Man kann nicht gerade behaupten, dass die Exploration des Weltraums derzeit ihre goldene Ära erleben würde oder dass ihr in absehbarer Zukunft auch nur leidlich rosige Zeiten bevorstünden. Aber wie man an China sehen kann, gibt es noch Ambitionen.
Vor zwei Wochen wurde die erste chinesische Raumstation in die Umlaufbahn der Erde katapultiert, und obwohl Tiangong-1 alles andere ist als ein bedeutender, geschweige denn neuer Schritt für die Menschheit (die Station ist seit dem Start von Saljut-1 vor 40 Jahren die zwölfte Raumstation der Geschichte und die zehnte, die bemannt sein wird), lässt sich viel in dieses Provisorium hineininterpretieren. Allein der Name – „Himmlischer Palast“ – belebt die Utopien des alten Science-Fiction wieder: Irgendwann, wenn hier unten auf apokalyptische Weise alles marodiert und lebensfeindlich ist, findet der Mensch dort oben eine saubere, helle und warme Zuflucht (s. der Freitag Nr. 40/2011).
Im Film mag so etwas noch funktionieren. In der Realität aber nicht. Zum einen, weil sich die fantastischen Hoffnungen, habitable Welten in der erreichbaren Umgebung einer zunehmend morbiden Erde zu finden, immer wieder als vergeblich erweisen. Wenn überhaupt, eignen sich die Oberflächen benachbarter Wandelsterne oder ihrer Monde gerade einmal für extrem hartgesottene Mikroorganismen, wie es sie etwa in unterirdischen Eisseen oder an submarinen Vulkanen gibt – nur, dass der Nachweis einer Existenz solch primitiven Lebens jenseits der irdischen Atmosphäre auf sich warten lässt, und all diese Umstände selbst dem größten Optimisten keine Perspektive eröffnen, in der das Weltall einen gemütlichen Zufluchtsort vor der Zerstörung der Erde darstellt.
Ungebrochener Optimismus
Das Universum ist groß, unvorstellbar kalt, für den Menschen in weiten Teilen unbewohnbar und dort, wo es vielleicht tatsächlich schön ist, kommt der Mensch allein deshalb nicht hin, weil er nun einmal für die Erde konstruiert wurde. In der Schwerelosigkeit und Leere des Raums schwinden ihm schon in kurzer Zeit Knochen und Muskeln, spielt seine Psyche verrückt. Reisen von mehreren Jahren Dauer sprengen sehr wahrscheinlich alle Grenzen menschlicher Konstitution. Da kann man doch getrost erstmal zu zu Hause bleiben.
Zum anderen: Wer will denn eigentlich weg? Wie Forscher gerade in der Zeitschrift Nature Neuroscience berichteten, ist die optimistische Einstellung des Menschen zu seiner Existenz hier auf der Erde selbst dann nicht kleinzukriegen, wenn man mit höchst realistischen, auf die persönliche Lebensspanne bezogenen Risiken vor seinen Augen wedelt. Alzheimer, tödlicher Krebs, deprimierende Altersarmut, erdrückende Schulden, schwere Unfälle oder schlechte Zähne: Keine realistische Risikoziffer konnte die Testpersonen von ihrem optimistischen Glauben abbringen, es werde schon alles gut gehen. Da ist es zwar spekulativ, aber naheliegend anzunehmen, dass die Risikowahrnehmung in Bezug auf eine bevorstehende Apokalypse noch viel verklärter ist.
Was definitiv Probleme mit sich bringt. Umweltkatastrophen, Welthunger, Ressourcenschwund und Klimawandel sind nichts, was man voller Optimismus verdrängen darf. Aber für die Idee, der Mensch habe ins All gestrebt und strebe noch immer dorthin, weil ihn die bevorstehende Apokalypse panisch nach neuen Lebensräumen suchen ließe, gibt es, von Einzelmeinungen abgesehen, keine Indizien. Die Menschheit weiß heute einfach zuviel. Und auch die chinesische Forschung strebt heute vornehmlich ins All um zu lernen. Gewiss auch, um daraus einen Nutzen zu ziehen. Welcher das sein kann, wird sich noch zeigen. Um die Erde kümmern muss sich der Mensch so oder so.
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