Freier Zugang in Berliner Dom, Nikolaikirche, Hagia Sophia/Istanbul?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Freier Zugang in Berliner Dom, Nikolaikirche, Hagia Sophia in Istanbul?

Freier Stille- und Gebets-Zugang in Berliner Dom, Nikolaikirche, die Hagia Sophia in Istanbul?

Ein christlich-orthodoxer Verein aus den USA will heutigen Freitag einen Gottesdienst in der Istanbuler Hagia Sophia zelebrieren.

Religiöse Zeremonien sind dort in der Hagia Sophia seit 75 Jahren im Wege der Säkularisierung der Türkei durch Kemal Atatürk 1935 untersagt worden.

Selbst muslimische Gruppen haben bisher vergeblich versucht, wenigstens eine Tag während des Ramadan (Islamische Fastenzeit) die Hagia Sophia für offiziell ordentlich angemeldete Gottesdienste nutzen zu können.

Trotz und wegen all dem kündigte die Gruppe „Free Agia Sophia Council of America“ nicht nur ihre Forderung nach einem Gottesdienst in Hagia Sophia in einem Brief an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan an, sondern fordert darüber hinaus den Rückbau der Hagia Sophia in eine christlich- orthodoxe Basilika.

Kopien dieses Schreibens der Gruppe „Free Agia Sophia Council of America“ gingen auch an die Vereinten Nationen und die Europäische Union.

Türkischen Presseberichten vom Donnerstag zufolge berieten die Regierungen in Ankara, Athen und Washington bereits, wie die Aktion und die zu erwartenden Proteste zu verhindern sind.

Das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel distanzierte sich von dieser Aktion der Gruppe „Free Agia Sophia Council of America“.

Die ursprünglich im vierten Jahrhundert erbaute Hagia Sophia von Konstantinopel gehörte über 1.000 Jahre zu den wichtigsten Kirchen der Christenheit; sie war Krönungskirche der byzantinischen Kaiser. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wurde sie zur Moschee umgewidmet; mittlerweile ist die Hagia Sophia seit 1935 Kulturdenkmal und Museum.

Die Zeitung "Milliyet" berichtete, die Regierungen in Ankara, Washington und Athen stünden wegen des Plans der US-Christen miteinander in Kontakt. Die Gruppe selbst sei zwar nicht ernst zu nehmen, doch könnten türkische Nationalisten das Vorhaben zum Anlass für Proteste gegen die kleine christliche Minderheit im Land nehmen.

Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei nach dem Untergang des Osmanischen Reiches zum Ende des Ersten Weltkrieges, mag zwar als Gegenentwurf zum Kirchen- und Gottesstaat den laizistischen Staat als Gottesersatz, wenn auch überausrigide und militant, Erfolg versprechend aus der Taufe gehoben haben.

Die Integration des Sinnens & Trachtens der Menschen nach Spiritualität und alltäglicher Transzendenz im Gauben und seinen vorgeschriebenen Regeln in einer Zivilgesellschaft der Türkei sieht anders aus.

Die Türkei scheint klerikal wie säkular so weit weg.

Und doch sind Parallelen mit der Hagia Sophia in Istanbul und dem Berliner Dom, der Berliner Nikolaikirche im Nikolai- Stadtteil von Berlin vorstellbar zu ziehen.

Alle drei, Hagia Sophia in Istanbul, der Berliner Dom, der Nikolaikirche im Nikolai- Stadtteil von Berlin, wurden, aus welchen unterschiedlichen Beweggründen auch immer, partiell oder absolut als geweihte Gottesdienststätten entpflichtet, zu reinen Museen, Kulturdenkmälern erklärt.

Der Zugang zum. von allen Bürgern/innen, unabhängig von ihrem Glauben, Nicht- Glauben, steuerlich subventionierten Berliner Dom ist nicht mehr frei, ist nur noch, wie in der Berliner Nikolaikirche als Museum und Kulturdenkmal über ein beachtliches Eintrittsgeld möglich.

Nur zu bestimmten Zeiten ist der Berliner Dom nach wie vor wochentags eine Gemeindekirche unter Leitung eines Gemeindekirchenrates, die

werktags um 12.00 und um 18.00 Uhr Andachten,

sonn-und feiertags um 10.00 und um 18.00 Gottesdienste anbietet,

zu denen der Eintritt bisher frei weiter frei ist.

Passt das noch in eine Debatte um Integration ganz unterschiedlichem, gottesnaher wie gottesferner Spiritualität, Verlangen nach Meditationszentren, Stille- , Andachts-Räumen,Kirchen, Basilika, Pagoden, Synagogen, Moscheen, Münstern, Domen,gleich welcher Konfessionen in unserer Zivilgesellschaft?

Wer will denn heute noch wirklich Staat machen, außer sich bei Gelegenheit und gelungener Verdunklug mit dem Vermögen der gesammelten Kapitalstöcke davon zu machen?

Sind Kirchen, gleich welcher Gottesfarbe, wirklich noch Konkurrenten, Mitbewerber bei der Bildung von Staatswesen, wie dies offensichtlich nicht nur der Gründer der so genannten modernen Türkei, Kemal Atatürk, nach dem Ersten Weltkrieg

„Auf Teufel und Militär heraus“

befürchtet?

Deshalb die Frage:

„Brauchen wir in unserer Zivilgesellschaft der Vielstimmigkeit des Reichtums der Vielfalt an Spiritualität und Kirchen- und Religionszugehörigkeit Freien Stille- und Gebets-Zugang für den Berliner Dom,

die Nikolaikirche zu Berlin,

die Hagia Sophia in Istanbul

und andernorts in der Welt?“

JP

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden