Kopfzerbrechen bereitet einem die dieser Tage veröffentlichte Studie zur Stimmung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland zwischen 14 und 29 Jahren – sie blicken äußerst sorgenvoll in die Zukunft, sind so pessimistisch wie lange nicht. Die Sorgen sind vor allem finanzieller Natur, dazu kommen Ängste vor einem Krieg in Europa und naturgemäß vor dem Klimawandel. Besonders pikant für diese Alterskohorte scheint – da man ja dort sonst mehr die weltoffenen Einstellungen verortet – , dass auch das Thema Migration negativ konnotiert ist. Und wäre diesen (oder nächsten) Sonntag Bundestagswahl, würden 22 Prozent AfD wählen, das sind dramatische 13 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Da kriegen wir Erwachsen
Prozent AfD wählen, das sind dramatische 13 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Da kriegen wir Erwachsenen wirklich Migräne – vor Sorge und Kummer.Dass die AfD für junge Menschen als wählbare Alternative erscheint, soll daran liegen, dass sich die Partei auf Tiktok als einzige Partei zielgruppenversiert und mit Reichweiten-Erfolg herumtreibt, also auf dem „Informationskanal“ für junge Menschen gut unterwegs ist. Zu befürchten ist nun, dass die Parteien links vom ultrarechten Spektrum ihre Umtriebigkeit auf diesem Portal exponentiell erhöhen, also die junge Klientel mit „seriösen Inhalten“ zu entertainen versuchen. Das Problem ist nur, dass auf Tiktok nicht knallt, was seriös ist, sondern nur, was schräg ist und kurz aus der Apathie reißt. Tiktok funktioniert, wie die FAS kürzlich feststellte, wie analoges Fernsehen. Man lässt sich in Dauerschleife berieseln und fürs Switchen muss man nicht mal mehr den Kanal wechseln.Wäre es nicht angesichts der vielfältigen Bedrohungen durch Tiktok (mit der Lite-Version käme eine noch gefährlichere Variante ins Spiel) dringend geboten, alle Energie darauf zu verschwenden, dieser Bedrohung politisch zu begegnen und zum Beispiel Politiker:innen jeder Couleur „Wahlwerbung“ in den sozialen Medien zu untersagen? Im Fernsehen darf Wahlwerbung ja auch nur vier Wochen vor Wahlen gesendet werden. (Wir erinnern uns, das sind diese in den meisten Fällen verunglückten bunten Kurzfilme.)Fehlerquotient abgeschafftDerweil, und das macht nachweislich nichts besser, sondern vieles schlimmer, greift die „Tiktokisierung der Schule“ unaufhaltsam um sich. Seit Jahren versucht Bildungspolitik erfolglos, das Schwinden der Rezeptionsfähigkeit junger Menschen aufzuhalten, und was hier folgerichtig wirkt, folgt immer mehr lemminghaft einem Trend, den ich „Tiktokisierung der Schule“ nenne, nämlich wenn das Schriftliche zugunsten des Mündlichen immer weiter zurückgedrängt wird. Kürzlich kündigte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) an, den sogenannten Fehlerquotienten für die Bewertung von Deutschaufsätzen abzuschaffen.In allen anderen Bundesländern bis auf Hessen, las man erstaunt, ist diese Regelung längst Usus. Der Fehlerquotient beschreibt das Verhältnis von Textproduktion und Rechtschreibfehlern. Es wunderte nun nicht mehr, dass das eigene Kind mit seinem persönlichen Fehlerquotienten am Gymnasium immer noch durchkommt. Längst sind ja auch Diktate als konservative Gängelung verpönt, wurde korrekte Rechtschreibung als Instrument für Diskriminierung markiert, wurden Hausaufgaben als Relikt von autoritärer Seite schlechtgeredet. Sind Schulhefte voll mit Kopien und dürftig mit eigenen Wörtern gefüllt. Wird von Büchern allenfalls die Zusammenfassung auf Youtube gehört. Wird, wenn überhaupt, nur in der Schule gelesen, werden auch schon dort viel zu oft Filme geschaut. Und während die Bedeutung von Sprach- und Schreibkompetenz eine bedenkliche Abwertung erfährt, wird mündliche Mitarbeit im Unterricht immer stärker gewichtet und belohnt.Ursprünglich sollte das wohl wegen der Niedrigschwelligkeit zu mehr „Bildungsgerechtigkeit“ führen. Das Ganze führt doch aber vor allem dazu, dass nicht guter, am Mündlichen orientierter Stil für eine Tugend gehalten wird, sondern das Loslabern. Dabei ist es eine Untugend: Schüler:innen müssen nirgends mehr intensiv nachdenken, den Sinn eines Textes erfassen, in die Tiefe gehen. Weil sie zu dünnbrettigen Instantmeldungen geradezu angehalten werden. Man lernt, für die schnellen Wahrheiten gibt es die Power Points. Und auf Tiktok läuft es ja nicht anders, wenn nicht „die Politik“ bald eine sehr gute Idee dazu hat. Klar trendet bis dahin die AfD. Textende. Migräneschub.