Und dann der Regen

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Der neue Film mit García Bernal ist ein bewegendes und komplexes Sozialdrama über den Wasserkrieg in Bolivien

Sebastián (Gael García Bernal) ist ein junger und leidenschaftlicher Regisseur. Für seine Historienverfilmung der Kolonialisierung Amerikas um Christopher Kolumbus und Bartolomé de las Casas reist er mit seinem Team nach Bolivien, Cochabamba. Er ist getrieben von dem Ehrgeiz einen Film „für die Ewigkeit“ zu machen, und mit seinem begrenzten Budget die filmischen Möglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen. In erster Linie geht es ihm um die Darstellung Kolumbus´ obsessiver Suche nach Gold und die grausame Versklavung und Ausbeutung der indigenen Bewohner vor dem Hintergrund seiner vierten Amerikareise. Gleichzeitig soll der Dreh (vermeindlich) humanitäre Gegenstimmen von las Casas und Antonio Montesinos zu Wort kommen lassen, die trotz allem nicht die Verbrennung des indigenen Häuptlings Hatuey und seiner Gefolgsleute am Kreuz verhindern können.

Der Film oszilliert äußerst geschickt auf einer Metaebene zwischen einem cineastischen und einem postkolonialen Diskurs. Er reflektiert die Produktionsbedingen des Filmteams durchaus kritisch. „Dos putos dollares, y ya están contentos“, nur zwei Dollar am Tag und schon sind sie zufrieden, schwärmt der Produzent Costa (Luis Toscar) stolz und lachend seinen Geldgebern am Telefon vor, und meint damit die eifrige indigene Bevölkerung, die auf der Suche nach Arbeit und Geld zu Scharen zu dem Statistencasting geströmt war. Bolvien hat lateinamerikas höchste Dichte indigener Bevölkerung (etwa 55%) und ist eines der ´billigsten´ Länder Lateinamerikas (BIP pro Kopf: 2.130 USD/ 2010). Es ist aber nicht nur die Profitgier des Produzenten, welche die Ver-ortung des Filmprojekts im Umkreis der viertgrößten Stadt Boliviens motivierte. Es sind die Mitglieder des gesamten Filmteams, insbesondere Sebastián, die aus ihrer eurozentrischen Sicht mit all ihrem Herzblut einen guten Film machen wollen. „La película primero. Siempre.“, der Film geht vor. Immer. Dieses Credo wird vor dem Hintergrund eines fanatischen Künstleranspruchs und hollywoodesken Ansprüchen geltend gemacht.

Yaku heißt Wasser

Als Gegengewicht des Kolonialdiskurses dient der zynische Alkoholiker Antón (Karra Elejalde). Er verspottet die lächerlichen Versuche seines Kollegen Juan (Raúl Arévalo), sich bei den Kellnerinnen während eines opulenten Abendessens Wörter auf Quechua beibringen zu lassen. “Yaku“ heißt Wasser, erklärt sie ihm vorsichtig und füllt sein Glas auf. Diese scheinheiligen kulturellen Annäherungen seien doch vergessen, sobald er wieder in seinem spanischen Luxusalltag angekommen sei, stellt Antón nüchtern fest. Natürlich wird hier nicht nur auf Bulemiekultur-Erfahrungen (Aussteigen, Foto machen, Abfahren) angespielt, sondern vor allem auf die westliche Ignoranz ob lateinamerikanischer existenzieller Probleme.

Dass zwei Dollar am Tag keineswegs zufrieden machen, zeigt der Handlungsstrang fernab des Drehortes inmitten des grünen Dschungels, friedlicher Seen sowie eigens errichteter Holzkreuze und Steinkirchen. Während die Filmarbeiten voranschreiten, spitzt sich in Cochabamba ein Konflikt um Wasserprivatisierung zu. Daniel, der den rebellischen Häuptling in Sebastiáns Film spielt, ist zentraler Protagonist des sich zunehmend verschärfenden indigenen Widerstandes gegen einen multinationalen, amerikanischen Wasserkonzern.

Flüssiges Gold

Hier beginnen der Film im Film und der sich zur Bürgerrevolte ausweitende Wasserkonflikt sich zu verschränken. Mit der Brutalität der filmischen Szenen und Bilder nehmen auch die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Straßen Cochabambas zu. Der Zuschauer findet sich in einer komplexen Melange aus Fiktivität und Nicht-Fiktivität wieder. Neben der Inszenierung der kolonialistischen Greueltaten am Set, werden uns Kinobesuchern die Bilder bereits als Film in brutalen Frontaleinstellungen präsentiert. Es sind diese gewaltigen Bilder, die Beklemmung hervorrufen, sodass sich die Nackenhaare aufstellen. Warum? Die Straßenschlachten in Cochabamba bekommen beinahe dokumentarischen Charakter und zeugen von der Realität der Eskalation im April 2000. Mehr noch, und das ist die schockierende Erkenntnis des Films, verweisen sie gleichsam auf eine noch immer anhaltende Geschichte der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung. Dass sie, fünfhundert Jahre nach Columbus Eintreffen in der Karibik, einen überlebensnotwendigen Rohstoff verteidigen muss, ist die Spitze dieses Eisberges. Wasser als flüssiges Gold – diese Metapher drängt sich hier geradezu auf.

Als Daniel nach einer Demonstration verprügelt und verhaftet wird, sind Sebastián und Costa sofort mit einem angemessenen Bestechungsgeld zur Stelle, um ihn zu befreien. Allerdings sind nicht humane Anwandlungen, sondern einzig das Fortschreiten der Dreharbeiten ihre Motivation. Sebastián, bis dato als sanftmütiger Melancholiker dargestellt, brüllt wutentbrannt ob der Verletzungen in Daniels Gesicht und sorgt sich in erster Linie, ob diese zu überschminken seien. („Dieser Konflikt wird vorübergehen und vergessen werden.. unser Film nicht!“) Costa wiederum, bisher eiskalter Filmmafiosi, zeigt zunehmend Zweifel an der Reihenfolge der Prioritäten: Film- Wasserkonflikt- Statisten. Ohne unmotivierte Handlungen zu erzwingen, schreibt der Film die zunehmend verstrickten Entwicklungen der Charaktere sensibel fort.

Schließlich verlässt das Team etappenweise und fluchtartig den bürgerkriegsartigen Drehort und entzieht sich der Verantwortung dieses ihnen eigentlich fremden Konfliktes. Am Ende wiegt das eigene Wohl mehr als die sozialer Verantwortung. „Wirst du wiederkommen?“, fragt Daniel seinen Kollegen und Freund Costa am Ende. „Ich glaube nicht.“, antwortet Costa und spricht damit abermals im Sinne eines Films, der nicht verklären oder beschönigen will. Bernals prominenter Weg zu einem zunehmend politisch engagierten Schauspieler bietet uns die Chance, unsere eurozentrische Brille des Gleichmuts und der Ignoranz beiseite zu legen.

Regisseurin: Iciar Bollain. Drehbuch: Paul Laverty. Produktion: Morena Films.Preise (u.a.): Goya für beste Nebenrolle, beste Filmmusik; Critics of New York Award, Ariel de Plata, Palm Springs International Film Festival, Festival de Cinéma Européen des Arcs. Berlinale: Panorama-Publikumspreis 2011

Der Film ist in Deutschland am 29.12.2011 angelaufen.

Mehr Informationen:


www.und-dann-der-regen.de/

www.tambienlalluvia.com/

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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