„Der is n´ Baum!“

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In Frankreich wird nach den Sch´tis ein neuer Kinohit gefeiert: Ziemlich beste Freunde ist eine kurzweilige Komödie, die seit dem 05.01.2012 in Deutschland läuft

Das Kinoplakat wirkt zunächst nicht sehr einladend – es erinnert an klischierte Sozialkritik und billigen Zuschauerfang („Schon über 20 Millionen Zuschauer in Frankreich!“). Der französische Titel „Intouchables“ lässt da schon auf etwas mehr Substanz hoffen. Aber schließlich ist es nicht unbedingt die oberste Pflicht einer Komödie, tiefgründige Erkenntnisse zu vermitteln. Seine Kür erfüllt der Film dann auch allemal: lustig und unterhaltsam zu sein. Gleich zu Beginn geben sich die zwei Protagonisten (François Cluzet und Omar Sy) einer schelmischen Neckerei mit der lokalen Polizei hin; nach wilder Verfolgungsjagd mimt der querschnittsgelähmte Philippe einen Anfall und das Duo lässt sich, lachend und singend, per Eskorte ins Krankenhaus chauffieren.

Damit ist auch der zentrale Topos des Films benannt: eine sich entwickelnde Freundschaft zwischen dem pflegebedürftigen und körperlich schwerbehinderten Phillipe dem Driss, ein junger Rabauke aus dem Banlieue, eine willkommende Ablenkung in seiner neureichen Einöde bietet. Vor allem aber ist Driss authentisch und mitleidsfrei. „Das ist ja scheiße!“, sagt er sinngemäß und aus tiefstem Herzen, nachdem er versteht, dass Phillipe nur mit der Hilfe anderer überlebensfähig ist. Dass die Beziehung der beiden nicht in Sozialkitsch abrutscht, liegt vor allem an der schauspielerischen Leistung der zwei Hauptdarsteller.

Herrlich: wie Driss mit brühend heißem Tee Experimente an Philippes Beinen vornimmt („ Du spürst ja wirklich nichts?!“) oder in der Oper ob eines expliziten Bühnenkostüms („Der is ´n Baum!“) einen Lachanfall kriegt. Besonders Sy erarbeitet einen ausdifferenzierten round character, dessen mitreißendem Charme man schnell erliegt. Die Nebendarsteller werden da schon fast zu einem Teil des Settings und passen zwar hübsch in die sorgfältig konstruierten Szenen, entwickeln aber kaum Eigendynamik.

Im Berliner Cinema Paris war die Stimmung am letzten Sonntag entsprechend ausgelassen. Das Publikum übertönte mit ausgiebigen Lachern gar die Dialoge der Figuren (was zugegebenermaßen auch an der OmU-Fassung liegen konnte, in der die Untertitel schneller als die Dialoge abgespielt wurden). Französische Kömodie at it´s best!

Simpler Kunstgriff

Leider kann sich der Film trotz allem Charme nicht von sozialkritischen Plattitüden befreien. Die Zwischenblenden in die Banlieues können mit Alltagsszenen aus Driss´ Umgebung nicht wirklich punkten: rauchende Jugendliche, eine alleinerziehende und überforderte Mutter von ungefähr sechs Kindern, die es eigentlich nur gut meint und ein halbherziger Adoptionsdiskurs mit Driss als somalisches Problemkind. Dazu gehört auch ein eher unglaubwürdiges Happy End in Driss´ Familie, in dem dieser seinen Stiefbruder mir-nichts-dir-nichts aus dessen kriminellen Bandenmachenschaften befreien kann. Es ist schwer zu entscheiden, ob die Darstellung der zwei verschiedenen Milieus (französische Oberschicht vs. Banlieue, und ja, so simpel wird es dargestellt) bewusst überzeichnet sind, oder einfach zur vernachlässigten Nebenschaustelle des Films abgerutscht sind. Das epd-Filmmagazin sieht die Regisseure mit dem bewussten Einsatz von Übertreibungen und Klischees damit gar in einer Tradition Molières. Nur macht sie das leider auch nicht besser..

Am Ende gibt es aber doch noch ein Schmankerl: der Film, nach einer wahren Begebenheit (2001 in dem Buch Le Second Souffle veröffentlicht), zeigt einige anrührende Originalaufnahmen des Duos und lässt den Zuschauer mit einem wohligen es-geht-also-doch-Gefühl zurück. Das Regisseursduo Nakache/Toledano stellt hier zwar einen durchaus simplen Kunstgriff ans Ende seiner Komödie, erzielt damit aber durchaus die gewünschte Wirkung.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden