25 Jahre Stasi-Unterlagengesetz

Christian Booß geb.1953, 1989-1993 DDR-, Hauptstadtkorrespondent des SFB, später ­Pressesprecher Gauckbehörde. Heute Vorsitzender des Bürgerkomitees 15. Januar e. V. Berlin.

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Welche Rolle spielt Stasiunterlagengesetz ab 1991 das Narrativ "Europäisches Haus" zu fördern oder zu marginalisieren?

Christian Booß, geb.1953, 1989 bis 1993 DDR- und Hauptstadtkorrespondent des SFB und später ­Pressesprecher der Stasiunterlagenbehörde. Heute ist Booß Vorsitzender des Bürgerkomitees 15. Januar e. V. Berlin.

Booß gilt als Stasi-Experte und gab Wolfgang Gast von der taz anlässlich "25 Jahre Stasi-Unterlagengesetz" unter der Überschrift „Politisch zu punkten ist nicht das Ziel“ ein Interview über historische Aufarbeitung eines Unterlagen- Erbes aus 5.340 Tonnen Papier
,
Booß vertritt historisch bemerkenswert unbefangen die These: "Dank Stasi-Überprüfung haben demokratieschädliche Seilschaften in Deutschland nie die Bedeutung erlangt wie die Oligarchen in Osteuropa."

Stimmt das so? Hatten in Deutschland ab 1990 neue Oligarchen überhaupt die volkswirtschaftliche Chance&Substanz solche systemrelevanten "Strolche" zu werden, wie in Osteuropa?

Waren diese Oligarchen nicht längst im vereinten Deutschland hinter, vor, auf der Berliner Mauer auf der Lauer vorhanden mit den hundert reichsten Familien-Clans, AGs, GmbH & Co KGs, Unternehmenssiiftungen seit Kaiser Wilhelm Tagen in der Schwerindustrie, Schiffahrt, Handel, Wandel, Verkehr, Schiffs- , Automobil- , Maschinenbau, Rüstung, Textilien, Medien, die mit ihrer Oberkommendierenden Super- Oligarchen Agentur "TREUHAND", von der ersten frei gewählten DDR Volkskammer aus der Taufe gehoben, DDR- Volksvermögen, neben anderen im In- und Ausland, zum Schnäppchenpreis, nicht selten für den symbolischen Wert 1 DM, zugeschanzt bekamen, um überschüssige Produktionskapazitäten am deutschen, am europäischen Markt, ungeacxhtet von ca. 3 Millionen Arbeitslosen im ersten Jahr, profitabel plattzumachen?

Vor genau 25 Jahren wurde das Stasi-Unterlagen-Gesetz in Kraft. gesetzt Für Christian Booß bleibt als gro0e Überraschng entscheidend, dass Hunderttausende „ihre“ Akte sehen wollten und weiter wollen. Inzwischen sind es über 2.3 Millionen BürgerInnen.

Diese „kleine Aufarbeitung“, wie es Booß im taz Interview nennt, hat sich nach seiner Meinung als die effektivste Aufarbeitung erwiesen. Darüber hinaus konnten auch Zehntausende ehemalige politische Häftlinge und Personen, die berufliche Nachteile durch die Deutsche Demokratische Republik erlitten haben, trotz praktischer Umsetzungsschwierigkeiten rehabilitiert werden. Die Kommunen, Regierungen, Parlamente hatten die Möglichkeit, Personen, die das Vertrauen in diese Institutionen nicht rechtfertigen, zu identifizieren.

Wenn ich das so im Ton robuster Laudatio ""25 Jahre Stasi-Unterlagnegesetz" lese, wird mir schwummerig, als ob zwei postdiktatorische "Halleser-, Halenser- , Halunkenstaaten", Deutschland I, Deutschland II, seit 1949 getrennt marschiert, gemeinsam mit der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 zuschlagend, das Narrativ "Europäisches Haus" vergessen, sich bei der Verteilung der Beute, nämlich die gemeinsam grenzüberschreitend erwirtschaftet horrenden Handelsbilanzüberschüsse (im Jahr 2015 ca 120 Milliarden €/anno) zu Lasten anderer europäischer Länder mit dem Deal ins Gehege&Gerangel geraten:

"Ihr Hüben erhaltet Durchgriffsrecht auf DDR- Partei- , Staats- und Volksvermögen, wir die DDR-Nomenklaturisten werden dafür nur dann rechtlich belangt, wenn wir gegen DDR- und nicht bundesdeutsches Recht verstoßen haben, soweit dabei nicht internationales Völker- und Menschenrecht, gemäß UNO-Charta, Menschenrechtskorb KSZE Helsinki 1975, wirksam wird,

Gleichzeitig verzichten die DDR-Nomenklaturisten auf einen deutschen- deutschen Lastenausgleich 1949-1989 , damit solcher Art Arrangement im Ausland nicht Entschädigungsgelüste bei Millionen Zwangsarbeitern, Überlebenden des Holocaust weckt.

Bis zum Entschädigungsfond der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft 1997, angestoßen von Zwangsarbeiter- Sammelklagen in den USA, ist das auch so passiert.

Konsequent wurde von beiden deutschen Seiten davon abgesehen, gemäß Grundgesetz, eine verfassungsgebende Versammlung anzuberaumen, um die Einheit Deutschlands auf den Weg zu bringen, sondern den Weg des Beitritts der DDR, wie des Saarlandes 1958, nach Artikel 23 GG zum Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland zu beschreiten.

Damit das alles nach außen nicht zu harmonisch vonstatten geht, was gesellchaftspolitisch kaum plausibel zu kommunizieren wäre, sind die DDR- Nomenklaturisten bereit, ihre Loyalität und Fürsorge gegenüber Hauptamtlichen aber vor alem Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des Ministeriums für Staatsicherheit (MfS) dem Schild und Schwert der SED, treuwidrig preiszugeben, selbst, wenn denen nicht wirklich strafbare Handlungen nach DDR-Recht vorzuwerfen sind.

Genau in diese Richtung entfalten Gregor Gysis

- ehemals Vorsitzender der DDR-Anwaltskammer, Vater Klaus Gysi, Minister für Kultur und kirchliche Angelegenheiten -

juristische Versuche zur Durchsetzung gerichtlicher Feststellung, Gysi sei kein IM, niederschmetternde Signalwirkung mit Verlassenheitsängsten für jene, die es freiwillig aus Überzeugung ihres Klassenstandpunktes oder zwangsweise waren.

Ermittlungsunwilliige Staatsanwälte, klageunwillige Richter aus Westdeutschland werden, allein aus Kompetenzdefiziten hinisichtlich Interpretationsmacht im DDR- Recht, zutiefst geneigt bleiben, mindestens ein, wenn nicht zwei Augen zuzudrücken."Schwamm drüber".

Abgesehen von einigen übereifrigen Gerichtspersonen hier und da, ist das ja im Sinne der deutsch-deutschen Erfinder, Lothar de Maizière, Wolfgang Schäuble, recht gut gelungen.

Ein Leser des taz Interviews stellt die aufschlussgebende Frage:

"Warum hat die Aufarbeitung der Stasi Unterlagen nie zu Anklagen gegen die Täter geführt? Nicht ein Einziger wurde für die Verbrechen der Stasi vor Gericht gestellt. Warum?"

Meine Antwort:

"Würde es die Stasi-Unterlagenbehörde nicht geben, wäre der Rechtsstaat aus öffentlichem Interesse in der Bringschuld, alle Stasiakten auf strafrechtliche Relevanz zu überprüfen, gegebenenfalls mit Hundertschaften an Staatsanwälten Ermittlungsverfahren einzuleiten, Anklage zu erheben, Hundertschaften an Richtern Hauptverfahren anzuberaumen
Stattdessen wurde den Bürgern aus scheinbar reiner historischen Güte die Rolle von ehrenamtlich tätigen Trüffelschweinen zugewiesen, strafrechtlich relevante Fälle an ihrer u. a. Personen durch stetiges Aktenstudium aufudecken"

JP

https://www.taz.de/Stasi-Experte-Booss-ueber-Aufarbeitung/!5369992/
Stasi-Experte Booß über Aufarbeitung
29. 12. 2016
DAS INTERVIEW FÜHRTE
WOLFGANG GAST
„Politisch zu punkten ist nicht das Ziel“

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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