Ökonomie der „toten Seelen“

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Ökonomie der „toten Seelen“

Im zaristischen Russland war es zu Zeiten der Leibeigenschaft alter Brauch, dass die Steuereintreiber alle Jahrhunderte einmal, wenn überhaupt,durch das riesige Zarenreich mit bewaffneter Begleittruppentobten, jeden Grund- und Bodenbesitzer nicht etwa nach der Größe seines Anwesens zu besteuern, sondern nach der Anzahl seiner Leibeigenen steuerlich zu veranlagen.

Die Versuche, zaristische Steuerbehörden zu veranlassen, verstorbene Leibeigene aus den Listen der steuerlichen Veranlagung zu streichen, war ein vergebliches Unterfangen.

Folglich zahlten Grund- und Bodenbesitzer Jahr für Jahr klaglos vermehrtSteuern an den zaristischen Fiskus für die toten Seelen der verstorbenen Leibeigenen.

Es kam, wie es kommen musste.

Diese zaristische „Ökonomie der toten Seelen“rief steuerrechtlich gewitzte Finanzjongleure auf den Plan, die die vom zaristischen Fiskusgebeutelten Grund- und Bodenbesitzern mit raffiniert, mitten in Russland, austarierten Modellen in ein ungeahntes Steuerparadies lockten.

Ein Modell sah vor, dass die Finanzjongleure selber als gut beleumundeteUnternehmer auf traten , den Grund- und Bodenbesitzern ihre „toten Seelen“ für einen Apfel und ein Ei abkauften, manchmal auch lebende Seelen gleich, notariell verbrieft, mit und führten diese als Eigenkapitalnachweis in ihren Büchern.

Diese Kaufverträge erlebten die Grund- und Bodenbesitzer, egal wie viel sie drauf zahlten, als Hans im Glück, als steuerbefreit, getarnte, Schenkungsverträge.

Die noch lebenden Seelen verliehen sie an die Grund- und Bodenbesitzer in Russland zurück, ohne diese als Eigenkapitalanteil aus ihren Büchern tilgen zu müssen.

Damals galt den Banken, Geldverleihern im Zeitalter der zaristischen Leibeigenschaft nicht etwa die Größe und Lage eines Anwesens als Sicherheit für die Kreditwürdigkeit bei der Aufnahme von Hypotheken, Darlehen, sondern ausschließlich die von der zaristischen Steuerbehörde beglaubigten Listen der steuerlich veranlagten Leibeigenen auf einem Anwesen.

Da die Banken, Geldverleiher im zaristischen Russland jede systemrelevante Bedeutung wie Nähe zu Regierungshandeln völlig fehlte, war die Insider- Nachricht der zaristischen Besteuerungspraxis von „toten Seelen“ noch nicht zu ihnen vorgedrungen.

Dieser Wissensvorsprung war nun das Pfund, der rollenden Rubel mit dem die Finanzjongleure aus aller Welt in Russland wucherten.

Kaum waren die „toten Seelen“ als Eigenkapital in ihren Büchern, in den Grundbüchern notariell beglaubigt, hinterlegt, nahmen sie bei ahnungslosen Banken, Geldverleihern Kredite, Hypotheken bis zum Abwinken auf, um kurz darauf mit den aufgenommenen Geldern als Wagniskapital in aller Welt, voran in Frankreich, Niederlanden, k.uk. Austria,in den Eldorados des Wilden Westen von Nord- und Süd- Amerika in der Regel, Schuldendienst hinhaltend, verzögernd auf Nimmerwiedersehen zu entschwinden.

Das historische Ergebnis dieser zarisitschen Ökonomie der Besteuerung „toter seelen“ und ihre finanzpolitisch verheerendenFolgen sind bekannt.

Die „Spekulationsblase der „toten Seelen“ verführte Finanzspekulanten aller Ländern, voran in Russland dazu, dieEuphorie des Beginns des Ersten Weltkrieges im August 1914 zu nähren, um dann im Wege dieses Ersten Weltkrieges mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland ein jähes Ende zu finden.

Unsere gegenwärtig deregulierten Weltfinanzmärkte nähern sich immer mehr der zaristischen Praxis der Ökonomie der „toten Seelen“ an, die damals wie heute immer mehr Anhänger in der Welt der Finanzprodukt Goldgräber fand und findet,deren unbändig unerschütterlicher Glaube an regierungsamtliche wie regierungsnah monatlich vorgelegtes Datensalat und Zahlenmaterial in weiten Teilen der Welt- Wirtschaft robust aufgestellt beratungsresistent, unbelehrbar heiter feierliche Achterbahn Urständ an den Börsen der Welt auslöst.

Damals wie heute sind es die „toten Seelen“, die „Datengräber“ die als wahre Gefährder des Weltfinanzfriedens, als Derivate, Zertifikate, verbriefte Hypotheken- Subprime Pakete verschnürt anonymisiert, um die Finanzwelt vagabundierend, von den Steuerstaaten der Welt, nach G 20 Treffen, wie gerade geschehen, offensiv ignoriert, vorsätzlich „wiederauferstanden“ als lebend toleriert, frei von Wert- Berichtigungen in den Bilanzen der Unternehmen, Banken, Versicherungen Finanzdienstleister gestellt bleiben.

Der Unterschied zu den zaristischen Zeiten ist, dass dieser Schwindel mit toten Seelen, Datengräbern heute von regierungsnah bestellten "Heuschrecken", den global aufgestellten, berufenen Hedgefond nach dem Prinzip des „sowohl als auch, Hecht wie Karpfen im Karpfenteich “ mit unbegrenzter Kreditlinie nach oben bei geringstem Eigenkapital im Verhältnis von 1 : 20 geleistet wird.

JP


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Geschrieben von

Joachim Petrick

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