Die Bild bleibt die Bild bleibt die Bild. Das einmal vorweg als unverhohlen dogmatisches Gegenmantra zu all jenen Pressestimmen, die verhalten bis euphorisch, von links bis rechts, nun feiern, dass mit Tanit Koch eine Frau an die Spitze der größten Tageszeitung Deutschlands tritt. Da gratuliert Wolfgang Büchner neben Ines Pohl auf Twitter. Und ganz vorneweg feiert Pro Quote. Der Verein, der sich um mehr Gleichstellung in den Medien bemüht. Und nun den „lange so hübsch als konservativ abgestempelten“ Axel-Springer-Verlag lobt, er habe die „Zeichen der Zeit erkannt“.
Das ist nicht ganz richtig. Die Bild wird nicht abgestempelt, sondern hart dafür kritisiert, dass sie zwar vieles tut, aber sicherlich nicht die Gleichstellung vorantreibt. Zu Recht. Einen Tag, bevor die Pressemeldung zum Wechsel in der Bild-Spitze rausgeht, sitzt auf Seite fünf der Zeitung Sophia, nackt, aber dafür mit „peruanischen Strümpfen, 1,71 Meter/57 Kilo, Körbchengröße 75B, Markenzeichen: Natürlichkeit“. So viel zu den Zeichen der Zeit in der Bild, die neben Sexismus wären: Homophobie, Diskriminierung, Missachtung der Persönlichkeitsrechte, Rassismus oder wahlweise, falls es sich nicht gerade mit laufenden PR-Kampagnen beißt, Stimmungsmache gegen „kriminelle Ausländer“.
Tanit Koch, die vorzeigemäßig die Springer-Karriere durchlaufen hat, gilt als „Leisesprecherin“ (sie wünscht sich allerdings auch, mal einen Tag lang Kim Jong-un zu sein). Sie fordert, man solle bei Frauen im Journalismus „genauer hinhören“. Das ist an sich richtig, wenn man bedenkt, dass laut Pro Quote in den Tageszeitungen mehr als 90 Prozent der Chefredaktionen von Männern besetzt sind. Nur: Was hilft es, wenn die Geschlechtergerechtigkeit am Chefsessel anfängt, aber bei den Inhalten wieder aufhört? Die ehemalige Büroleiterin Kai Diekmanns hätte den Job wohl nicht bekommen, wenn sie verkündet hätte, die Themen Emanzipation und soziale Gerechtigkeit ganz oben auf ihre Agenda zu setzen. Aber auch dann nicht, wenn sie als polarisierende Nervensäge wie Bild.de-Chef Julian Reichelt auftreten würde.
Ob ihre Besetzung einen Schritt der Zeitung hin zu weniger Menschenverachtung im alltäglichen Blattmachen bedeutet, wird sich zeigen. Ja, die Symbolwirkung dieser Entscheidung ist wichtig. Aber nein, ein Grund, die Bild zu loben, ist das noch lange nicht. Augen fest zudrücken und die Zauberfee anrufen: Geben Sie uns einen echten Anlass dafür, Frau Koch!
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