Anne Will: Opposition ist Mist

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„Wir sind doch keine Jubelperser“, sagte gestern SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann bei Anne Will und zog damit schon ein schon sehr abgedroschenes Rhetorikregister, nicht ohne noch einen draufzusetzen: „auch nicht in Tunesien oder Weissrussland“. Es sei deshalb Pflicht der Opposition, Kritik zu üben und auf die wunden Stellen hinzuweisen, alles im Dienste der Demokratie und noch Höherem, versteht sich von selbst, was er in einer für die Opposition typischen aber doch an diesem Abend peinlich schlichten Amnesie-Art dann reichlich tat. Man kann es auch so sagen: Es war einfach zu gut erkennbar, dass es ihm primär darum ging, dem Guttenberg am Lack zu kratzen.

Moralisch zweifelhaft dann auch die Agitation aus dem Hinterhalt, indem er, (nachdem er mit der Gorch Foch nicht punkten konnte), mit dem von einem Kameraden im Dezember (!) versehentlich getöteten deutschen Soldaten in Afghanistan weiter zu Guttenbergs Verhängnis in dieser hässlichen Offensichtlichkeit beitragen wollte – stattdessen aber auch den wohlgesinnten Zuschauer mit seinem unoriginellem und unelegantem Auftritt in die Arme des Gegners trieb.

Schließlich: Die Fakten sind längst bekannt, auch das ist bekannt und bekannt auch, dass vermutlich nur die Presse zu desinteressiert war, die „Story“ aufzugreifen, es hier mal nicht für eine „Exklusivgeschichte“ reichte. An einer Stelle nuschelte Oppermann noch irgendwas Trotziges à la „selbst der Seehofer ist doch nicht glücklich mit zu Guttenberg,“ und konterkarierte also die gewohnten Feindeslager, was das Zeug hielt. Selbst bei Nikolaus Blome ertappte man sich dabei, einen Bild-Führungskader für integerer als einen SPD-Geschäftsführer zu halten. Natürlich - Schwiegersohn-Typ Blome ist ja ohnehin ein Bild-politischer Schachzug.

Also angezapft für die CSU, sonst eher Garant für die Provinzposse, überließ Alexander Dobrindt "dem Oppermann" die Hauptrolle („das ist ja armselig, was Sie hier bringen“), hätte Guttenberg wohl am liebsten konsquent Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg genannt, beließ es aber beimKarl-Theodor zu Guttenberg und lehnte sich ansonsten zurück, der Zuschauer setzte sich im Geiste dazu. Als er zur nun wirklich millionenfach gehört und gelesener erneut vorgenommener Persönlichkeitsanalyse des Verteidigungsministers zu Recht meinte, man müsse auch einfach mal stehen lassen, dass der Mann sich großer Beliebtheit erfreue, wollte man glatt nicken, so weit hatte es Oppermann gebracht! Und – Dobrindt war damit auch gleicher Meinung mit taz-Chefin Ines Pohl. Die wünschte sich auch den Rückzug aus dem Glamour und die Rückkehr zu den Inhalten.

Gegen Oppermann und Co auch resistent der deutsche Bürger. Der Einspieler zeigte, dass die Deutschen ihren Guttenberg immer noch verehren, komme was wolle, im Gegenteil, eben der Sarrazin-Effekt. Ines Pohl war gut, auch wegen ihr sollte man öfter mal zur taz greifen und Anne Will machte Moderation, dieses Mal gar nicht so schlecht. Thurn und Taxis war als netter Adels-Onkel gekommen, frei von allen Inhalten. Und Ulrich Matthes repräsentierte uns, die zu-Guttenberg-Kritiker (Selbstinszenierung!), latenten Bundeswehr-Verachter und Afghanistan-Gegner. Das Wort Selbstgerechtigkeit ließ aber auch der große Schauspieler unsicher als Fragezeichen im Wohnzimmer, schuld war der Oppermann.

(Foto auf der Startseite: NDR / Wolfgang Borrs)

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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