Pistill, das so leicht war, dass damit nur mit großem Kraftaufwand zu reiben und stoßen war. Ich verwendete so viel Kraft, dass mir das Ding schnell zerbrach. Mein zweites Exemplar war dann schon etwas größer, aber aus einem Holz, das Öl und Aromen gierig in sich aufsaugte und kaum sauber zu bekommen war. Es verlor ebenfalls bald seinen Stammplatz in der Küche.

Ich glaube, das ist auch der Grund, warum wir Mörsern auf Flohmärkten oder in Trödelläden überall begegnen. Sie sind samt und sonders unbrauchbarer Nippes: viel zu klein, sichtbar wenig benutzt. Ihrem Schicksal, als Bücherstütze oder Staubfänger in einem Regal zu dienen, werden die wenigsten entrinnen. Vielleicht, weil nur noch wenige Menschen damit etwas anfangen können?

Von meinem jetzigen Mörser werde ich mich nicht mehr trennen. Er ist aus dunklem Granit und schwer wie ein Autoreifen. Er fasst mehr als einen halben Liter, da lohnt sich die Mühe, darin Basilikum, Parmesan und Knoblauch für ein Pesto zu reiben. Der Stößel wiegt ein Kilo, es genügen ein paar leichte Stöße, um Pfefferkörner so grob zu mahlen, wie es keine Mühle kann.

Er ersetzt Presse, Knacker und Reibe

Wer Kräuter und Gewürze schätzt, kommt um einen Mörser nicht herum. Er ersetzt unzählige Gewürz-, Salz- oder Zuckermühlen, hin und wieder die Knoblauchpresse, den Nussknacker und auch so manche Reibe. Er ist ein Multifunktionswerkzeug. Als Koch liebt man solche Dinge, denn sie bringen einen auf Ideen.

Zugegeben, mein Mörser hat immer wieder lange Ruhephasen. Aber dann habe ich entdeckt, wie sich Gewürze verändern, wenn man sie kurz anröstet. Die Aromen werden nicht nur intensiver, sondern wärmer und süßer. Kümmel habe ich früher nur verwendet, wenn sein durchdringendes, etwas betäubendes und bitteres Aroma im Sauerkraut, in Gulasch oder an Kartoffeln richtig vorschmecken sollte. Geröstet und gemahlen wird aber aus dem Gewürz eine filigrane Zutat, die Vinaigrettes, Soßen oder auch Konfitüren einen herben Touch gibt. Das Rösten ist keine komplizierte Angelegenheit. Ich falte dafür aus Alufolie ein flaches Päckchen und lege das für Sekunden auf die heiße Herdplatte.

Unter meinen schweren Stößel kommen auch Zutaten, die nicht so leicht verdaulich sind und deshalb normalerweise nur mitgekocht werden. Das sind nicht nur Nelken oder Wacholderbeeren. Zitronengras etwa lässt sich zu einer feinen Paste verreiben, das gibt eine überraschende Würze in einem Apfelkuchen genauso wie an einem Hähnchen. Gemahlene Lorbeerblätter sind ein ganz eigenes Geschmackserlebnis: Man kann mit dem Pulver vor dem Braten Fleisch einreiben. Es macht sich auch im Senf gut als Bestandteil – den kann man übrigens mit einem Mörser auch selbst herstellen. Mein jetziger Mörser ist schon mein vierter. Nach den zwei Reinfällen bin ich mit dem festen Vorsatz in den Küchenladen gegangen, das größte Exemplar zu besorgen, das vorrätig war. Es gab ein sehr mächtiges, es stand auf dem Boden neben der Kasse. Der Verkäufer versuchte erfolglos, mich umzustimmen: „Das eignet sich nur als Vogeltränke.“

Ich nahm den Mörser trotzdem mit. Zu Hause merkte ich, es gibt auch zu große Ausführungen: Den Stößel musste ich mit beiden Händen greifen, und der Pfeffer ging gleich in Staub auf.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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