Internationaler Tag der Pressefreiheit

Reisschüsseln Der 3. Mai ist seit 1994 der Internationale Tag der Pressefreiheit.

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Internationaler Tag der Pressefreiheit

Foto: FREDERIC J. BROWN/ AFP/ Getty Images

1993 erklärte die UN-Generalversammlung den 3. Mai zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Seit 1994 wird er jährlich begangen.

China sei das größte Gefängnis für Journalisten weltweit, 30 Journalisten und fast 70 Blogger sitzen dort zurzeit in Haft, schreibt Reporter ohne Grenzen in einem China-Spezial. Das ist eine einprägsame Aussage; lässt allerdings die Frage außer Acht, wie viele Journalisten und Blogger es in China eigentlich gibt. Prozentual dürfte sich für China, verglichen mit vielen anderen Ländern, ein sehr viel freundlicheres Bild ergeben. Die Methodik bei der Ermittlung des World Press Freedom Index 2013 und die Frage C10 im Fragebogen der Organisation, aber auch Formulierungen im Bericht selbst lassen den - mathematisch eher unbegabten - Leser vermuten, dass absolute Zahlen, nicht Prozentwerte, die Berechnung bestimmen.

Allerdings fließen auch strukturelle Fragen in den Fragebogen ein - und sie lassen vielleicht ahnen, warum Deutschland mit Platz 17 hinter vierzehn anderen europäischen Ländern liegt. In der cinesischsprachigen Welt liegen Taiwan auf Rang 47, Hong Kong auf Rang 58, und Singapur auf Rang 149. China - minus Hong Kong - erreicht nur Rang 173 von insgesamt 179 Rängen.

Die parteieigene, aber für eine relativ direkte Sprache bekannte chinesische Zeitung Huanqiu Shibao geht auf den Tag der Pressefreiheit ein: UN-Zentrale in New York begehe den Tag mit einer Zeremonie und rufe die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Sicherheit von Presseleuten in allen Ländern der Welt zu gewährleisten und den Teufelskreis der Straflosigkeit [für Verbrechen gegen Journalisten und Pressemitarbeiter] zu durchbrechen. Der Huanqiu-Artikel bezieht sich auch auf eine gemeinsame Erklärung des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon und der UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova.

Es ist charakteristisch für UN-Dokumente dieser Art, hinsichtlich bestimmter Länder nicht allzu konkret zu werden - entsprechend gibt Huanqiu den Inhalt der Erklärung ohne erkennbare Bedenken wieder. Auch die Vergabe des UNESCO-Guillermo Cano World Press Freedom Prize an die äthiopische Bloggerin Reeyot Alemu findet Eingang in den Artikel, und ebenso die Windhoek-Deklaration zur Pressefreiheit, die ebenfalls an einem 3. Mai - 1991 - verabschiedet wurde.

Viele regionale chinesische Online-Medien, aber auch die überregionale Nachrichtenwebsite der chinesischen Jugendliga China Youth Daily, beschränken sich bisher offenbar auf eine knappe Agenturmeldung des China News Service, die sich auf Ban Ki-moons Forderung nach mehr Sicherheit für Journalisten beschränkt.

Das lässt allerdings nicht darauf schließen, chinesische Journalisten sähen in Chinas mangelhafter Pressefreiheit kein Problem: als am 23. Juli 2011 bei Wenzhou zwei Hochgeschwindigkeitszüge kollidierten, führte das zu einer überraschend kritischen Berichterstattung - Doppelpod, ein deutscher Blog über China, nahm sogar einen Quantensprung in der chinesischen Debattenkultur wahr. Das, was in chinesischen Mikroblogs begonnen habe, erreiche auch die politischen Fernsehsendungen und die Zeitungen. Selbst die parteieigene Volkszeitung ging am 26. Juli in die technischen Details und zitierte Augenzeugen.

Einige Tage lang sah die Propagandaabteilung der KP Chinas dem zu, offenbar ohne ernsthaft einzugreifen. Am 29. Juli aber zog sie die Reißleine: in einer dritten Beschränkung der Berichterstattung wies sie Berichten zufolge über hundert Publikationen an, ihre Artikel für den Folgetag zu streichen oder zu überarbeiten. Die "Temperatur der Berichterstattung" sei "schnell zu senken", und nur positive Nachrichten oder durch die Behörden freigegebene Informationen seien zu verbreiten.

Die Debatte kehrte zurück in die Microblogs: viele Nachrichtenredakteure redeten dort, soweit es die Zensur zuließ, über das, was sie in ihren Zeitungen nicht schreiben durften. Man habe sich "harmonisieren" lassen, zitierte die Singapurer Zeitung Lianhe Zaobao einen Beijinger Nachrichtenredakteur. "Es ging nicht anders - wir müssen Rücksicht auf die Reisschüsseln von über zweitausend Mitarbeitern nehmen."

Nebenstehend ein kurzer Versuch, den diesjährigen internationalen Tag der Pressefreiheit aus einer chinesischen Presse-Perspektive zu sehen.

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Geschrieben von

JR's China Blog

Ich bin ein Transatlantiker (NAFO)

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