"8. Mai 1945" Gedenken mit den Weizsäckers

Befreiung vom Krieg Den Zeitzeugen und Nachgeborenen in beredtem Gedenken an den 8. Mai 1945, den Tag der Befreiung, den Tag der Bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches.

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Zeitzeugen mit Ladehemmung in Sachen Erinnerung

Den beredten und stummen Zeitzeugen und Nachgeborenen in stillem Gedenken an den 8. Mai 1945, der für die einen der Tag der Befreiung, für die anderen der Tag der Schande, der Bedingungslosen Kapitulation des Dritten Deutschen Reiches war.

Ist Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, geboren am 15. April 1920 , so ein „Zeitzeuge“, der noch heute, traumatisiert, unter braunen Nebeln seiner Jugend bis ins 25. Lebensjahr als "Belasteter" leidet?

Ist Richard von Weizsäcker, wie viele andere, die noch leben, ein Zeitzeuge mit adehemmung in Sachen Erinnerung, die in braunen Nebel Morgentau Wolken des Lebens Anderer, samt eigener unterlassener Äußerungen der letzten Jahrzehnte bis zur Unkenntlichkeit der eigenen Person, uneinholbar, zu entschwinden drohen?

Ladehemmung gilt unter Militaristen als "Gefahrenlage", die jeden Soldaten, gleich welchem Rang, in die Nähe von Sabotage zu bringen droht.

Geht es hier um eingestandene, nicht eingestandene Sabotage der Entwicklung unserer Erinnerungskultur?

Besteht die Lebenslüge vieler, darunter Richard von Weizsäckers darin, ihre Ladehemmung in Sachern klarer Erinnerung, der strikten Verweigerung von Auskünften, in jeder Hinsicht als ausgewiesene

"Zeitzeugenschaft"

zu kommunizieren, sich so anerkannt, weltweit unterwegs, Geltund verschaffen zu wollen?

Richard von Weizsäcker verweigert nicht nur die Beantwortung von Interview- Fragen, sondern verbittet sich diese, von Fall zu Fall, in hochfahrendem Ton des Zorn als unbotmäßige

"Majestätsbeleidigung".

Hat Richard von Weizsäcker womöglich deshalb so beharrlich wiederholt das Amt des Bundespräsidenten angestrebt, um seine Familie, den Namen der "Weizsäckers" gegen alle denkbar berechtigten, unberechtligten Anwürfe, Anfechtungen unanfechtbar zu stellen?

So ist es in der Dokumentation der ARD über Richard von Weizsäcker aus dem Jahre 2010,

"Für immer im Dienst Bundespräsident"

einem zweijährig begleitenden Gespräch mit Sandra Maischberger, zu hören und zu sehen.

Insbesondere verweigert sich Richard von Weizsäcker als Zeitzeuge selbst so harmlos vortastenden Einstiegs- Fragen, wie:

"Glauben Sie an Gott?"

"Glauben Sie an ein Leben nach dem Tode?".

Für den Zuschauer/in wirkt das dann, eher Mitleid erregend, wenn Richard von Weizsäcker, unterstützt, flankiert von seiner Gattin Marianne, nebst Tochter Marianne- Beatrice, diese Fragen als unbotmäßig zurückweist, als ob Richard von Weizsäcker gerade noch, einem daher gelaufenen Tribunal, in Gestalt der Moderatorin Sandra Maischberger, mit und ohne Legitimation, entkommen ist.

Dabei liegen die genannten Fragen im Zusammenhang mit seiner Person geradezu auf der Hand, wurde Richard von Weizsäcker doch bereits im Jahre 1966 für lange Zeit zum Synodal- Präsidenten des Evangelischen Kirchentages Deutschlands (EKD) gewählt.

Auf die Frage nach seinem eigentlichen Beruf antwortet Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Sandra Maischberger

"Zeitzeuge".

Gemessen daran, was Richard von Weizsäcker, Auskunft zu geben bereit ist, wirkt die Legenden bildende Berufsbezeichnung

"Zeitzeuge" eher irritierend, ein sicheres Gefühl von Ladehemmungen in Fragen der Erinnerung verbreitend

Vermeidet Richard von Weizsäcker die Beantwortung sich harmlos vortastender Einstiegs- Fragen deshalb so rigoros stringent konsequent, weil diese weitergehende Fragen nahe legen, wie:

"Wenn Sie an Gott glauben, wie konnte es dann geschehen, dass Gott die Vernichtung der Juden auf europäischem Boden durch das NS- Regime von 1933- 45 zuließ, dass Millionen russische Kriegsgefangene an der Ostfront, unter der Obhut der Vollziehenden Gewalt der Deutschen Wehrmacht, entgegen den Bestimmungen der Haager Kriegsordnung, der Genfer Konvention, in jeder Hinsicht unterversorgt, trotz Winters, in "offenen" Feldgefangenenlagern, an Hunger, Elend, Kälte, Typhus, Dehydrierung krepierten?

Wie konnte es sein, dass Sie Herr von Weizsäcker als junger Offizier an der Baltikum Front stehend, erklärtermaßen mit dem Feldstecher nach Leningrad hinüber geschaut haben und nichts dabei an Unrecht empfanden, dass dort an die über 2 Millionen Menschen durch die Deutsche Wehrmacht eingekesselt, entgegen Kriegsrechtbestimmungen im Umgang mit der Zivilbevölkerung, generalstabsmäßig ausgehungert werden sollten und in ungeheuer großer Zahl ausgehungert wurden.

Herr von Weizsäcker, wie konnte es sein, dass ein anderer, einfacher Wehrmachtssoldat, Ludwig Baumann aus Hamburg- Altona, Jahrgang 1921, genau diese Verbrechen der Deutschen Wehrmacht an der Zivilbevölkerung Leningrads, an russischen Kriegsgefangenen, in Frankreich als Besatzungssoldat stationiert, 1942 entsetzt zum Anlass nahm, zu desertieren?

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Baumann_%28Wehrmachtsdeserteur%29

Herr von Weizsäcker, wie konnte es dann sein, dass Ihr Vater, Ernst von Weizsäcker als Staatssekretär im Reichs- Außenamt (AA) im März 1942 die Anfrage aus dem Führerhauptquartier, ob es Bedenken des AA gegen die Deportation von 6000 französischen oder staatenlosen Juden nach Auschwitz gebe, prekär patriotisch als NS- Karriere Diplomat Ersten Ranges hochfahrend auf Augenhöhe mit dem Machtzentrum Berlin nicht nur mit

"keine Bedenken"

beantwortet, sondern mit dem paraphierenden Rechtskonstrukt Zusatz

"kein Einspruch"

den Führer Erlass gegenzeichnet, als ob es hier in jeder diplomatischen Hinsicht mit rechten Dingen zuging.

Der Spiegel deutet in seiner Titelgeschichte

"Die Weizsäckers"

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-69518834.html

(11- 64- 2010) auf der Seite 73 diesen Zusatz

"kein Einspruch"

statt

"keine Bedenken"

im Gegensatz zu meiner fiktiven Einschätzung, als Indiz, dass sich Ernst von Weizsäcker als Staatssekretär im Reichs- Außenamt (AA) bemüht hat, soweit es im Bereich seiner Möglichkeiten bestand, den Kreis der deportierten Juden einzugrenzen.

Solche Fragen, geschweige denn Einschätzungen, verbieten sich scheinbar bis heute gegenüber dem Zeitzeugen Richard von Weizsäcker, der seinen Vater, Ernst von Weizsäcker, vor dem Kriegsverbrecher Tribunal in Nürnberg

"Komplex AA/ Wilhelmstraße"

1948/49 mit verteidigt hat.

Richard von Weizsäcker insistiert bis heute darauf, sein Vater sei damals als Zeuge des Nürnberger Gerichtshof geladen gewesen, ihm sei als Zeuge der Anklage wie Verteidigung

"Freies Geleit"

aus dem Vatikanstaat, seinem Asyl beim Heiligen Stuhl, nach Nürnberg kommend, garantiert, zugesichert worden, um ihn dann, unter Bruch des allgemeinen Völkerrechts, wie es Winston Churchill empört im britischen Unterhaus betont habe, als Angeklagten in Untersuchungshaft zu nehmen.

Allein der unbefangene Hinweis auf den Begriff

„Freies Geleit“

für seinen Vater, wirft bis heute nicht gestellte Fragen auf wie:

„Warum wurde überhaupt auf die Zusage

„Freies Geleit“

für Ernst von Weizsäcker gedrungen, wenn dieser doch nur seiner Staatsbürgerlichen wie Beamteten Diplomaten- Pflicht nachkam, als Zeuge im Nürnberger Kriegsverbrecher Prozess auszusagen?

Wenn die historische Faktenlage bis heute in den Köpfen vieler Deutscher als Leere die Relevanz von Zeitzeugnis entfaltet, ist Richard von Weizsäcker im reinsten Sinne des Wortes ein Zeitzeuge, der andere Quellen, Zeitzeugen/innen mit seiner Leere bis zur unkenntlichkeit wundersam zu Nebeln verzaubern kann.

Woher nimmt Richard von Weizsäcker diese Kraft, diesen Elan zum Bundes Zauber des

"Immer im Dienst Präsidenten als Zeitzeuge" ?

Vielleicht liegt der Schlüssel zu dem Rätsel der Kraft, des Elans Richard von Weizsäcker, in dem Hinweis seines Sohnes Fritz, der seinen ewig lächelnden Vater auf Kinder- und Jugendbildern, während alle anderen

"Ganz wie Vater Ernst"

überaus ernst dreinschauen, als den wohlgeraten spitzbübisch aufgelegten Hofnarren Infant der Familie Ernst von Weizsäcker betitelt.

Ist es der Zauber des wohlgeratenen Hofnarren der Familie Ernst von Weizsäcker, der lebenslang im Gewande des ewigen Repräsentanten, im Hochamt des Kaisers, Königs, Präsidenten Richard I, volksnah nicht nur von Wolfgang Neuss berlinernd

„Richie“

gerufen, wie selbstredend und selbstverständlich ohne weitere Worte, Fragen und Antworten, in uneingeschränkter Solidarität der neuen Demokratie in Deutschland dienen will und kann, wie einst sein Vater Ernst von Weizsäcker selbstverständlich dem NS- Regime dienen konnte und wollte, weil es das heilige wie eilig eherne Gesetz der Weizsäcker Dynastie befahl und weiterhin zum Wohl des Deutschen Volkes, Europas, der Welt befiehlt?

Vater Ernst von Weizsäcker fand sich selbstverständlich 1919 bereit, einen der Mörder von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kapitänleutnant Horst von Pflugk- Harttung und mit ihm die Liquidierung vorhandener Personal- Potentiale der gerade ausgerufenen neuen Deutschen Parlamentarischen Demokratie illoyal, zu decken und unverbrüchlich "Stillschweigen garantiernd" zur Flucht zu raten.

Richard von Weizsäcker selber verfällt noch heute in diese aristokratisch herrschaftlich hochfahrend schnarrende Offiziers Casino Tonlage, wenn es um den vermeintlich, wie wirklichen Knebelvertrag von Versailles im Juni 1919 geht:

"Dieser Vertrag da aus den Vororten von Paris!"

Diesen gutsherrlich schneidigen Zungenschlag habe ich lange nicht mehr so ungefiltert vernommen, wie in dieser ARD- Dokumentation über und mit Richard von Weizsäcker.

Das alles mindert ohne jeden Zweifel keinesfalls die vorhandenen und weiter wirkenden Verdienste des Bundespräsidenten a. D. Richard von Weizsäcker seit seiner bis heute viel beachteten und ergreifenden Rede im Deutschen Bundestag am 8. Mai 1985 im Gedenken an die Bedingungslose Kapitulation des Dritten Deutschen Reiches vom 08. Mai 1945.

Gleichwohl liegt auch unter dem Dach des Vorlaufs dieser berühmten Rede Richard von Weizsäckers für jene ein Ach, die den Einlassungen des Privatsekretärs des Regierenden Bürgermeisters Westberlins, Richard von Weizsäckers (1981- 1984), dann Pressereferenten des gleichnamigen Bundespräsidenten (1984- 1994), Friedbert Pflüger, Glauben schenken.

Friedbert Pflüger behauptet bis heute unwidersprochen öffentlich, Bundespräsident Richard von Weizsäckers legendäre Rede sei im Jahre 1985 nur deshalb so versöhnlich Richtung Siegermächte ausgefallen, weil Richard von Weizsäcker gegenüber der Familie Rudolf Hess in dunkel gefühlter Pflicht gestanden habe, Rudolf Hess im Wege eines Deals mit den einstigen Siegermächten aus der Spandauer Festungshaft zu befreien.

Ein Teil dieses Deals im beharrlichen Verständnis Richard von Weizsäckers sei der versöhnliche Bestandteil seiner Rede am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag gewesen. Der andere brenzlige Bestandteil dieser Rede sei die öffentliche Forderung Bundespräsident Richard von Weizsäckers an die Siegermächte im Alliierten Hohen Rat in Berlin gewesen, Rudolf Hess endlich aus der Spandauer Festungshaft zu entlassen.

Friedbert Pflüger schildert in seinem 2010 erschienenen Buch

http://www.perlentaucher.de/buch/friedbert-pflueger/richard-von-weizsaecker.html

Friedbert Pflüger „Richard von Weizsäcker. Mit der Macht der Moral“

Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2010

ISBN 9783421044457

Gebunden, 288 Seiten, 19,95 EUR

eindringlich, welchen Aufwand an Mühen und Zeit es ihn u.a. Mitarbeiter/innen im Bundespräsidialamt damals gekostet hat, Bundespräsident Richard von Weizsäcker von dieser heillosen Idee des Angebot eines Deals an die Siegermächte in öffentlicher Rede abzubringen.

Schlussendlich sei es ihnen im letzten Moment mit dem Ergebnis gelungen, dass die Rede Bundespräsident Richard von Weizsäckers trotz fehlendem Angebots eines Deals hinreichend versöhnlich ausfiel.

Auf diplomatisch nicht öffentlichem Wege hatte dieses Ansinnen, aus humanitären Beweggründen, die Befreiung Rudolf Hess aus der Festungshaft in Verantwortung der einstigen Alliierten zu betreiben. so unterschiedliche Persönlichkeiten, wie Konrad Adenauer, Willy Brandt, Hans- Georg Kiesinger, Walter Scheel, Helmut Kohl, vergeblich unternommen.

Von Helmut Schmidt sind solche Befreiungsversuche Rudolf Hess, der sich im Jahre 1987, 92- jährig, in seiner Zelle selbst erhängt haben soll, bisher nicht bekannt

Im Rückblick ist allerdings zu sagen, eine solche repräsentativ gehaltenen Rede war längst überfällig und hat selbst damals im Jahre 1985 nicht dazu geführt, dass die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften als Rechtsnachfolger der (Deutschen Arbeitsfront im Dritten Reich, Kirchen, Kommunen als Nutznießer von angeforderten, zugewiesenen Zwangsarbeitern aus allen vom Deutschen Reich besetzten Teilen Europas während des Zweiten Weltkrieges einen Entschädigungsfond für den Personenkreis der noch lebenden Zwangsarbeiter oder deren Hinterbliebenen aufgelegt hätten.

Das geschah erst, voller bürokratischer Haken und Ösen für die Opfer, samt unsäglicher Verschleppungstaktiken auf der politischen Schiene, auf massiven Druck von Sammelklagen aus den USA im Jahre 1997 unter der mühseligen Moderation von Otto Graf Lambsdorff.

Richard von Weizsäcker ist das lebende Beispiel, wie sich unter dem Eise des Kalten Krieges, auf eine Zimmertemperatur von 17 Grad Celsius herunter, wie hoch geregelt, nicht zwingend, Prägungen der Altvordern verfestigen, sondern, siehe Perestroika, Glasnost, urbi et orbi et gorbi, überraschend nachhaltig belastbar, der Zeitgeist zu neuen Prägungen einlädt.

Für einen lebenslang

"Tanzenden Krieger“

für die Völkerverständigung, die Einheit Deutschlands, Europas, den Frieden in der Welt wie Richard von Weizsäcker, ist das Wort Liebe als ein Ganzes nicht existent, weil er allem und jedem ein Stückchen Liebe zuzuordnen bzw. abzuringen gedenkt.

Zeit für Selbstreflektion ist solch einem "Tanzenden Krieger" der Versöhnung, des Friedens, der Entwicklung, wie Richard von Weizsäcker, den Blick als „Belasteter“ fest auf Ziele am fernen Horizont zugewandt, sich selber insgeheim gerichtet, persönlich nicht gegeben.

Äußerungen wie 1989 nach dem Berliner Mauerfall:

"..in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen..."

klingen in der Tonlage Richard von Weizsäcker friedensstiftend, obgleich diese Äußerung inhaltlich nicht ganz frei von einer angedeuteten Klage wie Drohung ist:

"Frieden in der Welt kann es nur geben, wenn Europa vereint ist!".

Oder die Äußerung Richard von Weizsäckers zum selben Anlass 1989:

"Der Aufbruch der bewegten Bürger/innen in der DDR führte zur Befreiung von erzwungener Lüge"

klingt aus anderem Munde, wie ein nacheilendes Alibi für eine vierzigjährig systemübergreifende Gesellschaftslüge, während

Richard von Weizsäcker seine Lebenslüge, ein

"Auskunft gebender Zeitzeuge" von hohen Graden zu sein, weiter nährt, auch wenn er sich insgeheim eine Befreiung von eben dieser „Lebenslüge“, der Geiselnahme seines persönlichen Lebens, von Dritter Seite zutiefst und innig ersehnt?

In Japan lässt Richard von Weizsäcker sich zu dem lockeren Spruch über den ehemaligen Weltbank- Präsidenten Robert Wolwowitz aus den USA von Sandra Maischberger hinreißen:

"Der habe nicht nur ein Loch in der Socke, sondern auch im Kopf!".

Das klingt irgendwie bei günstiger Gelegenheit einer bestimmten Weltlage nach standrechtlicher Erschießung wg. eines Lochs in der Socke!, oder?

Dass Richard von Weizsäcker den ehemaligen Weltbank- Präsidenten Robert Wolwowitz nicht mag, finde ich übrigens sympathisch.

Und doch.

Es steht zu fürchten, dass dieser, gewitzt gemeinte, lockere Spruch Richard von Weizsäckers weniger über den ehemaligen Kurzzeit- Weltbank- Präsidenten Wolwowitz aus den USA aussagt, denn über Richard von Weizsäcker selber, wenn es um seine persönliche Erinnerungskultur als Zeitzeuge von eigenen Gnaden geht.

Darin ist Richard von Weizsäcker, der am 15. April 2013 dreiundneunzig Jahre alt wurde, vermutlich, wenig fleißig, seine Erinnerungen konkretisiert aufzufrischen, wie er dies an anderer Stelle von sich, im Vergleich mit dem Fleiß des Altkanzler Helmut Schmidt, ganzheitlich meint.

Seine Fähigkeit zur Verdrängung, wird ihm in dieser Dokumentation von einem seiner Söhne sogar als Verdienst, ja als Talent zum gesunden. Leben im „Hier und Jetzt“ bescheinigt.

Solche direkten Fragen verbieten sich gegenüber Richard von Weizsäcker weiterhin, durch ihm nahe stehende Freunde/innen in der familie, den Medien, der Politik, der Wirtschaft, voran des Chemie- und Pharmakonzern Boehringer, bei dem Richie gearbeitet hat, der Kirchen, abgeschirmt, Anfragen vorab gebrieft, wie von selbst.

Eine kaum merklich, aber spürbar unterdrückte Erschütterung ist bei Richard von Weizsäcker zu registrieren, als er in der ARD- Dokumentation auf die Frage von Sandra Maischberger, wie und wann er als Kind Schwimmen gelernt habe, antwortet:

"Das sei 1928 auf einem Sommerurlaub in Südtirol passiert, da habe sein Vater ihn als achtjährigen Jungen ohne Schwimmweste auf einen See in tieferes Wasser mit genommen, um ihm dann, nicht abgesprochen, zu verkünden;

"Jetzt musst Du alleine bis zum Ufer zurück schwimmen".

Da habe der achtjährige Richard voller Bangen gesagt:

"Aber Papa!, ich kann doch gar nicht schwimmen!"

Worauf sein Vater geantwortet habe:

"Wenn Du nicht schwimmst, holen Dich die Ungeheuer des Sees und fressen Dich auf".

Das sei doch irgendwie brutal von seinem Vater gegenüber der bangen Seele seines achtjährigen Sohnes Richards gewesen.

Inzwischen wurde im Wege der Veröffentlichung der Dokumentation

„Das Amt“,

von Außenminister Joschka Fischer im Jahre 2005 in Auftrag gegeben, bekannt, dass Ernst von Weizsäcker die Ausbürgerung Thomas Manns wg. angeblich feindseliger Äußerungen gegen das Deutsche Reich im Mai 1936 in die Wege geleitet hatte:

Erlass zur Ausbürgerung Thomas Manns:

„Feindselige Propaganda gegen das Reich”Der Brief Ernst von Weizäckers vom Mai 1936, der die Ausbürgerung Thomas Manns in die Wege leitet.

In einem Gespräch mit dem Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher erklärt Richard von Weizsäcker auf die Frage:

„……Ihr Vater schrieb, Thomas Mann habe sich der „feindseligen Propaganda gegen das Reich im Ausland“ schuldig gemacht. Wussten Sie davon?“

Richard von Weizsäcker:

"Worum es meinem Vater ging, das war Friedenspolitik hinter dem Rücken Ribbentrops und Hitlers und persönliche Hilfe für Verfolgte, wo möglich."

„Nein, davon (Ernst von Weizsäcker leitete 1936 Thomas Manns Ausbürgerung ein) habe ich erst jetzt durch dieses Buch erfahren. Ich war damals fünfzehn Jahre alt. Zur Literatur ist zu sagen: Wir haben wohl einige politische Stellungnahmen Thomas Manns, vor allem aus der Zeit der „Betrachtungen eines Unpolitischen“, nicht für seine stärkste Seite gehalten. Aber sein Riesenwerk „Joseph und seine Brüder“ haben wir immer als genial empfunden.“

Frank Schirrmacher:

„Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit jüdischen Mitbürgern gemacht?“

Richard von Weizsäcker:

„Ich habe 1937 mein Abitur an einem humanistischen Gymnasium in Berlin gemacht, die Hälfte meiner Mitschüler waren Juden. Wir waren normal und eng miteinander verbunden. Unsere Lehrer gaben sich große Mühe, den Charakteren und Leistungen der jüdischen Schüler voll und ganz gerecht zu werden.“

Bei anderer Gelegenheit hatte Richard von Weizsäcker historisch sündenstolz in etwa zum Besten gegeben:

„Er habe damals am 9. November 1938 als 18 jähriger Schüler in Berlin während der Reichspogromtage erlebt, wie eine große Zahl von Menschen in einem jüdischen Tabak- du Pfeifengeschäft aus einem zertrümmerten Schaufenster Zigarettenpackungen, Pfeifen, plündernd, auf die Straße geworfen habe, ohne dass die herbeigerufene Polizei eingriff.

Er habe sich nicht an der Plünderung beteiligt, aber doch einer vollen Zigarettenschachtel, die auf der Straße gelandet war, gezielt einen gekonnt kräftigen Kick gegeben, um diese dann weit entfernt von dem jüdischen Laden für sich vom Bürgersteig auf zu klauben und sich selber schnurstracks davon zu machen“

So betrachtet war Richard von Weizsäcker damals als 18 Jähriger in seinem jugendlichen Verständnis nicht antisemitisch, aber durchaus kleinkriminell, wie viele, bei günstiger Gelegenheit, unterwegs.

Spätestens hier zeigt sich in der Fragetechnik Frank Schirrmachers während seines Gesprächs mit dem Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker die Kontinuität einer bestimmten selektiven Wahrnehmung der Geschichte seit Joachim Fest, der nicht nur Herausgeber der FAZ war, sondern der von dem Verleger Jobst Siedler erlesen auserkorene Autor der ersten deutschen Adolf Hitler Biografie war, deren Quelle in einigen wichtigen Teilen ausgerechnet, der Vater von Richard von Weizsäcker, der AA- Diplomat Ernst von Weizsäcker war.

Das ganze Gespräch siehe:

www.faz.net/s/RubB8A1F85C9BA549618318CE82246337B9/Doc~EFAA0DA10419D47BD80C8021665

Im Gespräch:

„Richard von Weizsäcker Es geht hier nicht um meinen Vater“

Richard von Weizsäcker betont in diesem Gespräch mit Frank Schirrmacher, nachdem endlich, dank des Außenministers Joschka Fischer eine belastbare Dokumentation über „Das Amt“ vorliegt, das Amt sei nicht Sache seines Vaters gewesen.

Richard von Weizsäcker ist sich, in diesem Gespräch alarmiert, für eine solche Finessen, solche unhaltbare Durchstecherei nicht zu schade, nachdem sein Vater Ernst von Weizsäcker jahrzehntelang „Das Amt“, geschichtsvergessen, aber faktenreich mit einem Nimbus der Unanfechtbarkeit heimlichen Heldentums des Widerstands gegen das NS- Regime erfolgreich umrankt hatte.

Richard von Weizsäcker ist bis heute nicht als Zeitzeuge in Erscheinung getreten, der die Öffnung der Archive des Auswärtigen Amtes zur wissenschaftlichen Forschung gefördert, gefordert, geschweige denn das persönliche Archiv seines Vaters Ernst von Weizsäcker der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hätte.

Richard von Weizsäcker hat als Zeitzeuge in der Weise von sich wunderlich Reden gemacht, dass er einerseits davon berichtet, dass Seinesgleichen damals im Dritten Reich, voran sein Vater Ernst von Weizsäcker (bekennender Angehöriger der SS), Juden aus reiner Sympathie und Menschenliebe nahe gelegt hätten, frühzeitig, außerhalb des Geltungsbereichs des Dritten Reichs, das Weite im Ausland zu suchen, um Leib, Seele, gar Teile des Vermögens, vorher käuflich veräußernd, zu retten.

Andererseits aber im Brustton unerschütterlicher Überzeugung verkündet, seine Familie habe von den Konzentrations- , gar Vernichtungslagern des NS- Terror- Regimes erst nach 1945 wie viele andere aus der Zeitung erfahren.

Selbst noch in dem aus dem jahre 2010 vorliegenden Gespräch der FAZ mit Richard von Weizsäcker und Frank Schirrmacher klingt ein ungeheuerlicher Unterton an, wenn Richard von Weizsäcker bekundet, dass sein Vater, Ernst von Weizsäcker 1936 Thomas Manns Ausbürgerung eingeleitet hat, habe er erst jetzt durch das vorliegende Buch „Das Amt“ erfahren, gleichzeitig aber merkwürdig „unscharf“ beiläufig einen Ton anschlägt, als gebe es auch Gründe für Thomas Manns Ausbürgerung, samt Enteignung dessen Vermögens durch das Dritte Reich:

„Wir haben wohl einige politische Stellungnahmen Thomas Manns, vor allem aus der Zeit der „Betrachtungen eines Unpolitischen“, nicht für seine stärkste Seite gehalten. Aber sein Riesenwerk „Joseph und seine Brüder“ haben wir immer als genial empfunden.“

JP

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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