Flüchtlingspolitik: Kevin Rudd fällt um

Rettungsversuche Die australische Labour-Partei hat die anstehenden Parlamentswahlen fast schon verloren. Jetzt "punktet" sie auf einer Domäne der konservativen Opposition

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Kevin Rudd
Kevin Rudd

Foto: Cole Bennetts/Getty Images

Nach einem Jahr im Amt führte Australiens Premierministerin Julia Gillard die unpopulärste Regierung seit vier Jahrzehnten, so im Sommer 2011 der "Guardian". Nur rund ein Viertel erklärten laut Umfragen, sie wählen zu wollen.

Das lag nicht an der Konjunktur - Australiens Wirtschaft wuchs zweistellig. Lt. "Guardian" brach die sozialdemokratische (Labour) Premierministerin im Februar ein Wahlversprechen aus dem Vorjahr und kündigte eine CO2-Steuer an. Dass Australiens maßgebliche Exportindustrie, die in erster Linie auf Grundstoffen wie Eisenerz beruht, dagegen war, machte es nicht besser.
Immerhin: es war eher das gebrochen Wahlversprechen als die CO2-Steuer an sich, die Ärger auslöste. Zwei Drittel der Australier befürworten sie, jedenfalls mittlerweile. [Korrektur: die Zustimmung bezieht sich offenbar auf den Emissionshandel, nicht auf die von Gillard durchgesetzte CO2-Steuer. Für letztere kündigte Rudd am 16.07. an, dass sie durch einen weniger strikten Emissionshandel ersetzt werde.] Und eine Rückkehr von Gillards Vorgängers Kevin Rudd, den sie kurz vor den Parlamentswahlen 2010 parteiintern herausgefordert und abgelöst hatte, erscheine unwahrscheinlich, so 2011 der "Guardian". Um bei den Wahlen 2013 noch eine Chance zu haben, müsse der Labour-Partei schon etwas besseres einfallen als eine Wiederberufung Rudds als Parteiführer und Premierminister, so wurde ein Politikwissenschaftler zitiert.

Zwei Jahre später griff die Partei dann zu genau dieser Lösung: nach einem misslungenen ersten Anlauf gelang Rudd im Juni 2013 das Comeback als Parteiführer, und damit als Premierminister. Seine Chancen, das länger als für ein paar Monate zu bleiben, wurden allerdings als gering eingestuft. Es gehe eher um den Erhalt möglichst vieler Mandate als Oppositionspartei - um die Verhinderung einer "Kernschmelze" am Wahltag. Eine Umfrage im Juni ergab, dass drei Minister ihre Abgeordnetenmandate behalten würden, wenn Rudd der Kandidat sei, während sie diese unter Gillards Führung verlieren würden.

Nun könnte sich die Wahl an einem Thema entscheiden, das im Gegensatz zu Australiens Wirtschaftsstruktur kaum relevant für den Wohlstand des Landes wäre - der Flüchtlingspolitik. Strukturreformen wären ein wichtigeres Thema: Australien hängt stark von Rohstoffausfuhren ab, und in dieser Hinsicht besonders einseitig vom chinesischen Wachstum. Knapp ein Fünftel des australischen Bruttoinlandsproduktes haben direkt oder indirekt mit der Bergbauindustrie zu tun.

Tony Abbott, der Oppositionsführer der (konservativen) Liberalen Partei, war von vornherein geneigt, den wenig innovativen Interessen der Rohstoffindustrie entgegenzukommen. Einmal an der Regierung, werde er die CO2-Steuer streichen.

Dafür musste er der Öffentlichkeit auf einem anderen Gebiet etwas bieten: er griff die Labour-Partei auf dem Feld der Asyl- und Flüchtlingspolitik an. Ob er bereit sei, Tote auf sein Gewissen zu nehmen, indem er Flüchtlingsboote zur Rückkehr nach Indonesien zwingen werde, wurde er am 9. Juli gefragt. "Selbstverständlich" werde er die Verantwortung für das übernehmen, was unter seiner Aufsicht geschehe, "aber das Wichtige ist, die Boote zu stoppen".

Nun ist die Labour-Regierung eingeknickt. Sie will zwar keine Sheriffs auf See schicken, aber sie hat sich mit Papua Neuguinea - in einem Arrangement, das entfernt dem deutschen Muster im Kontext seiner Nachbarländer ähnelt - ein "Drittland" ausgesucht, in dem sie Flüchtlinge zum Beispiel aus Iran, Irak, Afghanistan oder Sri Lanka internieren lassen will. (Allerdings besteht dazu eine grundsätzliche Übereinkunft zwischen Australien und Papua-Neuguinea.)

Die - womöglich überrumpelte - konservative Opposition versucht sich mit Kritik: "Es ist immer das Problem anderer", äußert der Schattenminister für Einwanderung, Scott Morrison, voller scheinheiliger Empörung: es werde jetzt Papua-Neuguinea oder Indonesien aufgeladen (Video). Und Campbell Newman, Parteifreund Tony Abbotts und Premierminister des Bundesstaates Queensland, versucht die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Umfallen Rudds in der Asyl- und Flüchtlingspolitik gar nichts bringe: die Torres Strait zwischen Papua Neuginea und Australien lasse sich im offenen Aluminiumboot oder im Kanu überwinden. Tatsächlich mache die Regierung Rudd Papua-Neuguinea zu einem "Startplatz für eine zusätzliche Welle andauernder Einwanderung von Papua-Neuguinea nach Australien, legal oder illegal".

Aber Tony Abbotts Reise ins Premierministeramt, so Ten-Televison-Korrespondent Matt Moran (Video), sei jetzt deutlich weniger sicher geworden.

Man darf in der Politik viel falsch machen. Man kann auch eine überaus rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik betreiben. Wer das tut, ist allerdings gut beraten, sich als erfolgreicher Deichgraf gegen eine "Flüchtlingsflut" zu präsentieren.

Dazu eine australische Presseschau.

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Solomon Islands, 23.07.13
Federal Election, aktualisiert 12.07.13

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