Warum sollte man der Aubergine richtig einheizen?

Koch oder Gärtner Sie kann pampig sein, feucht oder rauchig: Für den Koch ist die Aubergine aber eine Charakterdarstellerin. Man muss ihr nur geben, was sie braucht: viel Hitze

Seitdem ich mich das erste Mal mit der Aubergine auseinandergesetzt habe, gehört die Küchenrolle zur Standardausstattung meiner Küche. Sonst fällt mir zu saug­starkem Papier nur noch Meg Ryan ein, die penetranteste Heulsuse der Filmgeschichte – nicht nur am Ende von Harry und Sally bekommt die Schachtel Kosmetiktücher eine Paraderolle. Aber mit so einer wie der Ryan ist die Aubergine nicht zu vergleichen. Sie ist keine tränenreiche Aktrice aus dem romantischen Fach. Sie ist eine verruchte, dunkelhäutige Diva, üppig und eindringlich. Zum Weinen kann man sie zwingen, muss man aber nicht. Ihre Qualitäten zeigt sie auch so.

Vergleicht der Koch seine Zutaten häufig mit Frauen? Nein, eher selten. Aber die besondere Verehrung für die Aubergine, die eigentlich ein Obst ist, treibt mich dazu. „Königin des Gemüses“ heißt sie im Süden Indiens, und da kann man kaum widersprechen. Je nach Zubereitung verändert sie ihren Geschmack von pilzig-pampig bis zu feuchter Ledrigkeit und die schmeckt doch immer nach Aubergine wegen dieser dezenten Rauchigkeit, die am Gaumen leicht kratzt. Kurz: Eine Charakterdarstellerin, die ihre Rollen oft wechseln kann, das Original aber scheint ­immer durch. Ich mag sie am liebsten gebraten.

Für Römer war sie ungenießbar

Die Aubergine ist die Frucht eines Nachtschattengewächses wie die Kartoffel und die Tomate, doch anders als diese beiden stammt sie nicht aus Südamerika, sondern aus Asien. Das ließe sich schon an der Küche erkennen, denn nur in Asien führt die Aubergine ein sehr normales Leben unter den Zutaten. Seit 600 nach Christus ist sie dort bekannt, die Römer hielten sie dagegen für ungenießbar. Aus Asien, ganz genau aus China, stammt übrigens auch der größte Teil des Gemüses auf dem Weltmarkt.

Dabei sollte aber nicht übersehen werden, dass es auf halbem Weg zwischen den Kontinenten, am Mittelmeer, zur krönenden Ver­einigung der Nachtschattenfrüchte gekommen ist: Pasta alla norma und Melanzane alla Parmigiana sind sizilianischen Ursprungs. Diese Küche, eine der ältesten Italiens, hat starken arabischen Einfluss und bediente sich früh der Ge­würze und Zutaten diesseits des italienischen Stiefels. Im Moussaka gesellen sich zu Auberginen und Tomaten oft noch Kartoffeln hinzu. Dieser Auflauf ist übrigens nicht nur ein Klassiker auf griechischen Speisekarten, er ist im ganzen südosteuropäischen Raum beliebt.

Weiter im Norden und bei uns ist das Gemüse erst seit einem halben Jahrhundert bekannt. Als Eckart Witzigmann 1978 sein Restaurant nach ihr benannte, muss die Aubergine als seltenes mediterranes Gemüse gegolten haben, mit einem Hauch von Exotik. Kaum ein Laie wusste etwas damit anzufangen. Oder beobachtete fasziniert, wie die Auberginenscheiben in der Pfanne das Öl wie Schwämme in sich aufsogen. Aber wer will dieses fetttriefende graue Etwas dann noch essen?

Dem Problem kann man auf zwei Arten beikommen. Viel Salz – und Küchenpapier, lautet eine Lösung. Denn Auberginen ent­halten viel Wasser. Und das kühlt, wenn es in der Pfanne austritt. Das Gemüse brät nicht, sondern dünstet vor sich hin. Um der Aubergine schon vorher Wasser zu entziehen, muss man sie zum Weinen bringen. Die Scheiben oder Würfel werden mit Salz bestreut oder in Salzwasser gebadet und anschließend mit Küchenpapier gut abgetrocknet. Mindestens eine Viertelstunde sollte das Pökeln dauern.


Ihre Vorliebe, das Fett aus der Pfanne zu schlürfen, hat die Aubergine dadurch aber leider noch nicht verloren. Hier hilft nur eins: Wenig Fett – und viel Hitze. Keine Angst, wenn die Pfanne raucht. So schnell brennt die Aubergine nicht an, vor allem wenn sie viel gewendet wird. Es ist das Prinzip des Wok-Bratens, das ihr so gut bekommt. Ich finde diese Entdeckung viel entscheidender als das Salzen. In Asien, wo Gemüse fast nur in den Wok kommt, verzichten die Köche auf diese Vorbehandlung. Ihre Pfannen sind so heiß, dass der Kühleffekt der Aubergine nicht ins Gewicht fällt.

Herrlich braun und aromatisch gelingen Auberginenscheiben aus diesem Grunde auch auf dem Grill, leicht mit Öl eingepinselt. Oder, man glaubt es kaum, in der Fritteuse. Ja, es ist so: Seit ich weiß, dass man der Aubergine Stoff geben muss, halten bei mir Küchenrollen wesentlich länger.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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