Kondolenzbesuch

Mrs. H. Vor den Müttern sterben die Töchter

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Neulich saßen wir, etwas erschöpft von der Fahrt im Mietwagen vom Flughafen über Autobahnen mit dreispurigen Roundabouts, im Wohnzimmer ihres Reihenhauses, und Mrs. H. berichtete bei Tee und Gebäck von Sterben und Tod ihrer Tochter. Mrs. H. wird demnächst 93, die Tochter war, als sie im Herbst des letzten Jahres an Lungenkrebs starb, 70 Jahre alt.

Die alte Dame berichtete lebhaft, mit vielen Details. Sie erzählte, immer noch empört, von ihren Auseinandersetzungen mit der Verwaltung des Hospitals, die zunächst nicht habe zulassen wollen, dass an einem Nebeneingang eine Bank aufgestellt wurde, auf der die sterbende Tochter ihre letzten Zigaretten rauchen durfte. Sie habe erst zugestimmt, als sie angeboten habe, diese Bank selbst zu kaufen.

Dann zeigten wir ihr die Fotos ihrer Tochter aus den letzten 40 Jahren, die wir in unseren Alben gefunden hatten, und wir erzählten die Geschichten, die zu den Fotos gehörten. Mrs. H. begann leise zu weinen.

Sie äußerte die Absicht, uns noch in diesem Jahr mit der Enkelin auf dem Kontinent zu besuchen, und sie ermahnte mich, bis dahin mit dem Rauchen aufzuhören.

Ich nahm mir vor, es zu versuchen.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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