Top Kill, Top Flop, Next Kill

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BP versucht weiter, das "Schlimmste" im Golf von Mexiko zu verhindern, und kann nur scheitern.

Denn das Schlimmste ist wohl längst eingetreten. BP möchte aber wenigstens nicht den Eindruck vermitteln, sich zu wenig Mühe gegeben zu haben: In diesen Tagen startet der Ölkonzern einen weiteren Versuch, das offene Förderrohr im Golf von Mexiko irgendwie dichtzukriegen, bzw. das austretende Öl so einzufangen, dass es in Tankschiffe geleitet und abtransportiert werden kann, anstatt sich zu den bisher rund 400 Millionen Litern Rohöl zu gesellen, die weiter und uneinholbar im Golf von Mexiko Richtung Küste und sonstwohin treiben und ihr Zerstörungswerk verrichten. Der Ölteppich ist gestern auch in Mississippi und Alabama angekommen, aber anders, als es Nachrichtenagenturen formulieren, "beschränkt" sich die Katastrophe ohnehin nicht auf die Küste. Die Katastrophe ist überall dort, wo das Öl, und seien es nur Spuren desselben, hingelangt.

Insofern sind die Strände sogar der kleinste vom Unglück betroffene Teil der Umwelt. Vor allem die riesigen Unterwasserwolken sind eine Gefahr. Entstanden sind sie vermutlich unter dem Einfluss von Millionen Litern Dispersionsmittel, das BP im Rahmen seiner vorbildlichen Katastophenmanagements einfach mal herumgesprüht hat. Konsequenz dieser durchdachten Chemikalienaktion wird wohl sein, dass sich Ölfressende Mikroben auf die fette Beute stürzen und den Sauerstoff im Wasser restlos verbrauchen. Dann werden weite Teile der Tiefsee einfach absterben.Es hilft mithin wenig, dass BP nach eigenen Angaben schon 13,5 Millionen Gallonen (also mehr als 40 Millionen Liter) Öl-Wasser-Schlick-Schmodder eingesammelt hat, aus seiner tiefen Verbundenheit zur Umwelt heraus, damit die nicht so leidet.

Nun also der letzte Anlauf, dessen Prinzip man sich zusammen mit den fünf bereits gescheiterten Verzweiflungstaten sehr schön in dieser Grafik der New York Times anschauen kann (Es fehlt nur das Abbrennen des Teppichs, das man anfangs ja noch für eine prima Lösung hielt): Dieses Mal versuchen die Unterwasserroboter, das so genannte Steigrohr, also das Rohr im Bohrloch, abzusägen. Dann soll eine Kappe mit Schlauch über die neue Schnittstelle gestülpt werden - absaugen, fertig. Das klingt so einfach, wie vernünftig, wie vertraut, denn im Grunde handelt es sich um eine Variante der Glockenlösung, nur dass die Glocke jetzt viel kleiner ist, und man das Rohr vorher zurechtschneidet.

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Ein Größenvergleich: Der Teppich über Berlin

Es zu versuchen erscheint aber besser, als weitere drei Monate einfach die Hände in den Schoß zu legen, und zu warten, bis die so genannte Entlastungsbohrung soviel Druck von dem Leck nimmt, dass man es einfach zubetonieren kann. Was aber, wenn's nicht klappt? BP hat davor offensichtlich auch ziemlich große Angst. Deshalb versucht man das Verfahren mit dem hochtechnologisch klingenden Namen "lower marine riser package (“LMRP”) containment system" schnell noch ein bisschen zu verbessern, bis der Begriff "System" der Realität ein wenig nahe kommt und man es wagen kann. Gesägt wird aber schon mal, wobei wohl klar ist, dass der Schnitt am Rohr die Menge des hinausströmenden Öls "vorübergehend" steigert, was immer das heißt - vorübergehend, bis die Kappe sitzt, was man ja nicht so genau absehen kann, weil da unten alles irgendwie anders ist?

Ja, das ist alles sehr vielversprechend. Das "Schlimmste" hätte BP - stellvertretend für alle Ölkonzerne - wohl verhindern können, indem man gar nicht in eine Tiefe vorgedrungen wäre, die der Erdoberfläche in etwa so stark ähnelt wie die Erdoberfläche dem Mars. BPs Unvermögen, das Leck zu schließen ist nicht nur Inkompetenz, es ist auch Selbstüberschätzung und fehlender Respekt vor der Beschaffenheit unseres Planeten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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