F.I.N.D. #2 - Hotel Bogota

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Die Inszenierung Hotel Bogota zeigt fünf kleine Stücke, welche auf die Entgrenzung von Kunst und Leben abzielen

Im Foyer in bestechender Fünfzigerjahre-Optik des Hotel Bogotas nahe des Berliner Kurfürstendamms schauen sich die Zuschauer neugierig um. Sie versuchen herauszufinden, wer hier wohl Gast ist und wer gekommen ist, um sich die Inszenierung Hotel Bogota anzusehen. „Wer hat noch keine Nummer auf seiner Eintrittskarte?“, ruft ein kleiner, grauhaariger Mann mit bordeauxroter Fliege und kritzelt Bleistiftnummern auf die Karten. „Gruppe drei mit mir in den ersten Stock“, sagt er kurze Zeit später und bedeutet vier anderen Frauen mittleren Alters und mir, ihm zu folgen.

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Es werden irritierte und neugierige Blicke getauscht, zögernd betreten wir das für uns reservierte Hotelzimmer. Es ist leer. Nur zwei Sektgläser, eine rote Schachtel Gauloise-Zigaretten und ein silbernes Zippo Feuerzeug auf dem Couchtisch zeigen, dass hier bereits jemand war. Unsicher lassen wir uns in der Sitzgruppe nieder, da stürmt ein junger Mann herein. Er ist überrascht: „Hallo!“. „Hi“, antworte ich ihm – meine Antwort macht mir zu Protagonistin des Stücks. „Ich dachte wir treffen uns zu zweit“, sagt er und reibt sich irritiert den Bart, „Tut mir leid, die anderen sind einfach mitgekommen“, steige ich amüsiert ein und wir plaudern über eine Vergangenheit, die wir in dem Moment konstruieren, in dem wir sie aussprechen. Wie nebenher fragen sich alle nach ihrem Namen, machen Scherze. Das Gespräch, die ganze Situation oszilliert zwischen wahrem Leben und Scheinwelt. „Was wollen wir jetzt machen?“, fragt er, gibt Inhalte des Skripts preis und dekonstruiert es damit. Die Rollen Zuschauer-Akteur lösen sich auf, es gibt nichts zum Zuschauen, stattdessen Handeln-Müssen.

Es ist diese Entgrenzung von Rollen, die für den weiteren Abend bezeichnend sein werden und seine Spannung ausmachen. Im Zwanzigminutentakt wechseln wir die Zimmer und Stockwerke, die Szenen und die Rollen, geführt von Hotelpersonal oder Schauspielern, man weiß es nicht genau, dazwischen streunen Hotelgäste umher, oder Statisten, man weiß es nicht so genau. Die fünf Stücke des Abends sind unabhängig voneinander choreographiert worden und fügen sich höchstens zufällig zu übergreifenden Sinngefügen zusammen. Thematisch verbindet einige der Inszenierungen allerdings die Figur Yva, Lehrmeisterin Helmut Newtons, die in dem Hotel arbeitete und lebte und die in verschiedenen Formen und Medien immer wieder auftaucht – als Inkorporation der bewegten Geschichte des Hauses.

"Gehen Sie jetzt bitte"

Im zweiten Zimmer werden wir auf den Balkon gelotst. Gefangen in einer fast unangenehm voyeuristischen Situation schauen wir aus der kalten Winterluft in einen hell erleuchteten Raum und lauschen über Kopfhörer einem Schlagabtausch zwischen der Figur eines Zimmermädchens und einem Hotelgast in Bademantel. „Gehen Sie jetzt, aber bitte ganz leise“, flüstert uns das Zimmermädchen am Ende zu und blickt uns durch die Fenster an. Fast alle der fünf unabhängig voneinander choreographierten Stücke des Abends funktionieren über diese Art der direkten Interaktion.

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Gruppe 3 wartet, wer als nächstes durch die Tür kommt

Aufgekratzt folgen wir dieser Schnitzeljagd-Advanced, nach draußen vor die Tür zu einem laufenden Wagen, aus dem eine Dame in weißem Pelzmantel setigt; in ein abgedunkeltes Zimmer in dem ein Fotoshooting läuft; hinter einem Guide her, der uns die Hotelgeschichte erklärt. Völlig unvermittelt steht ein kleines blondes Mädchen barfuß und in einem weißen Kleid am Ende des Ganges und blickt uns unverwandt an. Wie aus einem Thriller. Es ist ein Verwirrspiel und zugleich eine Entdeckungsreise, in welcher der Zuschauer auch seine eigene Rolle neu entdecken und erfinden soll. Teils brillante Schauspieler und der private, atmosphärisch aufgeladen Rahmen des Hotels machen es einfach, sich lustvoll darauf einzulassen.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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