„Wir könnten ja heiraten“

Tatort Warum der Tatort eine Reihe und keine Serie ist, obwohl er auf seiner Reise nach Finnland auf einen Serienmöder trifft

Im korrekten Sprachgebrauch nennt sich der Tatort „Reihe“ und nicht „Serie“. Dem Kieler Tatort scheint das allerdings nicht besonders gut zu schmecken, deswegen geriert er sich seit einiger Zeit als Serie. Das bedeutet nicht nur das Nacheinander von „Borowski und das Mädchen im Moor“, „Borowski und die einsamen Herzen“, „Borowski und die heile Welt“ und „Borowski und die Sterne“, sondern auch, wie sich langsam die Liebe zwischen Borowski und Jung entspinnen musste. Die ist nun also da, die Liebe. Und mag die aktuelle Tatort-Ausgabe auch keinen „Und“-Titel haben, sondern „Tango für Borowski“ heißen, so geht die Liebe zwischen den beiden doch weiter und endet für diesmal gar mit einem regelrechten Cliffhanger.

Weil Serien außerdem gerne mal Urlaub machen (während Reihen, wenn schon vom Urlaub, dann von nichts anderem handeln, siehe Traumschiff oder James Bond), spielt der Tatort diesmal in Finnland (worüber sich Doris J. Heinz einst arg freute), das freilich so schön aussieht wie im GEO-Magazin. Und weil Serien gern Serienmörder mögen, gibt es den auch noch obendrauf. Der hat elf abgesägte Köpfe unter einer „Opferbirke“ im Schuppen neben dem Wohnhaus seiner Mutter verbuddelt, kleine Kreuze in kleinen geschnitzten Kähnen baumeln an deren Ästen. Im Haus der Mutter nimmt Psychologin Jung ein Familienfoto von einer Kommode, auf dem das Gesicht des Vaters ausradiert wurde. Warum der Täter immer wieder nur Paare tötete, weiß sie schnell: „Er sieht in ihnen sich und seine Mutter, er muss die Liebespaare stellvertretend töten.“ Elf kann man jedoch nicht durch Zwei teilen, und deshalb ist der Serienmörder nicht der Mörder des toten finnischen Mädchens.

Ohnehin nimmt „Tango für Borowski“ die Geschichte vom Serienmörder nicht besonders ernst, sondern hakt sie fast schon nebenbei ab. So finnisch eben, wie dieser Film auch geschnitten und bis ins Personal – Janne Hyytiäinen, der Borowskis finnischen Kollegen spielt, war schon bei Kaurismäki zu sehen; Regisseur Hannu Salonen ist in Finnland geboren – ausstaffiert ist. Salonen übertreibt es glücklicherweise nicht, so dass man sich am Ende nicht von einer schlechten Kopie gelangweilt sieht. Die Melancholie ist nie rührend, aber manchmal immerhin ein bisschen grotesk. Und zwar gerade kein Quäntchen zu viel, denn mehr davon hätte die Geschichte von Clemens Murath, die sich durchaus ums Dramatische und Mythische bemüht, nur noch gründlicher konterkariert. Dass man dem finalen Saunagang trotz der nicht wenigen Finnland-Zitate ganz gern zusieht, ist wohl ebenfalls Salonen zu verdanken. Und natürlich Axel Milberg (den ich persönlich nur noch im Tatort und sonst fast nirgends mehr anschauen mag).

So hatte „Tango für Borowski“ zwar kein rechtes Thema (das ist bei Serienmördergeschichten manchmal schwierig, zugegeben), dafür aber etwas hübsch Tänzerisches: Der Film wiegte sich mal nach hier, mal nach dort, hielt mal an, ging dann wieder ein paar Schritte, um sich anschließend um die eigene Achse zu drehen und sich woanders tief zu beugen. Sieht fast so aus, als fühlte sich der Tatort in seinem schwergewichtigen Gewand des Sozialthemas gerade nicht besonders wohl (siehe „Vergissmeinnicht“) und wollte mal ein paar andere Klamotten ausprobieren. Das steht ihm auch diesmal ganz gut zu Gesicht – selbst wenn dies sicher nicht das Kleid ist, für das er sich letztlich entscheiden wird. Denn das trägt man eben nur im Urlaub.

Schönster Dialog: „Wir könnte ja heiraten.“ – „Aber wen?“
Schönster Neuzugang auf der Tatort-Drogen-Palette: psychogene Pilze

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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