Zeitpolitik und Geschlechtergerechtigkeit

Grüne Katja Dörner und Gesine Agena sagen: Mehr Zeit für Familie und mehr Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern müssen Hand in Hand gehen.

Zeitpolitik ist in aller Munde. Denn der permanente Termindruck gilt zu Recht als ein Übel unserer Zeit. Als Grüne wollen wir Ideen entwickeln, die unser stressiges Leben entschleunigen. Wir wollen, dass wieder Zeit ist für ein Treffen mit Freunden, für die Gute-Nacht-Geschichte, auch für die Auszeit nach einer besonders stressigen Phase im Beruf. Dabei wollen gerade wir Grüne uns stets fragen, welche Auswirkungen unsere Vorschläge für die Erwerbsbeteiligung von Frauen haben.

Im Fokus guter Zeitpolitik sollten die Familien stehen. Denn kaum jemand empfindet den Alltagsstress derartig wie die junge Mutter, der junge Vater, die sich aufreiben zwischen Büro, Kita, Küche, Dienstreise, Kinderarzt, überraschenden Überstunden und vielem mehr. Deshalb ist klar: Familien brauchen mehr Zeit. Das Elterngeld, das als Lohnersatzleistung in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes eine finanzielle Absicherung bietet, war ein Meilenstein, auch wenn die Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II nach wie vor eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Das neue ElterngeldPlus, das für teilzeitbeschäftige Eltern mehr Flexibilität schaffe, ist eine gute Ergänzung. Aber der Stress junger Eltern hat sich nicht nach zwei Jahren erledigt. Deshalb soll das Elterngeld ausgeweitet und flexibilisiert werden, damit Eltern bspw. bei der Einschulung, dem Übergang in die weiterführende Schule oder in anderen Phasen, in denen ihre Kinder besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge brauchen, eine finanziell abgesicherte Auszeit vom Job nehmen können. Wichtig ist uns, dass die finanzielle Absicherung so gestaltet ist, dass nicht nur der Oberstudienrat, sondern auch der Malergeselle sich diese Auszeit leisten kann.

Aber Vorsicht – mehr Zeit für Familie, das kann für Mütter sogar zur Falle werden, wenn sie länger oder gar auf Dauer aus dem Beruf aussteigen und deshalb keine eigene Absicherung bis hin zu fehlenden Rentenansprüchen haben. Die CSU hat mit dem Betreuungsgeld gezeigt, wie falsche, rückwärtsgewandte Zeitpolitik aussieht. Dabei will die Mehrheit der Mütter und Väter – das zeigen viele Studien – die Zeit, die sie für Erwerbs- und Familienarbeit einbringen, endlich gerechter untereinander aufteilen. Ein Großteil von ihnen kann dies im Alltag nicht verwirklichen. Genau hier muss gute Zeitpolitik ansetzen. Eine gute Lohnersatzleistung, die verbindlich einfordert, dass nicht nur die Mütter ihre Arbeitszeit reduzieren, ist wichtig. Aber wir wollen tiefer schürfen. Noch immer arbeiten viele Frauen dauerhaft halbtags oder in Mini-Jobs. Gute Zeitpolitik ermöglicht es Müttern, mehr zu arbeiten. Und sie ermöglicht es Vätern, weniger zu arbeiten. Sie ermöglicht es Familien so zu leben, wie sie es selbst wünschen – und vielfach nicht können. Denn mit Blick auf den Gehaltszettel und in den Geldbeutel ist es spätestens nach der Geburt des ersten Kindes nur logisch und scheinbar vernünftig: sie bleibt zuhause und er arbeitet mehr als vorher, um die Familie zu ernähren. Deshalb muss eine gute Zeitpolitik im Sinne der Frauen die großen Herausforderungen angehen. Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz, damit der Geldbeutel von Frauen und Männern endlich gleich dick ist. Und wir müssen das Ehegatten-Splitting abschaffen, damit sich die Alleinernährer-Ehe erst gar nicht lohnt. Dann stellt sich die Frage nach dem „wer arbeitet wie viel“ sofort ganz anders. Junge Eltern können sich endlich frei entscheiden. Mehr Zeit für Familie und mehr Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern gehen Hand in Hand.

Gesine Agena ist frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Katja Dörner ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der grünen Bundestagsfraktion.

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Katja Dörner, Gesine Agena | Katja Dörner

Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen

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