Der heisere Löwe

Aschermittwoch Beim "größten Stammtisch der Welt" gibt die CSU sich handzahm, was die politische Konkurrenz angeht. Der Hauptgegner steht in Brüssel
Viel beschworen, auch dieses Jahr wieder: CSU-Schutzheiliger Franz Josef Strauß
Viel beschworen, auch dieses Jahr wieder: CSU-Schutzheiliger Franz Josef Strauß

Foto: Christof Stache/AFP/Getty Images

Die Drei-Länder-Halle in Passau ist traditionell der Ort, an dem die CSU austeilt. Legendäre Beschimpfungsorgien spuckten Großmeister des bajuwarischen Populismus wie Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber von hier aus ihren politischen Gegnern – und manchmal auch ihren Freunden – entgegen. Doch wer auch in diesem Jahr, dem ersten nach zwei grandiosen Wahlsiegen, auf ein kraftvolles Brüllen des bayerischen Löwen gehofft hatte, der wurde enttäuscht.

Dabei hätte es genug Munition gegeben. Schließlich liefert der Stolperstart der großen Koalition mehr als genug Gründe, um sich aus Sicht der CSU mal richtig aufzuregen. Doch anscheinend wollte die Parteiführung um Horst Seehofer nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Einzig Generalsekretär Andreas Scheuer versuchte sich an ein paar Schüssen auf SPD-Vize Ralf Stegner – seines Zeichens nicht gerade eine tragende Säule der Koalition. Dann stellte er noch den „Ehrenmann“ Hans-Peter Friedrich dem „Oppermann“ der Sozen gegenüber und nannte Anton Hofreiter den „Günter Netzer der Grünen“, was man nun wirklich nicht zwingend als Beleidigung verstehen muss. Die Abteilung Attacke hatte offensichtlich Ladehemmung.

Dass der Hauptgegner der CSU in diesem Jahr nicht in Berlin sitzen würde, hätte man schon mit Blick auf die Rednerliste ahnen können. Zum ersten Mal durfte Peter Gauweiler in Passau sprechen. Der notorische und klagefreudige Euro-Kritiker nutzte dann auch die Gelegenheit und schoss sich auf die Europäische Zentralbank ein. Mario Draghi verglich er mit Blick auf dessen geldpolitische Maßnahmen mit einem Drogenhändler, denn schließlich beruhige auch Rauschgift, „die Frage ist aber, wie lange es anhält.“

Motivation Europawahl

Parteichef Horst Seehofer schlug in eine ähnliche Kerbe. Zwar hatte er ein paar kleine Seitenhiebe für die Bayern-SPD übrig, vor allem aber knöpfte er sich die Europäische Kommission vor. Diese reiße zu viel Kompetenzen an sich. „Wir wollen die Dinge lieber selbst regeln, und das können wir auch“, rief der ziemlich heisere Ministerpräsident den Zuhörern entgegen, „wir brauchen die anderen nicht, aber die anderen brauchen uns.“ Mit Blick auf die Kritik an der Formel „Wer betrügt, der fliegt“, die die CSU-Landesgruppe im Januar in ein Papier zur Kommunalpolitik aufgenommen hatte, zeigte sich Seehofer zudem unversöhnlich: „Wer Freizügigkeit in Europa will, muss dafür sorgen, dass Zuwanderung in soziale Sicherungssysteme beendet wird.“

Die Motivation hinter solchen Angriffen ist klar. Im Mai steht die Europawahl an – da will die CSU endlich wieder die 50 Prozent reißen. Und das geht leichter, wenn man sich die konservativen Wählerschichten nicht mit eurokritischen Kleinparteien teilen muss.

Ansonsten gab Seehofer den versöhnlichen Landesvater. Er erklärte Bayern zum kleinen Paradies auf deutschem Boden – selbstverständlich dank der CSU. Genüsslich rechnete er vor, dass derzeit 76 Prozent der bayerischen Bevölkerung mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrieden seien und verband dies mit dem Versprechen, künftig noch mehr Politik zu machen, die sich an den Wünschen der Bevölkerung orientiere. In Berlin darf man das durchaus als Drohung verstehen – schließlich hat Seehofers Hang zum Populismus schon die letzte Bundesregierung regelmäßig in Schwierigkeiten gebracht.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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