"Dunkles wird ins Helle fallen"

Adventslied 1938 "Die Nacht ist vorgedrungen" - Erinnerung an Jochen Klepper (22. März 1903 - 11. Dezember 1942)

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Jochen Klepper war einer, der nicht wirklich sichtbar half, nicht wirklich widerständig mittun mochte, auch nicht in schrecklicher Zeit, von düsteren Mächten, dunkler Zukunft umgeben, weil er einfach von seinem inneren Gemütshaushalt her nicht helfen konnte, außer und das ist beileibe nicht gering zu achten, mit dem Stiften, Dichten, Singen, den Klängen geistlicher Lieder und Texte.

Gnade und Güte an Hilfe war Jochen Klepper selber zeit seines Lebens nie zuteil geworden - dennoch stand ihm sein Innerer Sinn und Bote danach vom Licht, von guten Mächten, einem bergenden, einem rettenden Gott zu künden, zu reden, zu schreiben, zu dichten und zu singen.

Jochen Klepper hat mit seinen geistlichen Liedern in den christlichen Gesangbüchern unverkennbar seinen Abdruck hinterlassen und immer geht es ihm dabei um das Bemühen, diese kräftezehrende Spannung zwischen Hoffen und Hoffnungslosigkeit, nach außen scheinbar unbewegt, ungerührt, widerstandlos, in sein und das Schicksal seiner Familie ergeben, als Weg des Kreuzes, klaglos, auszuhalten.

Darin war Jochen Klepper seinem Bruder im Glauben Friedrich Bonhoeffer, fundamental, seelenverwandt, auch wenn Jochen Klepper dessen Beispiel eines mutigen Eintretens für die Thesen der Bekennenden Kirche nicht zu folgen vermochte.

Im Fünften Jahr der Schreckenszeit des Nationalsozialismus veröffentlichte Jochen Klepper 1938 seine

“geistlichen Lieder",

Kyrie, unter denen sich auffallend viele Advent- und Weihnachtslieder finden (20. unveränd. Auflage, Luther-Verlag, Bielefeld 1998). Eines davon ist “Die Nacht ist vorgedrungen", von Johannes Petzold (1912-1985) 1939 vertont.

Es ist Jochen Kleppers letztes Advent- und Weihnachtslied. Er hat es in einer Zeit geschrieben, die für seine jüdische Frau Johanna (Hanni), deren Tochter aus erster Ehe Renate (Reni) und für ihn selbst schon äußerst bedrohlich war.

Um der Verhaftung, KZ und Ermordung zu entgehen, hat die Rest- Familie Jochen und Johanna Klepper schließlich in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 den Weg in den Tod gewählt.

Geboren am 22. März 1903 im niederschlesischen Beuthen an der Oder, entstammt Jochen Klepper einem evangelischen Pfarrhaus.

In Breslau und Erlangen studiert er Theologie, wegen seiner, angegriffen, labilen Gesundheit schließt Jochen Klepper aber sein begonnenes Studium nicht zur Gänze ab. Stattdessen geht er in die kirchliche Presse- und Rundfunkarbeit.

1929 lernt er seine spätere Frau, die verwitwete Johanna Stein, geb. Gerstel, kennen, 1931 heiraten sie. Hanni ist Jüdin aus einer alten vornehmen jüdischen Familie und bringt zwei Töchter, Brigitte und Renate, in die Ehe mit.

Die Hochzeit bedeutet zugleich einen Bruch mit dem Elternhaus und der Heimat, die Familie übersiedelt nach Berlin.

Die Gründe dieses Bruchs mit seiner Herkunfstfamilie greift Jochen Klepper in seinen Niederschriften nirgendwo auf.

Die Gründe bleiben im Dunklen und künden vielleicht gerade von seiner Art stummen Inneren Widerstandes mit äußerlich annehmenden Konsequenzen.

In Berlin arbeitet Klepper beim Rundfunk. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird er 1933, seiner Ehe mit einer Jüdin wegen, entlassen.

Jochen Klepper verliert 1935 auch die folgende Anstellung beim Ullstein-Verlag und wird 1937, wg. oben genanntem Grund, aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen.

Jochen Klepper hätte sich retten können, wenn er sich, nach Maßgabe der Ausführungsbestimmungen der Nürnberger Rassengesetze aus dem Jahre 1935 , dem Hans- Maria Globke (späterer Kanzleramtsminister unter Kanzler Konrad Adenauer) Kommentar folgend, von seiner jüdischen Frau und ihren Töchtern getrennt hätte.

Wie wenig das für Jochen Klepper in Frage kam, ist aus einem seiner Tagebucheinträge ersichtlich:

“Das Jüdische hat in meinem Leben zu weiten und tiefen Raum, als dass ich es jetzt nicht in all dem Guten, das immer noch über meinem Leben reichlich bleibt, sehr leiden müsste. Denn mir ist, als gäbe die Heilsgeschichte der Juden der Weltgeschichte den Sinn" (Tagebucheintragung, 27. März 1933).

1937 erscheint Jochen Kleppers großarig konstruierter Roman

“Der Vater"

und wird zum Bestseller. Dieses Buch war mutmaßlich unwillentlich "unanfechtbar" darauf angelegt, Jochen Klepper persönlich einen gewissen Schutz in nationalsozialistischer Zeit zu bieten.

Jochen Klepper beschreibt in diesem Roman das Leben des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I., einem König, der anscheinend nur das Beste für sein Volk gewollt und unter dessen Unfolgsamkeit gelitten habe.

Den nationalsozialistischen Ideologen konnte die in diesem Buch enthaltene Obrigkeitshörigkeit, samt vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem "König" nur recht sein, auch wenn der Kontext in diesem Buch ganz anders unterwegs war, nämlich deutsch- national monarchistisch.

Letzendlich bot selbst die Prominenz dieses Romans "Der Vater" Jochen Klepper und seiner Familie, anders als gedacht, keinen Schutz, denn die NS- Ideologen hatten, im Unterschied zum katholisch- faschistischen Franco- Regime in Spanien, auf dem Weg in den Zweiten Weltkrieg, die "Endlösung der Judenfrage" in Europa, alles andere, denn die Wiederherstellung der Monarchie im Deutschen Reich im Sinn.

Kaiser Wilhelm II ist dann ja auch, von den Nazis, zwar höflich hofiert, im Grunde aber isoliert, ignoriert, nahezu unbeachtet in seinem Exil in Dorn/Niederlande im Jahr 1941 verstorben.

Seine letzten Worte sollen gewesen sein "Ich sinke"

Jochen Kleppers konservativ-lutherisches, protestantisch-preußisches Staatsverständnis hinderte ihn, sich nach außen sichtbar vom Nationalsozialismus zu distanzieren und in den Widerstand zu gehen.

Jochen Klepper verlegte sich ganz auf seinen besonderen Inneren Widerstand, indem er geistliche Texte, Liederzeilen verfaßte, die vom Leiden in dunkler Zeit kündeten, die als angenommenes Schicksal, dem Licht entgegen, durchschritten sein wollte, als gäbe es, dem Heraufdämmern der Zukunft zugewandt, keinen wirklichen Unterschied zwischen Tätern nd Opfern?

Jochen Klepper ließ dabei, befragt, Niemanden über seinen Umut im Unklaren, dass er die religiöse Überhöhung der Führerfigur Adolf Hitlers und seiner Satrapen im Nationalsozialismus für ein Unglück hielt, das dem stalinistischen Götzendienst in der UdSSR nicht unähnlich sei.

Nach dem 9. November Pogrom von 1938 wuchs die Gefahr der Verfolgung, der Nachstellungen durch das NS- Regime für seine Frau und insbesondere für deren beiden Töchter immens.

Brigitte emigrierte im Frühjahr 1939 nach England. Renate (Reni) konnte sich ebenso wenig von den Eltern trennen, wie diese von ihr.

Ab Dezember 1940 wird Jochen Klepper Soldat eingezogen und macht Feldzüge am Balkan und in die Ukraine mit.

Am 22. September 1941, genau drei Monate auf den Tag nach dem Losbrechen des verbrecherischen Unternehmens "Barbarossa" gegen die UdSSR am 22. Juni 1941, wird Jochen Klepper, seiner Ehe mit einer Jüdin wegen, als “wehrunwürdig" vom Dienst an der Waffe für Führer, Volk und Vaterland supendiert.

Die Tagebuchaufzeichnungen geben erschütternden Aufschluss über die Ängste und Sorgen, die die ständig bedrohte Familie durchmacht.

Eine Emigration in die Schweiz scheint, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich.

Da hatte am 5. Dezember 1942 Schweden endlich die Einreiseerlaubnis für Tochter Renate erteilt.

Nun hängt es nur noch von Adolf Eichmann im Berliner Reichssicherheitshauptamt der GESTAPO ab, ob Renate fahren kann.

Am 9. Dezember verzeichnet Jochen Klepper in seinen Tagebuchnotizen:

“Eichmann: ‘Ich habe noch nicht mein endgültiges Ja gesagt.' Aber ich denke, die Sache wird klappen."

Am 10. Dezember 1942, es ist Donnerstag, hat Jochen Klepper den Termin bei Adolf Eichmann und soll dessen endgültigen Bescheid abholen.

Wie die Antwort damals, vor siebzig Jahren, am 10. Dezember 1942 ausgefallen ist, bleibt im Dunklen. Im Nachlass der Familie Klepper wurde kein amtlicher Bescheid Adolf Eichmanns entdeckt

Hatten die Eheleute Klepper vielleicht, vergeblich, gehoftt, als Eltern ihrer Tochter Renate, diese bei der Ausreise nach Schweden fürsorglich begleiten zu dürfen?

Hatte die Tochter Renate genau an diese amtliche Zusage, dass ihre Eltern sie begleiten werden, ihre Einwilligung zur Ausreise nach Schweden geknüpft?

Die letzte Tagebucheintragung Jochen Kleppers an diesem Tag, dem 10. Dezember 1942, lautet:

“Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun - ach, auch das steht bei Gott. Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der uns trägt. In dessen Anblick endet unser Leben."


Die Tagebuchaufzeichnungen Jochen Kleppers wurden 1956 von Hildegard Klepper, seiner Schwester, herausgegeben: "Unter dem Schatten deiner Flügel", Jochen Klepper - Aus den Tagebüchern der Jahre 1932-1942", Neuausgabe des Brunnen-Verlags, Giessen, 2002


http://www.youtube.com/watch?v=18cBsAxx1Hs


"Die Nacht ist vorgedrungen"
Jochen Klepper, 1938 (1903-1942)


1. Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.



2. Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

3. Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.


4. Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

5. Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht."

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/religionen/1943711/
08.12.2012 · 16:05 Uhr

Die Stimme der geistlichen Dichtung im 20. Jahrhundert
Ralph Ludwig: "Jochen Klepper"

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden