Plädoyer für den Weltfrieden - Deutschlands Verantwortung

Kein Natoeinsatz in Ukraine Es kursieren solche Narrative oder Aufrufe herum wie "Operation Z-Day: die Russen „nach Hause schicken“, ... Lufthoheit über dem Schwarzen Meer."Gerade Deutschland hat die Verantwortung aus seiner Historie, einen anderen Blick zu wahren.

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1 Eskalation für den Ukraine-Krieg

Es kursieren solche Narrative oder Aufrufe herum wie folgend aus einem Linkedin-Beitrag kopiert:

Operation Z-Day:

Das Schwarze Meer „abriegeln“, die Krim „befreien“, die Russen „nach Hause schicken“, die Krimbrücke „zerstören“, die „Lufthoheit“ über dem Schwarzen Meer und der Ukraine 🇺🇦 herstellen, und „Ruhe“ ist 🕊️.

Die NATO „kann“ das

Den Verfasser benenne ich nicht, er mag sich selbst erkennen denn diesen Artikel will ich auch bei Linkedin verlinken. Auf einen Diskussionsbeitrag dazu mit dem Wortlaut „Die Antwort könnte die Menschheit dezimieren.“ antwortete der Verfasser des Beitrages:

Kacke in der Hose? Verstecken Sie sich am Besten hinter dem Ofen, bis es vorbei ist.

Man könnte darüber hinweg sehen, eine Einzelmeinung. Doch solche Vorstellungen bilden sich immer wieder, und die Namen der Politiker, die eine ähnliche Richtung vertreten, sollten auch halbwegs bekannt sein, aus fast allen sich demokratisch nennenden Parteien.

Was ist gefährlich daran, was ist falsch?

2 Sind „Unsere Westlichen Werte“ die einzig richtigen?

Erinnern wir uns zurück an die Kolonialzeit. Erst Spanien und Portugal, dann Frankreich, Großbritannien haben per Seefahrt die Welt erobert. Sie meinten, sie haben das Recht auf ihrer Seite. Rassismus, Sklaverei, Unterdrückung. Die neugegründete USA mit Demokratie auf der Fahnenstange hat brachial die Urbevölkerung auf dem nordamerikanischen Kontinent, genannt „Indianer“, unterdrückt und/oder ausgerottet. Sie meinten, sie seien im Recht.

Abgesehen davon, dass Traditionen verlorengehen, immer noch jetzt verlorengehen im Naturverständnis und Menschenverständnis indigener Völker, abgesehen davon dass die Industrialisierung im großen Maßstab zu einem Artensterben auf der Welt führt, also das Tierreich unterdrückt wird, woher nimmt eine Gruppe das Recht, über Andere zu bestimmen.

Wird die Frage demokratisch beleuchtet, also vom Volk oder uns, allen lebenden Menschen, dann gibt es weder eine Mehrheit für diesen Anspruch, noch sollte eine Mehrheit, die gewonnen wird, indem die Mehrheit überzeugt wird von einer Idee mit viel Propaganda und Zuckerbroten (Konsumangeboten), für eine wirkliche Demokratie bestimmend sein. Demokratie besteht nicht aus einfachen Mehrheitsentscheidungen („wir sind alle für die Ausbeutung der Bodenschätze“), sondern Demokratie sollte sich rekrutieren aus Entscheidungen, die alle Interessen berücksichtigen. Auch die der Indigenen Völker, der Minderzahl von behinderten Menschen, derjenigen deren Gedankenwelt auch auf Anderes außerhalb des Tellerrandes gerichtet ist und der Tiere.

3 Die Welt ist vielfältig und es gibt für uns nur diese eine Welt

Die Anmerkung „es gibt für uns nur diese eine Welt“ ist durchaus auf ein Atomkriegsszenario bezogen. Freilich, man kann sich hinter dem Ofen oder in einem Atombunker verkriechen, wenn man dort hineingelassen wird, zu den oberen Prozent gehört. Europa wird’s wohl treffen, nebst Russland und der Ukraine selbst, aber die USA ist weiter entfernt, auch schöne Inseln in der Südsee, wo man einige Jahre nach dem Fiasko dann mit seinen Yachten herum gondeln kann.

Die Anmerkung „Die Welt ist vielfältig“ ist aber wichtiger. Auch Palästinenser haben ein Leberecht, neben Israel. China beschreitet einen anderen Weg und bekommt Probleme mit der zunehmenden Industrialisierung ihres hohen Bevölkerungsanteils durchaus teils besser in den Griff als die „demokratische“ USA mit ihren versinnbildlichten Großraumlimousinen, die sich ein Ranger und alle Anderen auch ja leisten können dürfen. Afrika dürfte, außer den Kenntnissen der Lagerstätten der Bodenschätze, kulturell noch weitgehend unbekannt sein. Indien und der gesamte vordere Orient geht seinen eigenen Weg. Nicht alles ist richtig, was sich dort entwickelt. Eine Hamas hat kein Recht auf einen Überfall auf Israel am 7. Oktober, und das Mullah-Regime in Iran darf nicht über die Kleidung (und die Rechte) der Frauen bestimmen. Wenn doch unsere „Westliche Welt“ so viel mehr in Ordnung wäre. Niemand hat ein Recht, über einen Anderen zu bestimmen. Nur gemeinsam geführte Organisation (wie die UNO) sind Stätten des Austauschs, der Begegnung, auch der Kritik.

4 Und Russland?

Es gibt eine interessante Feststellung: Leute aus dem Osten Deutschlands, die oder deren Eltern also bis vor 34 Jahren unter russischer Vorherrschaft leben mussten, haben heute ein viel höheres Verständnis für Russland, seine Kultur und auch seinen Präsidenten. Es war keineswegs so, dass die Ossis damals verblendet waren. Die große Mehrheit war westlich orientiert, nur etwa 10% waren dem Regime hörig oder treu ergeben.

Der Unterschied zu den Bewohnern der ursprünglichen Bundesrepublik ist, Russland wurde in der BRD als feindlich und fremd dargestellt. Unbekannt. Wir im Osten hatten eine Vorstellung von Russischer Kultur, durchaus mit Sprachkenntnissen verwoben, jeder wusste was das Большой театр ist, schon weil man diese komischen Buchstaben lesen konnte (das so genannte „Große Theater“ aus Moskau). Nicht nur „Wie der Stahl gehärtet wurde“, ein Buch des sowjetischen Schriftstellers Nikolai Ostrowski war bekannt (Schul-Pflichtliteratur, habe ich aber nie gelesen, kann da nicht mitreden) sondern auch andere Literatur aus der Zarenzeit und der Sowjetunion waren bekannt. Russische Märchen, die das Flair, das Empfinden der Russischen Seele aussprechen. „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ von Alexander Wolkow, 1939 erschienen, ist eine sehr viel gefühlvollere Erzählung als das Original „Der Zauberer von Oz“, das war ein oft und gern gelesenes Kinderbuch. Nun kann man allerdings in Gefühlsduselei versinken und dabei die Gräueltaten des Wladimir Putin vergessen.

Dazu aber folgende Fakten:

● 1990 gab es den überragenden Sieg der Westlichen Werte über den Sozialismus. 1992 hat man vom „Ende der Geschichte“ geschrieben (Buch des Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama [1]), dem Sieg der westlichen Werteordnung. Im Dezember 1991 wurde offensichtlich oder scheinbar aus einer Laune heraus das Ende der Sowjetunion beschlossen (in einer Datsche, in der sich Jelzin, Krawtschuk und Schuschkewitsch, Präsidenten Russlands, Belorusslands und der Ukraine zur Wildschweinjagd getroffen hatten [2]).

Die Sowjetunion hatte zwar unter dem Staatsdiktat insbesondere von Stalin zu leiden, andererseits wurde allgemeine Bildung, Kunst und Kultur groß geschrieben. Bücher waren preiswert. In der Wissenschaft war die Sowjetunion nicht unbedeutend. Forschungen mit Bakteriophagen wurden dort konsequent weiter betrieben [3], entgegen dem in den USA gewinnbringend favorisierten Antibiotika, nur als Beispiel. An die Erfolge in der Raumfahrt muss nicht extra erinnert werden. Dies war nun mit einem Schlag aus und vergessen. Mc Donalds öffnete Filialen in Moskau.

Die „Westliche Welt“ hatte um 2000 mit der ersten Finanzkrise zu kämpfen. In dieser Zeit löste Wladimir Putin Boris Jelzin an der Spitze ab, und sagte „Нет“ („Nein“) zu dieser gesamten Entwicklung.

Die USA schickte etwa zur gleichen Zeit Bomber nach Bagdad (zweiter Irakkrieg [4]), nur um die Vorherrschaft in dieser Region zu sichern. Wie bekannt waren Vorwürfe mit Massenvernichtungswaffen des Irak erfunden. Die Sowjetunion hatten niemals Bomber irgendwohin geschickt. Auch die Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus wurde im Wesentlichen von der Panzerarmee getragen, in der Zeit in der die Briten und die USA deutsche Städte ohne Kriegsgrund zerbombt hatten.

Und nun also wieder Bomben, diesmal auf Russland. Das ist nicht zu verantworten, liegt aber offensichtlich in der bisherigen Logik „Unserer Westlichen Werte“.

5 Unsere besondere Verantwortung als Deutschland

Es gab vor etwa 90 bis 80 Jahren schon einmal eine Zeit, als viele von uns Deutschen sich als die Besseren fühlte, „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“ und ähnliche Sprüche klopften und nach dem Motto „Denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“ Krieg führten. Hätte insbesondere Russland zusammen mit der Ukraine (die Sowjetarmee) diesem Treiben mit 13 Millionen gefallenen Soldaten und 14 Millionen zu beklagenden zivilistischen Kriegstoten kein Ende bereitet (Quelle [5]), dann hätte das Naziregime vielleicht doch den Zugang zur Atombombe noch errungen. Die Bombardements der Briten und USA auf deutsche Städte hätten dies dagegen nicht verhindert.

Daher hat Deutschland nebst dem Eintreten für den Staat Israel (aber nicht für jeden Staatsführer dort) wegen 6 Millionen ermorderter Juden auch die Verantwortung, auf die gesamte Welt und Gerechtigkeit in der Welt zu schauen, und nicht einseitigen Ideologien zu folgen.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte Buch „The End of History and the Last Man“ von https://de.wikipedia.org/wiki/Francis_Fukuyama, USA-Polikwissenschaftler

[2] https://www.mdr.de/geschichte/zeitgeschichte-gegenwart/politik-gesellschaft/ende-der-sowjetunion-100.html

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Georgi-Eliava-Institut_für_Bakteriophagen,_Mikrobiologie_und_Virologie

[4] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/165263/zehn-jahre-irak-konflikt-kein-ende-der-gewalt-in-sicht/ (Artikel von 2013)

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges

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