Endlich Stoff! Dieses Fazit könnte man zum Sommerende ziehen. Geht es um Drogen? Den Burkini? Beides falsch, auch wenn in Frankreich ein Verwaltungsgericht nach dem anderen die Burkiniverbote kippt. Hurra, es ist ein grundlegendes Freiheitsrecht von Frauen, selbst zu entscheiden, wie sie ihren Körper zeigen wollen! Mit wenig Stoff (im Jahr 1922 legt die Polizei ein Maßband an eine Frau am Strand, weil ihr Beinkleid zu kurz erscheint) – oder viel Stoff (im Jahr 2016 zwingt die Polizei eine Frau am Strand, ihre Bluse auszuziehen, weil diese zu lang sei). Hier geht es nun aber um das kulturgeschichtliche Antonym des Burkinis. Denn: Der Bikini stirbt! Oder, weniger dramatisch: Der Badeanzug kommt.
Das sagt in den letzten warmen Tagen des Jahres nicht nur der Blick an die Badeseen oder in die Bademodenabteilungen, das sagen auch die Kaufhauskette Selfridges und der Unterwäschehersteller Figleaves, welcher zuletzt 65 Prozent Umsatzwachstum beim Badeanzug vermeldete. Für den Bikini ist das durchaus tragisch. Weil er dieses Jahr Jubiläum feiert, vor 70 Jahren nämlich meldete der französische Maschinenbauingenieur Louis Réard seine Erfindung zum Patent an. Weil er so große ikonografische Momente hervorgebracht hat, Brigitte Bardot am Strand, Romy Schneider im Film Der Swimmingpool, das erste Bondgirl Ursula Andress und später Halle Berry, wie sie superhot aus dem Meer stiegen.
Dennoch: Das Bikinimantra „sexy, leicht bekleidet, braun gebrannt“ zieht nicht mehr so recht. Es ist irgendwo in den 90ern steckengeblieben. Auch der Unterwäschehersteller Victoria’s Secret wird zum Jahresende die Bademodenproduktion beenden und ganz auf Sport- und Freizeitkleidung umstellen. Fit ist das neue Sexy – das nervt auch. Aber immerhin sinkt mit Badeanzügen der Frust in räudig ausgeleuchteten Umkleidekabinen, und absurden Beach-Body-Diskussionen wird der Saft abgedreht. Dass mehr Stoff wieder strandmodisch wird, ist also eine entspannende Nachricht. Nebenbei bringt das großartige neue Modelle hervor, von denen manche allerdings so kompliziert aussehen, als bräuchte man eine Anleitung zum Anziehen.
Umgekehrt werden bei Männern die Shorts inzwischen immer kürzer: knappe Speedos statt knielanger Billabong-Shorts sind jetzt gefragt. Ehemalige Bikiniträger*innen wissen nur zu gut, wie stressig so etwas sein kann. Sie beraten dann sicher gerne, wie man selbstbewusst an H&M-Werbetafeln mit überdimensionalen Sixpacks vorbeiläuft.
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