Spritztour zum Tempel

Integration im Alltag Christi Himmelfahrt unter Hindus

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Was tun mit Souvik an Christi Himmelfahrt? Keine Schule, kein Sprachkurs, keine Betriebe geöffnet, die wir nach einem Praktikumsplatz fragen könnten, nur die feiertägliche Langeweile eines Flüchtlingsheims in einem östlichen Vorort. Wäre es nicht ein Beitrag zur Integration des jungen Hindus aus Bangladesch, der seit wenigen Wochen in der Stadt lebt, ihn mit dem Brauch unserer Kultur vertraut zu machen, am Vatertag männliche Jugendliche ... in die Erfahrungen und Verhaltensweisen ihrer Väter einzuweihen?

Wir wollen Souvik, den wir als Lesepaten und Lotsen bei Behörden, Betrieben und Ärzten betreuen, die Begegnung mit dieser Erscheinungsform der deutschen Leitkultur ersparen und haben die Idee, den Hindu - Tempel in Hamm/Westfalen zu besuchen, von dem wir gehört hatten. Souvik stimmt nach kurzer Recherche im Internet zu, gibt aber zu bedenken, dass es sich um einen Tempel von Tamilen handle, deren Hinduismus er nicht kenne und uns nicht erklären könne.

Gegen 11:00 Uhr sind wir da. Industriegebiet, eine Spedition und ein Hersteller von Spannungsversorgungssystemen zur Oberflächenbeschichtung, dazwischen der Tempel zu Ehren der Göttin Kamadchi, der mit den Augen, in 2002 eingeweiht, der zweitgrößte hinduistische Tempel in Europa.

Auf dem Parkplatz viele Limousinen mit Kennzeichen aus E, K, DO, AC, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden. Aus dem Inneren kommt laute, schnelle, fröhliche Musik: Trommel, Klarinette (?), ein oder zwei Saiteninstrumente. Festlich gekleidete Menschen – die Frauen in bunten Saris, die Männer in dunklen Anzügen und weißen Hemden – streifen die Schuhe ab und strömen hinein. Wir folgen ihnen.

Im Tempel vollzieht sich eine Zeremonie, in deren Mittelpunkt ein junges Paar und ein Priester stehen, offenbar eine Hochzeit. Die beteiligten Familien, Freundinnen und Freunde des Paares und wir bilden die Kulisse. Wir verstehen nichts. Die Atmosphäre ist entspannt und informell, es wird viel gefilmt und fotografiert, manche sitzen auf dem Boden, viele Kinder.

Nach dem Ende der Zeremonie verlassen wir den Tempel und suchen unsere Schuhe. Zwei Männer nicken uns zu und sagen: „Kommt man an einem anderen Tag wieder. Wir machen Führungen und erklären, was Sache ist mit unseren Gottheiten und ihrem Tempel.“ Ihre Sprachmelodie verrät, dass sie hier im Ruhrgebiet aufgewachsen sind. Es scheint so, dass auch der Hinduismus zu Deutschland gehört.

Auf der Rückfahrt macht Souvik uns klar, dass er mit Religion eigentlich nichts im Sinn hat: „Much violence in my country, muslims against hindus, and in India hindus against muslims. Just the same shit.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden