Netanyahus Rede

Gandalf vs. Saruman Der Mehrheit im US-Kongress war Netanyahu willkommen: der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, hatte ihn eingeladen - ohne Absprache mit dem Weißen Haus.

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Barack Obama führte einen Präventivschlag gegen den israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu, so der "Guardian" amd Dienstag: der amerikanische Präsident habe der US-Öffentlichkeit einige Eckdaten einer sich abzeichnenden Vereinbarung mit der iranischen Führung vorgestellt, um die Rede Netanyahus im Kongress schon vorab zu entschärfen.

Aber Netanyahu gab sich demütig angesichts der Einladung des Kongresses, dort eine Rede zu halten, und zu keinem Streit mit Obama aufgelegt. Jedenfalls zu keinem offenen Streit: in seiner Rede im amerikanischen Kongress umarmte er den (nicht anwesenden) Präsidenten, dass es krachte:

Obama habe die Sicherheitskooperation und die gemeinsame Nutzung von Geheimdienstunterlagen gestärkt, und anti-israelische Resolutionen in den UN verhindert. Und außerdem habe der US-Präsident Israel auch in weniger bekannten Fällen geholfen - während der Waldbrände in Israel 2010, während einer Belagerung der israelischen Botschaft in Kairo 2011, und mit einer Unterstützung für mehr Raketenabwehrgerät, "während wir im vorigen Sommer gegen die Hamas kämpften".

Fast alles ist eine Frage des Timings. Die Dankesbekundungen an den Präsidenten, die bei anderen Gelegenheiten durchaus auch als echte diplomatische Freundlichkeiten hätten gelten könnten, waren in diesem Fall vor allem eine Erinnerung daran, dass Amerika und Israel eine gemeinsame Bestimmung teilten, die Bestimmung versprochener (gelobter) Länder, die die Freiheit in Ehren halten und Hoffnung bieten.

Israel sei ein altes Volk, so Netanyahu, und

in unserer viertausendjährigen Geschichte haben viele versucht, das jüdische Volk zu zerstören. Morgen abend, am jüdischen Purim-Feiertag, werden wir das Buch Esther lesen. Wir werden von einem mächtigen persischen Vizekönig lesen, der Haman hieß und der vor 2500 Jahren eine Verschwörung zur Zerstörung des jüdischen Volks betrieb. Aber eine mutige jüdische Frau, Königin Esther, entlarvte die Verschwörung und gab [oder gained, erlangte?] für das jüdische Volk das Recht, sich gegen ihre Feinde zu verteidigen.

Die Verschwörung wurde vereitelt. Unsere Menschen wurden gerettet.

Heute stehen die Juden einem Versuch eines weiteren persischen Potentaten gegenüber, uns zu zerstören. Irans oberster Führer Ayatollah Khamenei spuckt den ältesten Hass, den ältesten Hass des Antisemitismus mit der neuesten Technologie. Er twittert, Israel müsse vernichtet werden - er twittert. Wissen Sie, im Iran gibt es kein so richtig freies Internet. Aber er twittert in Englisch, Israel müsse zerstört werden.

Und wer glaube, Iran bedrohe den israelischen Staat und nicht die Juden, solle sich Hassan Nasrallah, den Hisbollahführer und hauptsächlichen iranischen Terrorstellvertreter anhören. Der habe schließlich gesagt, wenn sich alle Juden in Israel versammelten, müsse man sie nicht um die ganze Welt jagen.

Irans (relativ regional beschränkte) Aktivitäten beschrieb der israelische Ministerpräsident als eine globale Herausforderung. Auch der iranische Krieg gegen ISIS mache Iran nicht zu einem Freund Amerikas:

Iran und ISIS wetteifern um die Krone des militanten Islam. [...] In diesem tödlichen Game of Thrones gibt es keinen Platz für Amerika oder Israel, keinen Frieden für Christen, Juden oder Moslems, die das islamistische mittelalterliche Glaubensbekenntnis nicht teilen, keine Rechte für Frauen und keine Freiheit für irgend jemanden.

Wenn wir von Iran und ISIS reden, ist der Feind unseres Feindes unser Feind.

Allerdings sei Iran besser ausgestattet als ISIS und sei im Begriff, Atomwaffen zu erwerben. Jede Vereinbarung, der Teheran überhaupt nur zuzustimmen bereit sei, würde zu einer nuklearen Infrastruktur des Landes führen, mit dem der Schritt zur atomaren Bewaffnung - sobald Teheran sich dafür entscheide -nur ein Jahr oder noch weniger dauern werde. In dem Licht sei ein Jahrzehnt - von einer etwa zehnjährigen (oder längeren) Vertragsdauer hatte die Obama-Administration gesprochen - keine lange Zeit.

Eine solche Lage müsse verhindert werden, und mit einer Aufrechterhaltung des Drucks auf den Iran und mit einem Bestehen auf einer besseren Vereinbarung könne sie verhindert werden.

In dem Game of Thrones, das im US-Kongress gespielt wurde, warnte Gandalf Saruman vor einem falschen Frieden.

Der ferngeherzte Zauberer im Weißen Haus allerdings gab sich unbeeindruckt: er habe im Transkript der Rede des israelischen Ministerpräsidenten nichts Neues gelesen. Und die Chefin der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bewertete Netanyahus Rede als eine Beleidigung der Intelligenz der Vereinigten Staaten.

Das iranische Auslandsradio "Voice of Justice" zitierte Marzieh Afkham, Sprecherin des iranischen Außenministeriums, mit den Worten, Netanyahus Rede sei gefüllt gewesen mit Täuschungen, diversen Wiederholungen, und Langeweile. Die Rede zeige vor allem die extreme Isolation des Redners.

Unter einer Reihe von früheren leitenden israelischen Geheimdienstlern gilt Netanyahus Besuch im US-Kongress, ohne Absprache mit der amerikanischen Exekutive, als schädlich für die israelischen Beziehungen zu seinem wichtigsten Verbündeten.

Netanyahus Likud-Partei pampte:

dies ist eine wiederaufbereitete Version der gleichen Generäle - Linke, die in Oslo Frieden versprachen, Disengagement [Rückzug aus Gaza] und die "Arabische Friedensinitiative" unterstützten, die auf der Teilung Jerusalems beruht, und die einen Rückzug von Judäa, Samaria und den Golanhöhen verfochten.

Netanyahus Wiederwahl gilt nicht als völlig ausgemacht. Aber eine von der früheren Justizministerin Tzipi Livni und dem Labour-Chef Isaac Herzog geführte Zionistische Union wittert zumindest bei der Kandidatenfrage etwas Morgenluft: Herzog, der Kandidat des Bündnisses, führt laut Meinungsumfragen erstmals vor Netanyahu.

Ob sich bei den gleichzeitig stattfindenden Knessetwahlen ebenfalls Mehrheiten ergeben, wäre immer noch eine getrennte Frage.

Immerin aber könnte Obama in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit womöglich entspannter ans Telefon gehen.

Im Kongress hingegen wird sich nichts mehr ändern. Der will Teil der Diskussion der Diskussion (über eine etwaige Übereinkunft mit dem Iran) sein, so Mitch McConnell, Senator aus Kentucky und republikanischer Mehrheitsführer im US-Senat.

Vergangene Nacht hat er schon mal damit angefangen.

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