Gesellschaftliches Bedürfnis

PID Das neue Urteil zur PID ist vor allem eine Chance, die Debatte neu aufzurollen und klare Verhältnisse zu schaffen

Ein Arzt hat geschafft, wozu gleich mehrere Regierungen der Bundesrepublik nicht in der Lage waren: Er hat sich selbst angezeigt und damit eine Lücke im Embryonenschutzgesetz offengelegt, die nun kaum mehr zu ignorieren ist. Der Bundesgerichtshof sprach den Mediziner am Dienstag davon frei, Fortpflanzungstechniken missbraucht und Embryonen gesetzeswidrig verwendet zu haben, indem er auf den Wunsch dreier Paare hin mehrfach eine Präimplantationsdiagnostik (PID) vorgenommen hatte.

Bis zu diesem Urteil galt die PID in Deutschland als grundsätzlich verboten, obwohl das Embryonenschutzgesetz von 1990 dies nicht ausdrücklich regelt. Es ist einfach zu alt. Dass dieser Missstand nicht längst beseitigt ist, zeugt von nicht weniger als heilloser Verdrängung. Es fehlt bislang der Wille, sich auf eine Grenze festzulegen. Die Angst vor unpopulären Debatten um einen ethischen Dammbruch erscheint ganz offenbar zu groß.

An diesen Debatten wird man nun nicht mehr vorbeikommen, und das ist vor allem: eine Chance. Denn den Damm, der vom Bruch bedroht erscheint, gibt es längst nicht mehr. Es gibt ihn schon für jenes Leben nicht mehr, das – im Gegensatz zum Reagenzglasembryo - tatsächlich auf dem Weg ist, geboren zu werden. Unsere Gesellschaft hat sich dafür entschieden, die vorgeburtliche Gendiagnostik am wachsenden Embryo zu erlauben und Schwangerschaftsabbrüche unter klar definierten Voraussetzungen nicht zu bestrafen. Es hat Gründe für diese Entscheidungen gegeben. Ein Grund ist, dass das Bedürfnis nach diesen Optionen existiert. Ein anderer ist der eindeutige Wunsch nach Beschränkung.

Ebenso gibt es das Bedürfnis nach der PID. Das zeigt der jetzt vor dem BGH verhandelte Fall und das zeigt auch die wachsende Zahl von Paaren, die sich ihren Wunsch nach der PID in Belgien oder anderswo im Ausland erfüllen, unter weit geringeren Restriktionen, als sie eine eigene Regelung sichern könnte. Die muss nun kommen. Denn so, wie es heute unvorstellbar erscheint, dass eine Frau sich ihr Selbstbestimmungsrecht mit einer Abtreibung im Ausland erkaufen muss, sollte es undenkbar sein, dass Paare, die eine PID wünschen, auch künftig noch vor ungeklärten Verhältnissen flüchten müssen.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

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