Mensch Harry!, nun haste dir verfatzt

Nachruf Am Montagabend ist Harry Rowohlt, geboren am 27. März 1945 in Hamburg, im Hamburger Stadtteil Eppendorf verstorben.

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Fiktiver Prolog:

- "Hattest Du Dich nicht an Dein Leben so gewöhnt, egal in welcher Lage Du Dich gerade befunden hast, zuletzt gar untauglich für die Lindenstraße in Deiner Dauerbrenner Understatement Star- Rolle als Hamburg Eppendorfer Edel- Schlunz und - Penner vom Kiez?, selbst noch im Rollstuhl als "berufener" Stubenhocker mit schwarzem Humor, bssigem Witz, , dass Du Dich im legendären Fragebogen der faz, gar nicht bescheiden, einfach "So als ob" für unsterblich erklärt hast?

Hast Du Dich nicht, Jahrgang 1945, zum "rotzfrechen" Prototyp, vollbärtig, offen wie eine zuschlagende Drehtür für mehr und mehr Murx statt Marx, leiber krass als Günter Grass, mit Löwenmähne aller Nachkriegskinder erkoren, die als Notbrut und Ausgeburt derer galten, vor denen unsere Eltern uns schalten, heftig waltend, immer und immer wieder vergeblich warnten?, weil wir, hüben und drüben, hin und zurück, Mauerbau, Mauefall und andere Fälle, wurden, wie wir sind?

Hast Du nicht noch am 27. März 2015 zu Deinem 70. Geburtstag, der ins Wasser fiel, den einen oder anderen Freund, z. B. den Ralf Sotscheck u. a. Weggefährten auf Deinen 80. Geburtstag im St. Pauli Reeperbahn Trockendock geladen und schelmisch vertröstet?
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Wenn ja, wie kannst Du da mit gerade einmal "schlapplach" siebzig Jahren von Deiner Lebensfahne gehen, die Welt von nun an unten zu besehen?

Jetzt sieht das doch so aus, als ob Du zu Deinem 80. Geburtstag nicht geladen, sondern alle Freunde, Weggefährten als unverbesserlicher Eulenspiegel Schelm und Harvestehuder Spaßvogel in Eppendorf verladen hast!, oder?

Schwamm drüber!

Ich bin ja nicht nachtragend.

Mit Dir ist es, wie mit den Moneten der Proleten, die sind selten da, wo es hingehören, auf keinen Fall aber weg.

Harry!, Du bist auch nicht weg, Du bist halt nur woanders." ( Prolog Ende ) -

Harry Rowohlt hatte seinem Hamburger Freund Ralf Sotscheck am 27. März 2015 zu seinem 80. Geburtstag ein großes Fest auf sein Wort in die "Hand" versprochen.

Am Montagabend ist Harry Rowohlt, geboren am 27. März 1945 in Hamburg- Harvestehude, nebenan im Hamburger Stadtteil Eppendorf verstorben.

Als ein Erbe des Rowohlt Verlages, wollte Harry Rowohlt doch lebenslang, ums Verrecken niemals nachfolgender Verleger sein, auch wenn er das Handwerk des Verlegers, uerst beim Suhrkamp Verlag, dann als Voluntär bei seinem Vater Ernst Rowohlt von der Pieke auf gelernt hatte.

tand er doch als "revolutionäres" Arbeitstier, Irish Whiskey war sein suchttreibendes Elexier, um auf Betriebstemperatur zu gelangen und zu verweilen.

Joachim Ringelnatz, Geburtsname Hans Bötticher (1883- 1934), war dem Rowohlt Verlag als Proleten Poet und Artist statt Dichter verbunden und meinte zu seinem Honorar einmal, für zwei Glas Wein, die ich am Abend vor- und nachtragend trinke, bekomme ich, wenn es gut läuft, 200 Reichsmark/Glas.

Solche Sorgen und Not ums tägliche Brot, trieben Harry Rowohlt lebenslang als Zauseschopf, anders als Joachim Ringelnatz mit seiner Frau mit dem Kosenamen Muschelkalk, nicht um.

Harry Rowohlt brachte selber seine eigene Irish Edelamerken Whiskey Flasche zu seinen Lesungen mit und veranstaltete sein öffentliches Schau- Saufen und - Barzen in Lesungen, Performance Veranstaltungen, solange es der Raubbau an seinem Körper zulließ.

Das hatte den Spaßvogel Wirklichkeitsgehalt des Wahnsinns fette Beute einer Publikumsfrotzelei

"Wenn euch das Bier zu teuer ist, sauft Irish Whiskey!"

In Anlehnung an den aristokratzischen Brauch zu Versailles und andernortsa bis zur Französischen Revoluiton 1789, täglich für das darbend notleidende Volk ein monarchistisches

"Schau- Fressen"

zum Besten zu geben und von der königlichen Terrasse, Kuchenkrümel schmeißend, zu rufen:

"Wenn ihr kein Brot habt, fresst doch einfach Kuchen wie wir"

Dabei verlegte Harry sich, also doch Verleger, ganz im Stil und Habitus eines Joachim Ringelnatz artistisch auf gedanklich congeniale Ab- und Auschweifungen, auf der Bühne, dem Podium grandios hin- und herschwankend, ohne zur Rampensau zu schrumpfen und vor allem ohne wirklich den roten Faden zu verlieren.

Schade eigentlich, dass Harry Rowohlt vom Regisseur Hans W. Geißendörfer in der Dauer- Serie Lindenstraße so auf die Rolle des Eppendofer Schluntz und Penners ohne Chance auf Entwicklung festgelegt war.

Anders als Joachim Ringelnatz neigte Harry Rowohlt nicht dazu, in seiner Performance von der Bühne aus hinein ins Publikum urplötzlich mit einer bestimmten Person schlagende Seemannsgarn Verbindeungen einzugehen

Sowohl Joachim Ringelnatz als auch Harry Rowohlt erschließem sich als Person dem gewogenen Leser am ehesten als Kulturphänomen ihrer jeweiligen Epoche.

In beider Seele Grundsee lässt sich, oszelierend, hoch und herunter pendelnde Traurigkeit, ein unstillbarer Weltenschmerz generationsübergreifender Kriegstraumata erahnen. der danach schreit, alltäglich mit Unmengen an Alkohol begossen, ertränkt als Lebensgefühl konserviert zu sein.

Joachim Ringelnatz bringt seine Gemütsverfassung nahezu deckungsgleich zu der Harry Rowohlts in seinem Gedicht auf den Vers und Punkt:

"Vor meinem Kinderporträt"

"Die Augen, die
so wenig sahn vor lauter Poesie."

Beide wolleten lebenslang nicht Prominenz, nicht Dichterfürsten sondern Übersetzer von Alltag, Sprachen in aller Welt und Nebenan sein

Harry Rowohlt, Joachim Ringelnatz trieb dazu noch anderes um, will es mir scheinen, wie Millionen anderer Kriegs- und Nachkriegskinder auf allen fünf Kontinenten nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, die in aller Stille vorhandenen oder lauthalts unterdrückten

"Dialoge mit dem "Inneren Kinde",

Die für Harry Rowohl, Joachim Ringelnatz und sei es durch Dauer- Maskerade, der eine als edel- Schlunz und - Penner, der andere als Ewiger Leichtmatrose, im Alltag geschützt gehört?, wenn ja, wie?

Na klar!, durch eine "uniformierte" Alltags- Mentalität des Sinns, mit dem Entsetzen Spott zu treiben, egal, wie es im Vor- , Nach- , im Kriege isteht, in dem wir uns seit Nine Eleven 2001 ununterbrochen befinden, wie es jetzt ist. bleibt es nicht, es kann nur katastrophaler werden auf Erden, um für kommende Veränderungen, revolutionäre Lagen vor Ort, regional, global mit hohem Erregungspegel allzeit alarmbereit, wie zu Zeiten unter dem furchtbaren Gefreiten, dessen Name ich hier ausdrücklich nicht nenne, im Bombenhagel, Artillerie Granaten,

"Hebt an das Gewehr, den Spaten!"

Stillgestanden in rasendem Reih und Glied, Rührt euch!,

Ein Lied!,

zu bleiben.

Als ein Erbe des Rowohlt Verlages, war er nach dem Verkauf seiner Unternehmensanteile 1980 ein vermögender Zeitgenosse, mit Mitgliedschaft im Wahrheitsclub und Arbeiter- Samariter Bund und blieb doch als Übersetzer in

"Rudi Dutschke Manie"

ein revolutionäres Arbeitstier, das weder Entspannung noch Urlaub kennt. Denn so ein Beruf als "informiert- uniformierter"

"Harry Rowohlt",

war nicht nur abendfüllend, sondern wohl auch eine Berufung rund um die Uhr bis hinein in die Schäume seiner Träume mehr als genug.


Gerade volljährig, gratulierte ihm sein Halbbruder Heinrich Maria Ledig-Rowohlt und schrieb:

„Vor Dir liegen die schönsten Aufgaben im denkbar lohnendsten Beruf.“

Gemeint war der hochangesehene Beruf des Verlegers.

Wozu brauchte Harry Rowohlt den Beruf eines Verlegers, als "Harry" war er sich Beruf genug.

Als Übersetzer von an die 200 Büchern war Harry Rowohlt bald eine über Deutschland, hüben und drüben, hinnaus bekannt hoch gehandelte Marke, die ganze Werbeetats für ein von ihm übersetzes Buch ersetzten


Harry Rowohlt erstes Buch, das er aus dem Englischen ins Deutsche übersetzte, war eine Lektüre für Erwachsene und Kinder

„Die grüne Wolke“

von A. S. Neill, dem "Guru" antiautoritärer Erziehung in England, Australien.

Der Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt hielt das Buch für nicht übersetzbar, Es war unverkennbar im Vierziger-Jahre-Gangster-Amerikanisch Modus geschrieben.

Das focht Harry Rowohlt nicht an. Ganz im Gegenteil, es stachelte seinen Esprit und Ehrgeiz an. Schon hatte er sich ein Wörterbuch des Rotwelschen besorgt und übersetzte Neills Buch.

Und siehe da! Das Buch sprang für Monate auf die Spiegel-Bestsellerliste.

Worauf Harry Rowohlt dabei ungemein stolz war, fast hätte er sich selber geknutscht vor lauter unbändiger Lebenslust, dass dadurch seine Wortfindung „Verfatz dich“ in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch Eingang fand.

Jetzt wird vieles über Harry Rowohlt nach seinem viel zu frühen Ableben geschrieben, gesagt werden.

Ich mache hier erst einmal Schluss, weil mich eine Traurigkeit jener befällt, die übrigbleiben. Bin ich doch, Jahrgang 1944, einer seiner Generationsgenossen/innen.

Persönlich habe ich Harry Rowohlt nie kennengelernt.

In Hamburg- Altona, Stadteil Ottensen haben sich das eine ums andere Mal unsere Wege gekreuzt. Nicht selten knuffte mich meine Frau in der Ottenser Hauptstraße Höhe Spritzenplatz an

"Guck mal, wer da kommt!"

bevor ich, in Gedanken versunken, Harry Rowohlt im Vorbeigehen wahrnahm

Meist wohl reagierte ich mit einem verhalten vorauseilenden Lächeln im Kleide eines nonverbalen "Tschüüüß", um die "zeithistorisch aufgeladene" Begegnungs- Situation eilig hinter mich zu bringen.

Ein Lächeln habe ich bei Harry Rowohlt, Angesicht zu Angesicht, dabei nie erlebt, eher ernst, achtsam mit seinem konzentriert zentrierten Blick hinter seiner Brille habe ich ihn wahrgenommen. Vielleicht auf der Pirsch nach einer Pointe. die die asymmetrische Alltags- Situationskomik erfasst?

Prominenz wollte Harry Rowohlt niemals sein. Mein Beruf ist nicht Prominenz, mein Beruf ist Übersetzer. meinte er, als er als Promi beworben, in einer hochdotierten Promi- Lifestyle- Befragung in Sachen edler Speis und Trank engagiert werden sollte.
JP

P.S. :Im November 2012 traf sich Jakob Augstein mit Harry Rowohlt im Freitag Salon zu einem anregenden Gespräch (s u. ).

http://www.taz.de/!5204372/
Nachruf Harry Rowohlt
16. 6. 2015
RALF SOTSCHECK
„Verfatz dich!“

https://www.freitag.de/autoren/freitag-salon/meine-mutter-war-ein-feger
Jakob Augstein
19.11.2012 | 11:07 9
„Meine Mutter war ein Feger“

Freitag-Salon Harry Rowohlt ist sich gar nicht sicher, ob Herr Rowohlt sein Vater ist. Jakob Augstein rät zur Abstammungsprüfung. Ein Gespräch über Kindheit, Literatur und Politik

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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