Nachdem die deutschen Vertreter am 28. Juni 1919 den „Schandvertrag von Versailles“ unterschrieben hatten und einer Besetzung des Landes durch die Siegermächte zuvorgekommen waren, rief die evangelische Kirche in Preußen zum Gebet auf: „Wie man auch urteilen mag über einzelne Handlungen der Regierungunseres Kaisers: fest steht die Reinheit seines Wollens, die Makellosigkeit seines Wandels, der Ernst seines persönlichen Christentums und seines darin tief begründeten Verantwortlichkeitsgefühls.“ Mit äußeren Mitteln vermöge man ihn nicht zu schützen, daher die Bitte, „in dieser Not den Kaiser und seine schwerkranke, in den Werken christlicher Barmherzigkeitvorbildlich bewährte Gemahlin nebst unseren deutschen Führern und Helden mit dem Wall unserer Fürbitten zu umgeben“.
Eine solche Liebeserklärung an die Hohenzollern hat 100 Jahre später noch gefehlt, in Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale: ein spiritueller Schutzschild aus Zuschauergebeten gegen die Anfeindungen der Medien, in denen gar von „Clankriminalität“ die Rede war, nur weil das Haus Hohenzollern seine Schlösser zurückhaben will oder wenigstens das Inventar und Tausende Kunstgegenstände: „Eier aus Stahl“ bescheinigte Böhmermann dafür dem Ururenkel des Kaisers, Georg Friedrich, aktuelles Oberhaupt der Familie, die wie andere Opfergruppen der deutschen Geschichte, etwa die Herero und Nama aus der Ex-Kolonie Deutsch-Südwestafrika, von Deutschland bis heute nicht entschädigt wurde.
„Seine Königliche Hoheit“ aber hat es geschafft, den Staat an den Verhandlungstisch zu bringen! Der Prinz von Preußen beruft sich auf das Bundesentschädigungsgesetz von 1994, das aber, so Böhmermann zu Recht, einen Haken hat, „einen kleinen Haken mit Kreuz“: Nicht jeder dahergelaufene Großgrundbesitzer bekomme einfach seine Schlösser zurück. Schon gar nicht, wenn die Antragsteller oder deren Vorfahren dem Nationalsozialismus erheblich Vorschub geleistet haben. Die Beweislast liegt jedoch beim Staat, der seit 25 Jahren mit den Kaisererben verhandelt – hinter verschlossenen Türen.
Dass Wilhelm II. – wie auch sein Erstgeborener, Kronprinz Wilhelm von Preußen, der u.a.in der Schlacht vor Verdun die deutsche 5. Armee befehligte – für Millionen Tote des Ersten Weltkriegs die Verantwortung trägt, spielte in der Auseinandersetzung bislang keine Rolle. Es geht um Recht, nicht um Gerechtigkeit. Darum schert sich Böhmermann nicht, leistet Aufklärung par excellence, ließ den Sprecher der Herero in Deutschland erklären, dass der Genozid an seinen Vorfahren bisher ungesühnt blieb. Stattdessen ist der deutsche Staat gerade dabei, die Nachkommen der Täter zu entschädigen: Tatsächlich will der Bund, schrieb die Süddeutsche Zeitung unlängst, einen Kompromiss: „Die Hohenzollern sollen einiges bekommen, aber eben möglichst wenig.“ Journalisten, die darüber berichteten undaus den geheim gehaltenen Gutachten zitierten, wurden vom Anwalt der Familie verklagt.
Mit Geheimdiplomatie dürfte es erst mal vorbei sein; Böhmermann hat alle Gutachten auf hohenzollern.lol geleakt und blickt einer juristischen Auseinandersetzung gelassen entgegen. Nebenbei hat er die Frage aufgeworfen, was aus Hitler ohne die Hohenzollern geworden wäre. Inwieweit haben die Eliten der Kaiserzeit zum Untergang der Weimarer Demokratie beigetragen? Und überhaupt: Warum verlangen in Russland die Romanows keine Entschädigung? Oder in Frankreich die Nachfahren von Ludwig XVI.?
Kommentare 16
@ Karsten Krampitz
Man sollte nicht darauf hereinfallen: In Deutschland gibt es keine Adligen. Dies wird jedoch insinuiert, wenn man, wie im Artikel zu lesen, schreibt: "der Prinz von Preußen".
Tatsächlich wurde 1919 der Adelsrang abgeschafft. Was die Blaublütigen jedoch gegenüber der sozialdemokratischen Partei durchsetzen konnten, war, dass dieser zum Namensbestandteil wurde.
Deshalb heißt der Typ auch "Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen" und nicht wie es früher war: "Prinz von Preußen Georg Friedrich Ferdinand". Österreich war konsequenter. Nach dem 1. Weltkrieg wurden die Adelstitel gänzlich abgeschafft.
Die Nachkommen der Adligen verstehen es blendend, ihre Nicht-Adeligkeit zu verbergen. Die Regenbogenpresse, aber auch der ör Rundfunk scheuen nicht davor zurück von Prinzen, Grafen, Prinzessinnen zu berichten. Und diese freuen sich klammheimlich darüber.
kennt jemand noch die herkunft der redensart: "ab nach holland!" ?
„Warum sollten die Urenkel eines monarchischen Kolonialherrn, eines der für den Ersten Weltkrieg Hauptverantwortlichen, Urenkel von Steigbügelhaltern des Naziregimes, warum sollten diese nun Geld oder ‚freies Wohnrecht‘ in Schlössern wie Cecilienhof in Potsdam bekommen?“, fragt die taz, und in der FAZ zeigt man sich irritiert, dass die Hohenzollern offenbar eine „institutionalisierte Mitwirkung“ an dem geplanten staatlichen Hohenzollern-Museum in Schloss Charlottenburg wünschen – lieber sollten diese erst einmal ihre Demokratiefähigkeit unter Beweis stellen.“ (Cicero)
UND – in Deutschland machen einige Satiriker mehr gegen die Politverdrossenheit - wie gut bezahlte Politiker! Als Ossi kenne ich noch die “Asbestgründelüge“ den Palast der Republik der DDR abzureißen!Nun entsteht doch das Berliner Stadtschloss neu … Ja, in Deutschland werden wieder die Pickelhauben auf Hochglanz poliert … Es ist eben kein Betriebsunfall der Geschichte, 1933, wo Hitler Potsdams Garnisonskirche so ganz "zufällig" besucht... und die Verbeugung vor dem Reichspräsidenten sagt doch eigentlich alles aus! Es geschieht nichts aus Zufall!
"Fatal ist mir das Lumpenpack,das, um die Herzen zu rühren,den Patriotismus trägt zur Schau,mit allen seinen Geschwüren." Heinrich Heine
es liegt an der "prinzen-rolle", daß sie sich als "erste" vor-schieben möchten.
man sollte historische "paten"-schaft nicht vergessen.
"Wir ziehen die Pickelhaube"
Wenn es erlaubt ist: Ein Lob für den Vorspann!
Die Thyssen, Krupp et.al haben den böhmischen Gefreiten nachweislich großzügig unterstützt und dennoch - oder deswegen? - im Wirtschaftswunderland der Bundesrepublik wieder ein Milliardenvermögen erworben. Da werden doch für die Nachfahren Wilhelms ein paar brosämliche Milliönchen vom reichsgedeckten Tisch des sozialdemokratischen Finanzscholzen abfallen.
Dafür wird das Gesetz von 1994 unerheblichen Vorschub leisten:"Leistungen nach diesem Gesetz werden nicht gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System in der sowjetisch besetzten Zone oder in der Deutschen Demokratischen Republik erheblichen Vorschub geleistet hat."
Nur weil der tumbe AuWi mal den Postkartenmaler bewunderte, hat er doch dem nationalsozialistischen System keinen erheblichen Vorschub geleistet. Nur so'n klitzekleines bißchen geschoben. Da könnte den Erben doch auch etwas zugeschoben werden. Wetten, dass?
danke für den schönen link.
und es ist erstaunlich, wie dynastien, religions-gemeinschaften
und parteien sich auf die würde langen geschichtlichen bestehens stützen,
aber genaue historiografische befunde unter den teppich kehren.
die "schirm-herren" so mancher vaterländischer schweinereien
beschirmen sich heute nur noch selbst und schuld war damals ein geist:
der zeit-geist.
@Rainer Erich Einspruch, im Sinne der Rechtsstaatlichkeit. Selbst die NS-Verbrecher wurden vor Gericht verhandelt in Nürnberg, auch jeder Mord wird vor Gericht verhandelt.In der Meinung bin ich bei Ihnen - allein das verhandeln (vor Gericht) als Zeichnen zu nehmen teile ich jedoch nicht.
@ Karsten KrampitzKorrekt! Und damit es gibt auch kein "Haus Hohenzollern", wie immer von allen Seiten gesagt wird. Nicht mehr.Erbschaft und Nachfahren gibt es - aber kein "Haus".
@Dissident...offensichtlich instrumentalisieren... - Einspruch!Es gibt einfach zu viele Schuldige und Mitschuldige und Dulder, auf das man sie alle in einem Beitrag benennen könnte. Ich gehe fest davon aus, dass auch die katholische Kirche, dass die Juristen, dass die Armee, das die Großbauern, das die Ruhrbarone, das die Gewerkschaften, das die.... - bis zum Ersten Weltkrieg war leider, leider eine allgemeine Kriegsbegeisterung überall stark verbreitet...GERN darf und soll man dies alles aufarbeiten. Aber jemand, der eine herausgehobene Gruppe benennt und alle anderen nicht, ist damit noch nicht instrumentalisiert.
>>Warum wurden dann nicht alle enteignet?<<
Die Kirchen sehen sich durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 enteignet. Der Staat zog Ländereien und Vermögen ein. Im Gegenzug verpflichteten sich die Landesherren unter anderem, die kirchlichen Würdenträger künftig zu besolden. Aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurde der Deutsche Bund, später das Kaiserreich, danach die Weimarer Republik und nach der Nazi-Diktatur schließlich die BRD.
Die Kirchen werden wegen 1803 auf ewig entschädigt, obwohl bei Gründung der BRD der spezielle Artikel aus der Weimarer Verfassung übernommen wurde: „Die (...) Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst." Das heißt beendet.
Schätzungen gehen davon aus, dass allein seit Gründung dieser Republik bis zu 20 Milliarden geflossen seien, um die Enteignungen von 1803 zu kompensieren. Die abgeschlossenen Konkordate zwischen den Ländern und den Kirchen weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Zahlungen weiter laufen. Aufgelöst können die Konkordate nur dann, wenn beide Seiten, also Staat und Kirche, zustimmen. Auch die neuen Bundesländer haben Konkordate nach der Wende unterschrieben. Die Macht diese zu ändern, liegt bei den Kirchen. Aber warum sollten sie? Solche Konditionen, die ihnen nur zum Vorteil gereichen, gibt's kein zweites Mal.
@ DissidentGern sollen Sie die "Verfehlungen" und Verbrechen der Kirchen aufzählen. Doch war DIES mein Punkt?Antwort: Nein. Mein Punkt war Ihre Behauptung, dass Böhmermann sich instrumentalisieren lässt, weil er nicht alle Gruppen aufführt.Ich bitte um präzise Beachtung.
Die Kirchen werden immer noch in vielen Punkten vom Staat ausgehalten - z.B. durch die Dienstleistung Steuereinzug. Dabei sieht dass GG nur vor, dass die Kirchen Steuern erheben dürfen, nicht dass der Staat dies übernehmen muss. Wenn die katholische Kirche weiterhin GG Art 3(2) {(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.} einfach ignoriert, ist die im meinen Augen eine grobe Pflichverletzung aller beteiligten Beamten.
Sogar der Deutschlandfunk hat in einem lichten Moment mal gesendet:
"Der staatliche Steuereinzug wurde in einem Konkordat von 1933 zwischen der Hitlerregierung und dem Heiligen Stuhl geregelt. Es ist der einzige internationale Vertrag der Nazi-Regierung, der nicht aufgehoben wurde."