Im Wartezimmer

Ukraine Solidarisches Wochenende

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im Wartezimmer des Urologen traf ich D., einen alten Kumpel aus der Fankurve des DSC Arminia.

Großes Hallo. Austausch von Infos über Familien, Krankheiten, andere alte Kumpel und die Chancen der Arminen, dem achten Abstieg zu entgehen („Schlecht!“). Dann berichtete er von seinem solidarischen Wochenende mit der Ukraine: Borschtsch nach Kiewer Art zubereitet und mit Wodka begossen (Khor De Luxe ), dann auf Youtube die Top 10 der K.O.-Siege von Wladimir Wladimirowitsch Klitschko angeschaut und am Sonntag mit der Lektüre des Romans „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ von Serhij Zhadan, einem Punk-Sänger und Literaturwissenschaftler aus Charkiw, begonnen - „musst du lesen!“

Ich war nicht amüsiert. Meine Empathie mit den Opfern des russischen Überfalls wird auf eine harte Probe gestellt, seit der ukrainische Botschafter durch die Talkshows zieht, um die Lieferung moderner Waffen einzufordern, die Kreml-Connection in SPD und Ampel anzuprangern und den Bundespräsidenten als Chef-Strategen eines russlandfreundlichen Netzwerks zu entlarven. Aber andererseits die vielen getöteten Zivilisten in Butscha. Die zwingen zur Solidarität mit der Ukraine– trotz ihres pöbelnden Botschafters. Oder?

Während sich D. zur Harnstrahlmessung verabschiedete, nahm ich mir vor, für die geflüchteten ukrainischen Kinder in Bethel zu spenden und mir den aktuellen Gedichtband von Serhij Zhadan zu kaufen. Von ihm hatte die Lokalzeitung am Wochenende diese Verse zitiert:

Wir haben gelernt, über unsere Vergangenheit zu sprechen / und über Krieg. / Wir haben gelernt, Pläne zu machen, ausgehend vom / Krieg. / Wir haben Wörter, um unsere Wut zu äußern. / Wir haben Wörter, um unser Mitleid zu äußern. / Wir haben Wörter, um unsere Verachtung zu zeigen. / Wir haben Wörter für Flüche, für Gebete, / wir haben alle unverzichtbaren Wörter, / um in den Zeiten des Krieges über uns zu sprechen. / Es ist uns sehr wichtig, in Zeiten des Krieges über uns zu / sprechen. / Wir können nicht anders, als in den Zeiten des Krieges über uns zu sprechen. / Wir halten es für fahrlässig, über uns zu schweigen.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden