Wahlabend

Niederschläge Sportberichte, Lyrik und Bier vor dem Katzenjammer

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Gegen 17:55 Uhr kam die Durchsage, dass der ICE nach Köln heute von Gleis 19 fahre. B. und ich setzten uns mit einigen Hundert anderen Kunden der Deutschen Bahn in Bewegung, fanden Gleis 19 und den Abschnitt, in dem unser Wagen halten sollte, fanden unsere reservierten Sitze, verstauten unser Gepäck, nahmen erschöpft Platz, suchten mit dem Smartphone nach ersten Prognosen zum Ausgang der Europawahl, fanden sie, erschraken über den Untergang unserer Sozis in Brüssel und Bremen, freuten uns über die Verluste der Konservativen, die enormen Zugewinne der Grünen und die wider Erwarten geringen Erfolge der Rechtspopulisten, packten Wasser und belegte Brötchen aus, tauschten mit unseren Sitznachbarn, die auf dem Weg zu ihrem Standort in der Lüneburger Heide waren, Meinungen über die Ergebnisse der Wahlen aus („Nieder mit den Eliten“, „Heimat statt Europa“, „Schade um die Sozis“), griffen enttäuscht erst zum Sportteil der Sonntagszeitung, dann zum neuen Lyrikband von Cees Nooteboom (amüsiertes Staunen bei den AfD-affinen Sitznachbarn), erreichten nach zweieinhalb Stunden Bielefeld, fuhren mit der Stadtbahn nach Hause und gönnten uns auf der Terrasse in der untergehenden Abendsonne ein herrliches Herforder.

Nach der zweiten Flasche sah die Welt dann schon wieder etwas freundlicher aus. Der Katzenjammer, das wussten wir, würde morgen ohnehin kommen.

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Geschrieben von

koslowski

"In Saloniki / weiß ich einen, der mich liest, / und in Bad Nauheim./Das sind schon zwei." (Günter Eich, Zuversicht)

koslowski

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