Argentinien erwägt "Einbindung der Streitkräfte"
Der deutsche Dienst des Auslandsdienstes RAE berichtete am Mittwochabend,
die argentinische Regierung analysiert die eventuelle Einbindung der Streitkräfte in Fragen der inneren Sicherheit. Das wurde heute vom argentinischen Präsidenten im Rahmen des Tags des Heeres vorgeschlagen. "Wir brauchen Streitkräfte, die mehr mit anderen Bereichen des Staates zusammenarbeiten, zum Beispiel durch logistische Unterstützung der Sicherheitskräfte, um das argentinische Volk angesichts der aktuellen Bedrohungen und Herausforderungen zu schützen, ohne dabei das Hauptziel unserer Streitkräfte zu vernachlässigen, nämlich den Schutz der Souveränität und der territorialen Integrität unseres Landes."
Das Staatsoberhaupt forderte auch die Verstärkung der Rolle der Streitkräfte bei UN-Friedensmissionen wie auf Haiti oder Zypern, wo die argentinischen Truppen eine wichtige Rolle gespielt haben. Macris Aussagen stehen im Zusammenhang mit Gerüchten über eine mögliche der Änderung einer Vorschrift, die die Beteiligung der Armee, der Marine und der Luftwaffe in inneren Angelegenheiten einschränkt. Laut Regierungsquellen könnte das Militär neben der Zusammenarbeit im Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus auch strategische Standorte wie Kernkraftwerke oder Wasserkraftwerke bewachen. Dies führte zu Ablehnung bei Menschenrechtsorganisationen wie den Großmüttern vom Plaza del Mayor. Die Führerin dieser Organisation, Frau Estela de Carlotto, versicherte, dass die Exekutive mit diesem Vorschlag die Streitkräfte veranlasse, wieder an einen inneren Feind zu denken.
Argentiniens Finanzkrise
Argentinien hat den Internationalen Währungsfonds (IWF oder IMF) um Unterstützung angehen müssen, nachdem die Landeswährung Peso einem Bericht der "Deutschen Welle" vom 28. Mai zufolge gegenüber dem US-Dollar erheblich an Wert verloren hatte. Der Bericht macht für die Währungsprobleme ein großes Außenhandelsdefizit, steigende Staatsverschuldung und Inflation verantwortlich. Die Inflationserwartung des IWF liege für 2018 bei 23 Prozent.
Brasilien - Unterstützung für Lula da Silva
Brasilien brauche ihn "mehr denn je", erklärte der frühere (und vielleicht auch zukünftige) Präsident Brasiliens in einem Brief aus dem Gefängnis, über den "Le Monde" Mitte Mai berichtete.
Sechs frühere europäische Staats- und Regierungschefs sehen das offenbar ähnlich: der frühere französische Präsident Francois Hollande, Italiens frühere Ministerpräsidenten Massimo d'Alema und Romano Prodi (letzterer außerdem früherer EU-Kommissionschef), Spaniens früherer Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und Belgiens früherer Ministerpräsident Elio Di Rupo.
Lula da Silva müsse in die Lage versetzt werden, sich der Wahl des brasilianischen Volkes zu stellen, forderten die Europäer, die da Silva als einen unermüdlichen Urheber der Verringerung von Ungleichheiten in Brasilien und als Verteidiger der Armen Brasiliens bezeichneten.
Deutschland - Änderungsantrag zum DW-Gesetz
Ein Änderungsantrag der AFD zum Deutsche-Welle-Gesetz (DWG), eingebracht am 17. April, wurde am 20. April im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert. An der Aussprache beteiligt waren die Abgeordneten Thomas Ehrhorn (AFD), Elisabeth Motschmann (CDU/CSU), Thomas Hacker (FDP), Martin Rabanus (SPD), Doris Achelwilm (Linke), Margit Stump (Bündnis 90 / Die Grünen) sowie Martin Erwin Renner (AFD, Kurzintervention).
Gegenstand des Änderungsantrags war die Frage der Staatsferne des Verwaltungsrats der Deutschen Welle (DW).
Sowohl sachbezogen als auch (relativ) problembewusst fiel der Beitrag Achelwilms aus. Sie wies darauf hin, dass DW-Gremien nicht geschlechtergerecht besetzt seien. Sie wies außerdem - allerdings mit großer Zurückhaltung - auf die Gestaltung vieler Arbeitsverträge bei der Deutschen Welle hin. Sie beschränkte sich dabei auf die gewerkschaftliche Perspektive. Welche Auswirkungen eine schwache Arbeitnehmerstelle auf die Qualität der Arbeit haben kann, bleibt für gewöhnlich außenvor.
Befristete Arbeitsverträge sind nicht die besten Freunde eines integren Journalismus, wie die DW ihn laut Eigenwahrnehmung selbst praktiziert. Als die DW in den Jahren 2010/2011 vier Mitarbeiter der China-Redaktion entließ, musste sie sich dazu dem Vernehmen nach nicht viel einfallen lassen: laut Angaben der Betroffenen verzichtete der Sender auf eine Verlängerung ihrer Verträge.
Für derartige Themen bringt der Deutsche Bundestag - ob nun links oder rechts - leider kein öffentlich wahrnehmbares Interesse auf, oder allenfalls - wie bei der Linken - in sehr diskreter Form.
Im Mai 2014 beklagte ein anonymer DW-Mitarbeiter in einem "Junge-Welt"-Interview, in die Begriffswahl der Redaktion werde auf unsinnige Weise eingegriffen:
Aktuell ist z.B. die Vorgabe, den Begriff "Referendum" – gemeint ist die Abstimmung in der Ostukraine – immer in Anführungszeichen zu schreiben oder mit dem Zusatz "illegal" oder "sogenannt".
Ursächlich für derartige Gängelungen war nach Ansicht des Redakteurs, dass "die DW sehr hierarchisch strukturiert" sei. Es sei "halt ein fruchtbarer Boden für die Zensur, wenn man als Journalist eine Familie mit zwei Kindern ernähren muß und auf Basis von Zeitverträgen arbeitet."
Allerdings hatte der 2014 bereits amtierende DW-Intendant Peter Limbourg, der am 20. April die Aussprache im Bundestagsplenum von der Zuschauertribüne aus verfolgte, laut Journalistenverband über ein Jahr vorher verfügt, dem journalistischen Auftrag des Senders sei Vorrang einzuräumen.
Wieviel - oder wie wenig - daraus geworden ist, entzieht sich der öffentlichen Debatte
Nordkorea: Verhandlungen über Entführungsopfer?
Japans Premierminister Shinzo Abe erklärte am Samstag, er werde mit US-Präsident Donald Trump zusammenarbeiten, um den amerikanisch-nordkoreanischen Gipfel in Singapur zu einer Gelegenheit für Fortschritte bei der Lösung von Problemen mit Nordkorea zu machen.
Das Verhältnis zwischen Nordkorea und Japan - aber in gemilderter Form auch zwischen Südkorea und Japan - ist sowohl durch Japans historische Rolle als Aggressor und Kolonialmacht über Korea belastet, als auch durch die Entführung japanischer Staatsbürger durch Nordkorea.
Bei einer Pressekonferenz mit Abe am 18.04. versicherte US-Präsident Donald Trump, man werde "sehr hart daran arbeiten, diese Menschen zurückzubringen." Dieses Versprechen werde in Japan sehr ernst genommen, notierte ein ABC-Reporter im Mai. Es bestünden jedoch zwischen Washington und Tokio Differenzen darüber, wie man dabei vorgehen wolle. Die amerikanische Seite sei der Ansicht, die Forderung nach einer Aufgabe der nuklearen Bewaffnung durch Nordkorea und die Freilassungsbemühungen solle man nicht aneinander binden, da das ihre Freilassung komplizieren würde. Japan hingegen
sagt, dass die vielen Bedrohungen, die von Nordkorea ausgehen, alle zusammen gelöst werden müssen: "es braucht eine umfassende Lösung dieser Probleme, inklusive Entführungen, nukleare [Bewaffnung] und Raketen", erklärte [der frühere Minister für das Entführungsproblem] Yamatani gegenüber ABC News. "Wir halten es für erforderlich, dass dies die notwendigen Bedingungen sind, die erfüllt werden müssen, wenn Nordkorea ein friedlicher Staat werden soll."
Kommentare 6
Nicht nur Brasilien und Argentinien, auch anderswo brodelt es in Lateinamerika. Massive Währungskrisen (welche Überraschung, bei 8% Zinsen auf Dollaranleihen und einem zeitweisen Zufluss von 'hot money'!), dazu Wahlen in Kolumbien, Brasilien, Mexiko - die nächsten Jahre könnten ungemütlich werden, es ist fast wie in den 80ern. Allerdings stünde China als alternativer Geldgeber bereit, wenn die Regierungen der Region das wollen.
Interessante Entwicklungen gab es in letzter Zeit auch im Südchinesischen Meer. Der Aufbau der chinesischen Weltordnung schreitet voran, mit immer weniger nennenswertem Widerstand...
Der Aufbau der chinesischen Weltordnung schreitet voran, mit immer weniger nennenswertem Widerstand...
Das, was in Ost- und Südostasien passiert, verfolge ich ja mit einigem Interesse. Können Sie präzisieren, was Sie mit dem Fortschreiten der chinesischen Weltordnung meinen? Welche Widerstände sind gebrochen?
Ich habe den Eindruck, dass sich alle mit Chinas Kontrolle der SCS abgefunden haben; zumindest vernehme ich keine nennenswerten Proteste gegen die Raketenstationierung. Auch bei den Flügen der chin. Luftwaffe rund um Taiwan waren die Reaktionen m.W. sehr mau. Heute in Singapur saß Xi als 'unsichtbarer Dritter' mit am Tisch - ohne seinen Segen (und seine Garantien an Kim) hätte es das Gespräch in dieser Form kaum gegeben.
Im wirtschaftlichen Bereich spielt die Wiedereinsetzung der Iran-Sanktionen China sehr in die Hände, da es die Attraktivität des RMB als Transaktions- und Reservewährung erhöht. Je unberechenbarer Washington erscheint, desto mehr wird Beijing zum verlässlichen ruhenden Pol und zur 'indispensable nation'. In Asien sowieso, zunehmend auch global.
Ich habe in den letzten Tagen ein bisschen gesammelt, weil das Absenden von Kommentaren hier derzeit mal wieder etwas schwierig war. Vielleicht geht's jetzt.
zumindest vernehme ich keine nennenswerten Proteste gegen die Raketenstationierung
Sie meinen die Marschflugkörper? Nein, gegen die war nichts zu hören. Duterte lässt offenbar auch über eine "gemeinsame Nutzung" der Energievorkommen in der philippinischen SEZ verhandeln, aber das ist für ihn eine Gratwanderung. Entsprechend seine Fensterreden. Vielleicht ahnt er, dass ihn die derzeitige Opposition einstweilen die Drecksarbeit machen lässt (Preisgabe von Souveräntitätsrechten, "war on drugs", um später Saubermann zu spielen und ihn dann dafür zum Sündenbock zu machen.
Dass man sich aber mit Chinas Kontrolle der SCS abgefunden habe, halte ich für einen Eindruck, der mit der Realität nichts zu tun hat. Die SCS ist schließlich weitaus größer als das, was China davon faktisch kontrolliert.
Es kann durchaus sein, dass China internationales Recht erfolgreich missachtet und sich die philippinischen Zonen aneignen wird. Aus chinesischer Sicht handelt es sich beim Südchinesischen Meer um einen Testfall für die Entwicklung der strategischen Chancen Chinas ("Huanqiu Shibao"). Und ein im verlinkten Huanqiu-Artikel zitierter australischer Senator namens Molan hält den Zug in der Tat für abgefahren. (Der australische Artikel liegt mittlerweile hinter einer Bezahlschranke, aber ich habe mir eine Kopie davon gezogen. Sollte der chinesische Artikel den Eindruck erwecken, Molan rede einem Krieg das Wort, gibt der australische Artikel das jedenfalls nicht her.)
Was China auf den Spratlys tut, stellt eine Vorrüstung dar. Ich schrieb ja vor etwa zwei Jahren, dass amerikanische Bombardierungen chinesischer Installationen sowieso nicht das sind, was Vietnam, Malaysia oder Singapur haben möchten - insofern lautet die chinesische Botschaft vor allem: "wir machen das, weil wir es können".
Allerdings hatte China das Recht, als ich vor zwei Jahren vom Unterschied zwischen einstweilen nicht ausübbaren Rechten und tatsächlicher Kontrolle schrieb, noch nicht offen gebrochen. Mit heutigem Kenntnisstand kann ich mir also durchaus vorstellen, dass China irgendwann eine militärische Blockade über das gesamte Südchinesische Meer verhängt oder zu verhängen versucht - also auch den Status Quo der tatsächlichen Kontrollverhältnisse anderer Staaten nicht mehr respektiert. Immerhin kam Deutschland 1938 mit der Annexion eines kompletten Staates davon, und es kann mitunter dauern, bis aus aggressivem Verhalten eines Staates unbequeme Schlüsse gezogen werden.
Das heißt aber nicht, dass China in den Augen der Welt "zum verlässlichen ruhenden Pol" würde - das Gegenteil ist der Fall. Nur thematisiert man das in Europa nicht so gern, weil man zum einen der Ansicht ist, die Probleme anderer Staaten mit China seien nicht Europas Probleme, und weil man sich laufende Kooperationen mit Beijing nicht von einer schlechten Presse kaputtmachen lassen möchte - zumindest nicht in Deutschland.
Stellen Sie sich mal vor, was für eine Party die Presse in Deutschland feiern würde, wenn ein Trump-Funktionär hier Vergleichbares täte wie vor ein paar Jahren Xu Lin auf einer Sinologenkonferenz in Portugal - oder wenn ein Putin-Funktionär so eine Nummer auf einer Slawistikkonferenz abzöge. Das war keine Bagatelle. Das war eine chinesische Amtshandlung, und wer sie missdeutet oder sich von transatlantischen Spannungen so beeindrucken lässt, als gebe es nur noch Volkswagen und Trump, tut das auf eigene Gefahr.
Es geht vor allem um Luftabwehr. Cruise Missiles gibts auch - eben das, was für eine militärische Kontrolle der SCS (bzw. des strategisch entscheidenden Kerngebiets derselben) nötig ist. Die ökonomische Nutzung ist sekundär; da hat Beijing sicher kein Problem, den Philippinen etc. entgegenzukommen. Warum glauben Sie, dass man sich in Manila nicht mit der Entwicklung abgefunden habe?
Es ist das alte Thema, Realismus vs. Idealismus. Es geht hier um nackte Machtpolitik, und da entscheiden die ‘facts on the ground’, wer am längeren Hebel sitzt. Hegemon zu sein bedeutet auch, internationales Recht ignorieren zu können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen - die westlichen Staaten machen das seit Jahrzehnten vor. Die Länder der Region sind militärisch zu schwach, um die SCS selbst zu kontrollieren - die einzige Alternative wäre also eine US-Hegemonie (wie bisher). Insofern ja: "wir machen das, weil wir es können" - und wenn die USA es nicht mit (Androhung von) massiver Gewalt verhindern, wird es dabei bleiben und werden die Anrainer sich damit arrangieren.
Wenn das stimmt, warum sollte China dann eine militärische Blockade verhängen? Damit würde es sich selbst wirtschaftlich schaden und seinen globalen Ruf ruinieren. Das strategische Ziel ist doch vielmehr, zu verhindern, dass die Amerikaner diese Möglichkeit haben, sollte der Handelskonflikt eskalieren. Mit ihren FoN-Übungen haben diese bislang signalisiert: ‘wir können militärisch agieren wie und wo wir wollen, können Eure Handelswege bei Bedarf kappen, und ihr könnt uns nicht daran hindern.’ Europa kann nicht überall mitmischen, selbst wenn es wollte, und spielt in der Region keine große Rolle.
‘Verlässlicher ruhender Pol’ ist relativ. Es gibt regional fast immer einen hegemonialen Staat bzw. Bündnis, und derzeit erscheint Beijing m.E. als deutlich zuverlässigerer (potentieller) Hegemon als Washington. Damit ist keineswegs ausgeschlossen, dass sich das eines Tages ändern und China seine Macht missbrauchen könnte, wenn sie ausreichend gefestigt und nicht mehr infrage gestellt ist/ scheint (dasselbe gilt für Russland, ohne das Chinas Macht ohnehin nicht viel wert ist).
Dass ein Hegemon seine eigene Lesart der Geschichte und Gegenwart verbindlich durchsetzen will, ist (leider) ebenfalls normal. In den letzten Jahren erleben wir geradezu ‘Geschichtsfälschung in Echtzeit’, werden selbst Ereignisse der jüngsten Vergangenheit so umgeschrieben, dass sie ins hegemoniale Narrativ passen. Das Internet vergisst nicht ‘nichts’, sondern ‘erstaunlich schnell’.
Ich versuche, alle Staaten bzw. Akteure an denselben Kriterien zu messen, was in der hiesigen politischen Debatte wahrlich nicht einfach ist. Ob es mir immer gelingt, sei dahingestellt.
Ich versuche, alle Staaten bzw. Akteure an denselben Kriterien zu messen, was in der hiesigen politischen Debatte wahrlich nicht einfach ist.
Das finde ich legitim. Ich tue das auch, und damit steht für mich z. B. die russische Syrienpolitik besser da als die russische Ukrainepolitik. Standards alleine bestimmen nirgendwo das Verhalten.
Warum glauben Sie, dass man sich in Manila nicht mit der Entwicklung abgefunden habe?
Die Philippinen müssen sich einstweilen mit ihrer Machtlosigkeit abfinden - aber sie müssen ihre Rechtsposition und ihre Perspektive nicht aufgeben. Nicht einmal China verlangt meines Wissens - vor einer "gemeinsamen" Nutzung der dortigen Bodenschätze - eine ausdrückliche Anerkenntnis seines Gebietsanspruchs. Fakten schaffen durch Gewöhnung ist die Beijinger Maxime.
Gegen eine Aufgabe des philippinischen Anspruchs spricht auch, dass dieser je nach zukünftigen Verhältnissen leichter durchzusetzen sein könnte als heute. Dass China wirklich "der" Hegemon wird, predigt zwar seine eigene Propaganda - und das predigen auch viele derjenigen, die dort investiert sind -, aber die Art und Weise, wie Xi Jinping zunächst mit Bo Xilai und dann mit dem Kollektiv fertig wurde, spricht nicht für stabile innere Verhältnisse, und die alternativlose "Begeisterung" der chinesischen Mittelschicht tut es auch nicht.
Es waren im März meiner Wahrnehmung nach vor allem etablierte Unterstützer der chinesischen Autokratie, die im Angesicht des Xi'schen "Personenkults" (der gar nicht das eigentliche Problem, sondern ein Mittel zum Problem ist) Bedingungsbedenken gezeigt haben. (Sie waren allerdings wohl auch vornehmlich diejenigen, die von Xis Schachzügen überrascht waren.)
Eine Einmanndiktatur ohne Mut zum Kollektiv oder gar zum Bau von Institutionen ist ein besonders extremes Beispiel für ein System, das nichts dem Zufall überlassen will, oder darf. Und mir fällt derzeit kein großes Volk ein, das so manipulierbar wäre wie das chinesische. Sollte Xi erfolgreich etwas angehängt werden - sei es von innenpolitischen Gegnern, sei es von externer Propaganda -, dürfte sich sein Modell als Kartenhaus erweisen.
Einen derart weiten Blick nehmen allerdings fast nur noch Feinde der KP Chinas ein, und unter ihnen vor allem solche, die es an Machtbewusstsein und Extremismus am ehesten mit ihr aufnehmen können. Dass ein erheblicher Teil der staatlichen chinesischen Kurzwellensender nur noch aktiv ist, um Minisender der Falun Gong zu übertönen, mag auf den ersten Blick ironisch wirken bei einem so modernisierten und digitalisierten Staat wie China. Es könnte aber auch zu denken geben.
Unter sonst gleichen innenpolitischen Bedingungen Chinas kommt regional hinzu. dass neben den USA Indien ein dritter großer Spieler ist. Die chinesischen Medien werden zwar nicht müde zu betonen, dass Indien sich nicht vor Amerikas Karren spannen lassen werde, aber das müssten sie nicht erzählen, wenn sie dort kein Problem sähen.
Und es gibt eine regionale Gewöhnung an eine überwiegend konstruktive Rolle Amerikas im Fernen Osten seit den 1940er Jahren: an Gebietsstreitigkeiten sind die USA nicht oder kaum beteiligt.
Insofern hat die Trump-Administration m. E. in der Sache Recht, auch wenn sie dabei ein abschreckendes Gesicht zeigt: soll es in der Region ein Gleichgewicht zwischen China und seinen Nachbarn geben, wird das nicht auf bi-hegemonialer Basis gehen. Amerika ist dafür nicht mehr stark genug, und Indien wird es - zumindest in Ostasien - wohl nicht werden. Es sind also außerhalb Chinas laterale Bündnisse gefragt, und keine Beziehungen von oben nach unten.
Es ist das alte Thema, Realismus vs. Idealismus.
Wohl eher Realismus und Idealismus. Selbst Mao war Materialist und Idealist, theoretisch wie praktisch. Ich habe davon in chinesischen Propagandafachartikeln nie etwas gelesen, aber mich erinnert der chinesische Nationalismus sehr an den Fichtes (was ja ideengeschichtlich auch nur ein paar Kapitel von Marx entfernt ist).
Gleiches wird für Chinas Nachbarn gelten. Es ist zum Beispiel idealistisch, wenn viele Chinesen glauben, ihre Hegemonie sei eine ausgemachte Sache. Frustrationen sind vorprogrammiert.
Wenn das stimmt, warum sollte China dann eine militärische Blockade verhängen?
Ich meine, Ihre Annahmen stimmen nicht - sie berücksichtigen nicht, dass die Situation dynamisch ist. Seinen regionalen Ruf ruiniert China ohnehin - das spricht sich global bzw. in Europa nur nicht herum. (Wer für so teures Geld investiert, will sich sein Objekt nicht madig machen lassen.) Tatsächlich war es der chinesischen Führung in den letzten Jahrzehnten wohl ziemlich wurscht, was man von ihr denkt - das ändert sich möglicherweise mit Xi, aber zahlen will niemand für ein besseres Ansehen.
Spannend wird aus meiner Sicht die Frage sein, ob in Ostasien wieder die Gesetze gelten werden, die - vergröbert - bis ins 18. Jahrhundert vorherrschten, oder ob die Basis der chinesisch-regionalen Beziehungen heute völlig anders ist als früher. Die Antwort darauf halte ich für weit offen. Sicher ist nur: die früheren (oder ihnen vergleichbare) Verhältnisse wünscht sich kein Nachbarland Chinas - und sie sind kreativ.