Winzige Filter, harte Einschränkungen

Urheberrecht Gegen die Remix-Kultur des Internets wollen Hardliner mit Uploadfiltern vorgehen. Unsere Kolumnistin juckt das wenig, ganz kalt lässt es sie jedoch nicht
Ausgabe 29/2018

Wann haben Sie zuletzt was geremixed? Ich nutze mein Recht auf Remix sehr aktiv, so werfe ich gerne unterschiedliche Nahrungsmittel zusammen und verwandele die Zutaten mithilfe von Hitze zu einem neuen Ganzen.

Im Internet ist die Diskussion etwas komplizierter. Dort zirkulieren Kopien von Kopien von Kopien und oft fragt niemand mehr, wer ein Werk denn eigentlich geschaffen hat und ob er für die Nutzung eigentlich bezahlt wird. Die Werke werden leicht verändert, mit Text oder Beat ausgestattet und auf diese oder andere Weise neu zusammengesetzt. Die Künstler können da meist nicht mehr mitreden.

Aufgebaut werden kann aber nur auf Vorhandenem: wenn keine Figuren wie Spongebob erfunden werden, können daraus keine Meme und Remixe entstehen. Nur selten wird Exklusives hochgeladen. „Remixer“ wühlen in den Eingeweiden der Künstler und basteln daraus mehr oder weniger professionell Collagen. Ein bisschen wie in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung.

Gegen diese Remix-Kultur, aber auch gegen Terrorismus, wollen Hardliner nun mit Uploadfiltern vorgehen. Schon während des Hochladens soll geprüft werden. Wenn der Filter eine Urheberrechtsverletzung oder einen Terrorismus meldet, dann erscheint die Datei gar nicht erst online. Das Internet ist empört und ruft „Zensur!“.

Mich juckt das wenig. Ich kann selbst Fotos machen, Blogartikel schreiben und auf Hipsterstalin-Memes kann ich inzwischen auch verzichten. Überhaupt bin ich ermüdet von den immergleichen netzpolitischen Debatten.

Die bevorzugte Utopie der Remix-Evangelisten scheint eh das Techno-Ghetto zu sein. Mithilfe von Techno und Drogen wird die düstere Normalität neu zusammengesetzt, Brücken und Straßenkreuzungen werden als Feier-Orte neu geschrieben, dazu wird mit Beat unterlegte Popmusik gespielt. Um nicht vor Langeweile zu sterben, zieht man sich chemisch gemixte Substanzen rein. Ansonsten lebt man im Web 2.0 und kommuniziert nur noch in Fetzen, anstatt mal ein Buch zu lesen. Liebesbeziehungen wurden durch Polyamorie und Eintags-Liebe, vulgo Sex, ersetzt – kurzum, in einen einzigen Mashup verwandelt.

Düstere Remix-Zukunft? Nicht ganz. Natürlich höre ich mir auch mal remixte Musik auf Youtube an und die kollaborativ erstellte Wikipedia halte ich für das großartigste Projekt freien Wissens überhaupt. Und wenn jetzt die Wikipedia sagt: „Mit den Uploadfiltern müssen wir dichtmachen“, dann berührt mich das schon. Und auch, wenn die Szene keine wirklich attraktive Remix-Utopie entwickeln konnte, so stecken hinter den scheinbar winzigen Uploadfiltern doch harte Einschränkungen von Demokratie und Meinungsfreiheit. Vielleicht setzt sich ja irgendjemand dagegen ein. Ich halte mich lieber von der Szene fern, schreibe in mein Blog und koche was Leckeres.

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Geschrieben von

Julia Seeliger

schreibt alle vier wochen das "medientagebuch"

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