Europa, deine Grenzen

Flüchtlingspolitik In den europäischen Staaten lebt ein Grenzfetisch auf, der zu einer Zuspitzung der Außengrenzpolitik führen könnte. Auch militärisch.

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Seit Ende letzten Jahres, aber besonders in den letzten Tagen lässt sich ein unerträglicher Domino-Effekt beobachten: Grenzschließung unter Verweis auf den eigenen Unwillen zur Akzeptanz der eigenen Verantwortlichkeit.

Norwegen, Schweden und Dänemark waren der Anfang. Da musste nachgezogen werden, besonders von Österreich. Flüchtende werden zurückgewiesen und Österreich will eine rechtskonforme Obergrenze... oder am Ende halt einfach eine Obergrenze, mit festgelegten Zahlen, an denen nicht zu rütteln ist. Aber auch an den deutschen Grenzen wird auf die Grenzschließungen eingegangen, nämlich ebenfalls mit Zurückweisungen an der bayerisch-österreichischen Grenze. Täglich werden hunderte Flüchtende abgewiesen.

Und nachdem es schon oft angedroht wurde, ziehen nun die Staaten der berüchtigten "Balkanroute" nach: Nach Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien darf nur noch einreisen, wer angibt, in Deutschland oder Österreich Asyl beantragen zu wollen. Und natürlich musst du aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan kommen. Das führt nicht nur zu einer Steigerung des Elends in Griechenland, speziell in Grenznähe, wo hunderte Menschen festgesetzt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass Deutschland und Österreich den skandinavischen Ländern nachziehen und ihre Grenzen soweit dicht machen, dass Slowenien niemanden mehr reinlässt, der nach Österreich oder Deutschland weiter will, weil diese Länder diejenigen nicht reinlassen. Und so reagiert dann auch Kroatien, dann Serbien und dann Mazedonien. Wer nicht aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan kommt, hat künftig hier sowieso nichts mehr zu erwarten, da anerkannte Fluchtgründe nichts mehr zählen.

So, und was passiert, wenn niemand mehr Flüchtende über die Grenze lässt? Griechenland wird reagieren. Die EU wird eifrig helfen. Und zwar mit massiver Abschottung. Die Renationalisierung der Grenzen treibt die Menschen an ein Verharren an den Außengrenzen und das wird die Militarisierung letztlich auf die nächste Stufe bringen: Flüchtende als der abzuwehrende Feind. Nein, das haben wir schon. Flüchtende als der militärisch abzuwehrende Feind. Tote Menschen im Mittelmeer nicht mehr als Kollateralschäden, sondern als Ziel.Nach Mauern, Zäunen und Obergrenzen ist vor einer solchen Furchtbarkeit jedenfalls zu warnen. Auch wenn es - hoffentlich - noch nicht unmittelbar bevorsteht.

Aber im auflebenden Grenzfetisch europäischer Staaten ist eben vieles Denkbar. Internationale Abkommen zählen ja sowieso kaum noch. Einen humanitären Anspruch hatte die EU-Flüchtlingspolitik zudem noch nie.

Und Bayern führt seit Wochen eine autonome Abschottungspolitik, da die BRD für die CSU offenbar schon untergegangen ist. Aber nagut, Deutschland bricht nicht so schnell auseinander, die CSU wird Bayern nicht so schnell komplett abspalten können. Aber was fraglos zerbricht und jetzt schon in Teilen kaum noch existiert, ist die EU. Künftig scheint nur ein loser Wirtschaftsverbund - wie früher - denkbar zu sein. Aber nichts mit politischer Kooperation und Solidaritätsanspruch.

Mal abgesehen von der Geldabnahme in Dänemark, der Schweiz und Bayern.

Ekelhaftigkeit - ein besonderer Wert des Europäers.

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Geschrieben von

Julius Wolf

Über Politik, Gesellschaft, Emanzipation und Antiemanzipatorisches.

Julius Wolf

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