"Keine Auswirkungen"

Argentinien Im Sommer schien es so, als befinde sich Argentinien nach einer Entschuldung Mitte des vorigen Jahrzehnts nun erneut in einer Sackgasse. Aber ist das wirklich so?

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Wirklich am Boden?
Wirklich am Boden?

Bild: DANIEL GARCIA/AFP/Getty Images

Das hoch verschuldete Argentinien habe im Jahr 2005 "den Spieß einfach umgedreht", schrieb die Ökonomin Gabriela Simon im Sommer 2011 im "Freitag". Das Land habe sich mit einem radikalen Schuldenschnitt Luft verschafft, seine Schulden beim Internationalen Währungsfonds Ende 2005 vorzeitig getilgt und damit seine Unabhängigkeit von den politischen Vorgaben des IWF errungen. Nun, im Sommer 2011, sei die finanzielle Verfassung Argentiniens mit einer Staatsverschuldung von 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts besser als die Deutschlands (mit seinerzeit 83 Prozent), und besser als Griechenlands sei sie ohnehin.

Und die Finanzmärkte reagierten positiv: anstatt neue argentinische Schuldverschreibungen als Schrott zu behandeln, wurde der Kauf der Bonds zum Teil sogar empfohlen - Märkte sind nicht nachtragend.

Ganz so schön wurde es dann doch nicht. Unter dem schnellen, gütlichen Arrangement zwischen Buenos Aires und den Märkten lauerten Altlasten, bekannter als Forderungen von "Geierfonds". Der Autor Robert Misik spricht in einem »Beitrag für den "Freitag" am 7. August von aggressiven Hedgefonds, mit einer anschaulichen Tätigkeitsbeschreibung solcher Fonds.

Zwar hatten über 90 Prozent der Gläubiger enorme Abstriche auf ihre Staatsanleihen akzeptiert, um nicht völlig leer auszugehen, so die "Süddeutsche Zeitung" am 10. September, aber eine Gruppe von Investoren um den New Yorker Milliardär Paul Singer und seinen Hedgefonds NML Capital verlangte die Rückzahlung von Altschulden aus Argentiniens großer Pleite von 2001.

Nun - also im Jahr 2014 - habe der offenbar für den Streitfall zuständige US-Bezirksrichter Thomas Griesa entschieden, dass die im Schuldenschnitt geminderten Anleihen nicht bedient werden dürfen, bevor die Forderungen der Hedgefonds von mehr als 1,5 Milliarden Dollar nicht bedient sind.

Kurz - und vielleicht unzulässig vereinfacht - ausgedrückt: die Märkte mochten sich mit den argentinischen politischen Entscheidungen arrangiert haben, aber nicht alle Akteure des Marktes - und mit Griesas Entscheidung hatten diese Akteure ein Druckmittel gegen Argentinien in der Hand. So schien es jedenfalls.

Dies ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein Land willens und in der Lage dazu war, seine Gläubiger zu bezahlen, jedoch von einem Richter - Thomas Griesa - daran gehindert wurde, das zu tun,

resümierten die Ökonomen Josef E. Stiglitz und Martin Guzman am 7. August im "Guardian". Griesas Entscheidung

ermutigt wucherisches Verhalten, bedroht das Funktionieren internationaler Märkte und ignoriert einen Grundsatz des modernen Kapitalismus: insolvente Schuldner brauchen einen Neustart.

Ganz anders sah es knapp zwei Wochen Korrektur: eine Woche später - ebenfalls in einem Beitrag für den "Guardian" - der Hedgefonds-Manager Hans Humes: das Juristenteam der Kanzlei Cleary Gottlieb, das Argentiniens Belange vertrete, sei schuld, und Buenos Aires täte gut daran, sich nicht mehr von ihnen vertreten zu lassen.

Als Beleg zitierte Humes die Gottlieb-Juristen selbst, die Argentinien am 2. Mai nahelegten, absichtlich in Zahlungsverzug zu treten, um Neuverhandlungen zu erzwingen und den Fall damit amerikanischen Richtern zu entziehen.

Dies sei ein schlechter Rat, so Humes: Eine Restrukturierung der Schulden außerhalb der USA, um die Gerichte zu meiden, werde Argentiniens "Paria-Status" nur verschlimmern.

Für dieses finstere Szenario allerdings scheint nicht viel zu sprechen. Tatsächlich hatte es ja juristischer Mittel bedurft, um das zwischen Buenos Aires und dem Großteil seiner Gläubiger getroffene Arrangement überhaupt noch einmal ins Trudeln zu bringen.

Umstritten - und für einen Laien gar nicht beurteilbar - ist ein anderer Sachverhalt. Stiglitz und Guzman argumentierten am 7. August, dass Argentiniens für das Land recht günstige Vereinbarung mit dem Großteil seiner Gläubiger vor neun Jahren könnte hinfällig sein, wenn es sich gegenüber den "Geierfonds" auf deren Forderungen einlasse.

Humes hingegen schrieb am 13. August, dass diese "Rufo"-Klausel ("Right on Future Offers") nur gelte, wenn Argentinien freiwillig an die Kläger zahle - und von Freiwilligkeit könne ja nach dem Richterspruch gar nicht mehr die Rede sein.

Ob Argentinien es im Umgang mit derart aggressiven Gläubigern darauf ankommen lassen sollte, ist gleichwohl eine andere Frage. Anscheinend sei die Entscheidung des US-Bezirksgerichts durch eine Entscheidung Argentiniens neutralisiert worden, sich einfach nicht darum zu kümmern, so "Bloomberg" am 30. September. Griesa befand Argentinien mache sich einer "Missachtung des Gerichts" schuldig; Argentiniens Kabinettschef befand nonchalant, Griesas Deklaration sei unbegründet und habe keine praktischen Auswirkungen.

Darum, in welche Richtung der "umgedrehte Spieß" am Ende wirklich zeigen wird, wird noch gerungen. Aber Argentiniens Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen - und sein Juristenteam hat Buenos Aires ebenfalls noch nicht gefeuert, dem Rat Hans Humes' zum Trotz.

Dafür beendete Paul Singer, einer der hauptsächlichen Kontrahenten Argentiniens, seine Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei der früheren US-Außenministerin Madeleine Albright. Der "kurzfristige" Auftrag sei beendet, weil Argentinien offenbar an einer Zusammenarbeit mit der früheren Außenministerin nicht interessiert gewesen sei.

Ein Wort der Warnung: der Autor dieses Nutzerbeitrags ist kein Ökonom. Zunächst einmal versucht er, sich mit Hilfe vorhanderer Berichte und Kommentare selbst etwas zu erklären.

Aber da es jetzt schon mal gedacht und aufgeschrieben ist, bloggt er auch darüber.

Wer's ungeprüft glaubt, ist selber schuld.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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